hatte, zu Nutze. Jch beschrieb sie als eine hoch- müthige, rachgierige, listige, kühne und eine solche Person, die, wenn sie ein Mannsbild geworden wäre, würde geschworen und geflucht, Frauen- zimmer genothzüchtiget, und, so viel ich wüßte; ich zweifle gar nicht daran, Bruder! einen Teu- fel abgegeben haben: die aber nichts desto weni- ger durch den Vortheil von einer weiblichen Er- ziehung, von ihrem Ehrgeiz, von ihrem Stolz, wie ich glaubte, persönlich tugendhaft wäre.
Fr. Bevis gab zu, daß Erziehung - und Ehrgeiz selbst sehr viel Theil daran hätten. Jungfer Rawlins aber brach unterdessen mit ge- zwungener Sprödigkeit aus: Behüte Gott, daß Tugend allein von Erziehung herrühren sollte! Dem sey wie ihm wolle: ich bezeugte inzwischen, daß die Fräulein Howe feine Kunstgriffe hätte, Unglück zu stiften. Sie wäre allezeit meine Feindinn gewesen: ihre Bewegungsgründe wüß- te ich nicht; nur wäre mir bekannt, daß ihr der Mann, den ihr ihre Mutter gern geben wollte, ein gewisser Hickmann, gar nicht anstünde. Ob ich nun gleich nicht eigentlich behauptete, daß sie mich lieber gehabt haben würde: so bildeten sich doch die Weibsleute alsobald ein, daß dieß der Grund von ihrem heftigen Unwillen gegen mich, und ihrem Neide gegen meine Geliebte wäre. Es wäre schlecht, sagten sie, daß ein so feines jun- ges Frauenzimmer eine solche verstellte Freundinn nicht durchschauen und erforschen könnte.
Gleich-
hatte, zu Nutze. Jch beſchrieb ſie als eine hoch- muͤthige, rachgierige, liſtige, kuͤhne und eine ſolche Perſon, die, wenn ſie ein Mannsbild geworden waͤre, wuͤrde geſchworen und geflucht, Frauen- zimmer genothzuͤchtiget, und, ſo viel ich wuͤßte; ich zweifle gar nicht daran, Bruder! einen Teu- fel abgegeben haben: die aber nichts deſto weni- ger durch den Vortheil von einer weiblichen Er- ziehung, von ihrem Ehrgeiz, von ihrem Stolz, wie ich glaubte, perſoͤnlich tugendhaft waͤre.
Fr. Bevis gab zu, daß Erziehung ‒ und Ehrgeiz ſelbſt ſehr viel Theil daran haͤtten. Jungfer Rawlins aber brach unterdeſſen mit ge- zwungener Sproͤdigkeit aus: Behuͤte Gott, daß Tugend allein von Erziehung herruͤhren ſollte! Dem ſey wie ihm wolle: ich bezeugte inzwiſchen, daß die Fraͤulein Howe feine Kunſtgriffe haͤtte, Ungluͤck zu ſtiften. Sie waͤre allezeit meine Feindinn geweſen: ihre Bewegungsgruͤnde wuͤß- te ich nicht; nur waͤre mir bekannt, daß ihr der Mann, den ihr ihre Mutter gern geben wollte, ein gewiſſer Hickmann, gar nicht anſtuͤnde. Ob ich nun gleich nicht eigentlich behauptete, daß ſie mich lieber gehabt haben wuͤrde: ſo bildeten ſich doch die Weibsleute alſobald ein, daß dieß der Grund von ihrem heftigen Unwillen gegen mich, und ihrem Neide gegen meine Geliebte waͤre. Es waͤre ſchlecht, ſagten ſie, daß ein ſo feines jun- ges Frauenzimmer eine ſolche verſtellte Freundinn nicht durchſchauen und erforſchen koͤnnte.
Gleich-
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hatte, zu Nutze. Jch beſchrieb ſie als eine hoch-
muͤthige, rachgierige, liſtige, kuͤhne und eine ſolche
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waͤre, wuͤrde geſchworen und geflucht, Frauen-
zimmer genothzuͤchtiget, und, ſo viel ich wuͤßte;
ich zweifle gar nicht daran, Bruder! einen Teu-
fel abgegeben haben: die aber nichts deſto weni-
ger durch den Vortheil von einer weiblichen Er-
ziehung, von ihrem Ehrgeiz, von ihrem Stolz,
wie ich glaubte, perſoͤnlich tugendhaft waͤre.
Fr. Bevis gab zu, daß Erziehung ‒ und
Ehrgeiz ſelbſt ſehr viel Theil daran haͤtten.
Jungfer Rawlins aber brach unterdeſſen mit ge-
zwungener Sproͤdigkeit aus: Behuͤte Gott, daß
Tugend allein von Erziehung herruͤhren ſollte!
Dem ſey wie ihm wolle: ich bezeugte inzwiſchen,
daß die Fraͤulein Howe feine Kunſtgriffe haͤtte,
Ungluͤck zu ſtiften. Sie waͤre allezeit meine
Feindinn geweſen: ihre Bewegungsgruͤnde wuͤß-
te ich nicht; nur waͤre mir bekannt, daß ihr der
Mann, den ihr ihre Mutter gern geben wollte,
ein gewiſſer Hickmann, gar nicht anſtuͤnde. Ob
ich nun gleich nicht eigentlich behauptete, daß ſie
mich lieber gehabt haben wuͤrde: ſo bildeten ſich
doch die Weibsleute alſobald ein, daß dieß der
Grund von ihrem heftigen Unwillen gegen mich,
und ihrem Neide gegen meine Geliebte waͤre.
Es waͤre ſchlecht, ſagten ſie, daß ein ſo feines jun-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/330>, abgerufen am 24.11.2024.
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