Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



sich in der That vielleicht nicht schicken, daß ich
sie erfahre. Aber ich muß doch gestehen, es über-
schreitet meinen Verstand, daß eine Frau etwas,
das ihr Mann vornehmen mag, wenn es nur
den Frieden nicht bricht, so hoch empfinden kann,
daß sie sich berechtigt hält, von ihm zu laufen.

Lovel. Herr Capitain Tomlinson - - mein
Herr - - Jch versichere sie, daß ich mich für be-
leidigt halten werde - - - daß es mir äußerst
empfindlich seyn wird - - wenn ich das Wort
noch einmal höre.

Capit. Jhre Bedenklichkeit und ihre Liebe,
mein Herr, können wohl verursachen, daß sie sich
für beleidigt halten - - Allein es ist meine Art,
ein jedes Ding bey seinem Namen zu nennen:
es mag sich darüber beleidigt finden, wer da will.

Du kannst dir nicht vorstellen, Belford, wie
muthig und wie vornehm der Schalk dabey
aussahe.

Capit. Wenn sie es für dienlich halten wer-
den, mein junger Herr, uns die eigentlichen Um-
stände wissen zu lassen: so wollen wir für dieses
übereilte Vornehmen von einem so bewunderns-
würdigen Frauenzimmern einen Namen finden,
der ihnen besser anstehen soll. - - Sie sehen,
mein Herr, daß, weil ich die Person meines wer-
then Freundes, Herrn Joh. Harlowe vorstelle,
ich eben so frey rede, als er meiner Vermuthung
nach thun würde, wenn er gegenwärtig wäre.
Jedoch sie werden roth, mein Herr - - Jch bit-
te um Verzeihung, Herr Lovelace: es stehet ei-

nem



ſich in der That vielleicht nicht ſchicken, daß ich
ſie erfahre. Aber ich muß doch geſtehen, es uͤber-
ſchreitet meinen Verſtand, daß eine Frau etwas,
das ihr Mann vornehmen mag, wenn es nur
den Frieden nicht bricht, ſo hoch empfinden kann,
daß ſie ſich berechtigt haͤlt, von ihm zu laufen.

Lovel. Herr Capitain Tomlinſon ‒ ‒ mein
Herr ‒ ‒ Jch verſichere ſie, daß ich mich fuͤr be-
leidigt halten werde ‒ ‒ ‒ daß es mir aͤußerſt
empfindlich ſeyn wird ‒ ‒ wenn ich das Wort
noch einmal hoͤre.

Capit. Jhre Bedenklichkeit und ihre Liebe,
mein Herr, koͤnnen wohl verurſachen, daß ſie ſich
fuͤr beleidigt halten ‒ ‒ Allein es iſt meine Art,
ein jedes Ding bey ſeinem Namen zu nennen:
es mag ſich daruͤber beleidigt finden, wer da will.

Du kannſt dir nicht vorſtellen, Belford, wie
muthig und wie vornehm der Schalk dabey
ausſahe.

Capit. Wenn ſie es fuͤr dienlich halten wer-
den, mein junger Herr, uns die eigentlichen Um-
ſtaͤnde wiſſen zu laſſen: ſo wollen wir fuͤr dieſes
uͤbereilte Vornehmen von einem ſo bewunderns-
wuͤrdigen Frauenzimmern einen Namen finden,
der ihnen beſſer anſtehen ſoll. ‒ ‒ Sie ſehen,
mein Herr, daß, weil ich die Perſon meines wer-
then Freundes, Herrn Joh. Harlowe vorſtelle,
ich eben ſo frey rede, als er meiner Vermuthung
nach thun wuͤrde, wenn er gegenwaͤrtig waͤre.
Jedoch ſie werden roth, mein Herr ‒ ‒ Jch bit-
te um Verzeihung, Herr Lovelace: es ſtehet ei-

nem
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0341" n="335"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x017F;ich in der That vielleicht nicht &#x017F;chicken, daß ich<lb/>
&#x017F;ie erfahre. Aber ich muß doch ge&#x017F;tehen, es u&#x0364;ber-<lb/>
&#x017F;chreitet meinen Ver&#x017F;tand, daß eine Frau etwas,<lb/>
das ihr Mann vornehmen mag, wenn es nur<lb/>
den Frieden nicht bricht, &#x017F;o hoch empfinden kann,<lb/>
daß &#x017F;ie &#x017F;ich berechtigt ha&#x0364;lt, von ihm zu <hi rendition="#fr">laufen.</hi></p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Lovel.</hi> Herr Capitain Tomlin&#x017F;on &#x2012; &#x2012; mein<lb/>
Herr &#x2012; &#x2012; Jch ver&#x017F;ichere &#x017F;ie, daß ich mich fu&#x0364;r be-<lb/>
leidigt halten werde &#x2012; &#x2012; &#x2012; daß es mir a&#x0364;ußer&#x017F;t<lb/>
empfindlich &#x017F;eyn wird &#x2012; &#x2012; wenn ich das Wort<lb/>
noch einmal ho&#x0364;re.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Capit.</hi> Jhre Bedenklichkeit und ihre Liebe,<lb/>
mein Herr, ko&#x0364;nnen wohl verur&#x017F;achen, daß &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
fu&#x0364;r beleidigt halten &#x2012; &#x2012; Allein es i&#x017F;t meine Art,<lb/>
ein jedes Ding bey &#x017F;einem Namen zu nennen:<lb/>
es mag &#x017F;ich daru&#x0364;ber beleidigt finden, wer da will.</p><lb/>
          <p>Du kann&#x017F;t dir nicht vor&#x017F;tellen, Belford, wie<lb/>
muthig und wie vornehm der Schalk dabey<lb/>
aus&#x017F;ahe.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Capit.</hi> Wenn &#x017F;ie es fu&#x0364;r dienlich halten wer-<lb/>
den, mein <hi rendition="#fr">junger Herr,</hi> uns die eigentlichen Um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nde wi&#x017F;&#x017F;en zu la&#x017F;&#x017F;en: &#x017F;o wollen wir fu&#x0364;r die&#x017F;es<lb/>
u&#x0364;bereilte Vornehmen von einem &#x017F;o bewunderns-<lb/>
wu&#x0364;rdigen Frauenzimmern einen Namen finden,<lb/>
der ihnen be&#x017F;&#x017F;er an&#x017F;tehen &#x017F;oll. &#x2012; &#x2012; Sie &#x017F;ehen,<lb/>
mein Herr, daß, weil ich die Per&#x017F;on meines wer-<lb/>
then Freundes, Herrn Joh. Harlowe vor&#x017F;telle,<lb/>
ich eben &#x017F;o frey rede, als er meiner Vermuthung<lb/>
nach thun wu&#x0364;rde, wenn er gegenwa&#x0364;rtig wa&#x0364;re.<lb/>
Jedoch &#x017F;ie werden roth, mein Herr &#x2012; &#x2012; Jch bit-<lb/>
te um Verzeihung, Herr Lovelace: es &#x017F;tehet ei-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nem</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[335/0341] ſich in der That vielleicht nicht ſchicken, daß ich ſie erfahre. Aber ich muß doch geſtehen, es uͤber- ſchreitet meinen Verſtand, daß eine Frau etwas, das ihr Mann vornehmen mag, wenn es nur den Frieden nicht bricht, ſo hoch empfinden kann, daß ſie ſich berechtigt haͤlt, von ihm zu laufen. Lovel. Herr Capitain Tomlinſon ‒ ‒ mein Herr ‒ ‒ Jch verſichere ſie, daß ich mich fuͤr be- leidigt halten werde ‒ ‒ ‒ daß es mir aͤußerſt empfindlich ſeyn wird ‒ ‒ wenn ich das Wort noch einmal hoͤre. Capit. Jhre Bedenklichkeit und ihre Liebe, mein Herr, koͤnnen wohl verurſachen, daß ſie ſich fuͤr beleidigt halten ‒ ‒ Allein es iſt meine Art, ein jedes Ding bey ſeinem Namen zu nennen: es mag ſich daruͤber beleidigt finden, wer da will. Du kannſt dir nicht vorſtellen, Belford, wie muthig und wie vornehm der Schalk dabey ausſahe. Capit. Wenn ſie es fuͤr dienlich halten wer- den, mein junger Herr, uns die eigentlichen Um- ſtaͤnde wiſſen zu laſſen: ſo wollen wir fuͤr dieſes uͤbereilte Vornehmen von einem ſo bewunderns- wuͤrdigen Frauenzimmern einen Namen finden, der ihnen beſſer anſtehen ſoll. ‒ ‒ Sie ſehen, mein Herr, daß, weil ich die Perſon meines wer- then Freundes, Herrn Joh. Harlowe vorſtelle, ich eben ſo frey rede, als er meiner Vermuthung nach thun wuͤrde, wenn er gegenwaͤrtig waͤre. Jedoch ſie werden roth, mein Herr ‒ ‒ Jch bit- te um Verzeihung, Herr Lovelace: es ſtehet ei- nem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/341
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/341>, abgerufen am 22.11.2024.