Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite


Jch sahe, daß sie eben vorher ein kleines
Päcklein in die Tasche steckte: und folgte ihnen
aus dem Zimmer nach, aus Furcht, sie möchte
mir entwischen. Jch trat an die Treppe, daß sie
nicht bey mir vorbeygehen sollte, und rief
laut, Wilhelm: ob ich gleich wußte, daß et nicht
in der Nähe war - - Ey, mein Kind, sprach
ich zu einem Mädchen, das mir antwortete, rufe
sie einem von meinen Bedienten zu mir.

Alsobald kam meine Geliebte auf mich zu,
mit einem zornigen Gesichte. Rufen sie ihren
Bedienten, mein Herr, mir zu verwehren, daß
ich nicht neben ihnen weggehe, wohin es mir
beliebt?

Legen sie doch nicht alles so übel aus, mein
werthestes Leben, was ich thue. Können sie mich
wohl für so niederträchtig und unedel ansehen,
daß ich einen Bedienten brauchen sollte, sie zu
zwingen? - - Jch rufe ihm nur, um ihn zu den
Wirthshäusern oder Herbergen in dieser Stadt
zu schicken, daß er sich nach dem Capitain Tom-
linson erkundige, der vielleicht bey einem von
diesen Häusern ausgestiegen ist und sich etwa nun
ohne Noth erst anputzet. Jch wollte, daß er
nur hierher käme: wenn er auch ohne Kleider
wäre; Gott vergebe es mir! Denn ihre Grau-
samkeit ist mir, als ein Schwerdt, durchs Herze
gegangen.

Es ward mir Antwort gebracht, daß keiner
von meinen Bedienten zu finden wäre.

Nicht
Fünfter Theil. U


Jch ſahe, daß ſie eben vorher ein kleines
Paͤcklein in die Taſche ſteckte: und folgte ihnen
aus dem Zimmer nach, aus Furcht, ſie moͤchte
mir entwiſchen. Jch trat an die Treppe, daß ſie
nicht bey mir vorbeygehen ſollte, und rief
laut, Wilhelm: ob ich gleich wußte, daß et nicht
in der Naͤhe war ‒ ‒ Ey, mein Kind, ſprach
ich zu einem Maͤdchen, das mir antwortete, rufe
ſie einem von meinen Bedienten zu mir.

Alſobald kam meine Geliebte auf mich zu,
mit einem zornigen Geſichte. Rufen ſie ihren
Bedienten, mein Herr, mir zu verwehren, daß
ich nicht neben ihnen weggehe, wohin es mir
beliebt?

Legen ſie doch nicht alles ſo uͤbel aus, mein
wertheſtes Leben, was ich thue. Koͤnnen ſie mich
wohl fuͤr ſo niedertraͤchtig und unedel anſehen,
daß ich einen Bedienten brauchen ſollte, ſie zu
zwingen? ‒ ‒ Jch rufe ihm nur, um ihn zu den
Wirthshaͤuſern oder Herbergen in dieſer Stadt
zu ſchicken, daß er ſich nach dem Capitain Tom-
linſon erkundige, der vielleicht bey einem von
dieſen Haͤuſern ausgeſtiegen iſt und ſich etwa nun
ohne Noth erſt anputzet. Jch wollte, daß er
nur hierher kaͤme: wenn er auch ohne Kleider
waͤre; Gott vergebe es mir! Denn ihre Grau-
ſamkeit iſt mir, als ein Schwerdt, durchs Herze
gegangen.

Es ward mir Antwort gebracht, daß keiner
von meinen Bedienten zu finden waͤre.

Nicht
Fuͤnfter Theil. U
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0311" n="305"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Jch &#x017F;ahe, daß &#x017F;ie eben vorher ein kleines<lb/>
Pa&#x0364;cklein in die Ta&#x017F;che &#x017F;teckte: und folgte ihnen<lb/>
aus dem Zimmer nach, aus Furcht, &#x017F;ie mo&#x0364;chte<lb/>
mir entwi&#x017F;chen. Jch trat an die Treppe, daß &#x017F;ie<lb/><hi rendition="#fr">nicht bey mir vorbeygehen &#x017F;ollte,</hi> und rief<lb/>
laut, Wilhelm: ob ich gleich wußte, daß et nicht<lb/>
in der Na&#x0364;he war &#x2012; &#x2012; Ey, mein Kind, &#x017F;prach<lb/>
ich zu einem Ma&#x0364;dchen, das mir antwortete, rufe<lb/>
&#x017F;ie einem von meinen Bedienten zu mir.</p><lb/>
          <p>Al&#x017F;obald kam meine Geliebte auf mich zu,<lb/>
mit einem zornigen Ge&#x017F;ichte. Rufen &#x017F;ie ihren<lb/>
Bedienten, mein Herr, mir zu verwehren, daß<lb/>
ich nicht neben ihnen weggehe, wohin es mir<lb/>
beliebt?</p><lb/>
          <p>Legen &#x017F;ie doch nicht alles &#x017F;o u&#x0364;bel aus, mein<lb/>
werthe&#x017F;tes Leben, was ich thue. Ko&#x0364;nnen &#x017F;ie mich<lb/>
wohl fu&#x0364;r &#x017F;o niedertra&#x0364;chtig und unedel an&#x017F;ehen,<lb/>
daß ich einen Bedienten brauchen &#x017F;ollte, &#x017F;ie zu<lb/>
zwingen? &#x2012; &#x2012; Jch rufe ihm nur, um ihn zu den<lb/>
Wirthsha&#x0364;u&#x017F;ern oder Herbergen in die&#x017F;er Stadt<lb/>
zu &#x017F;chicken, daß er &#x017F;ich nach dem Capitain Tom-<lb/>
lin&#x017F;on erkundige, der vielleicht bey einem von<lb/>
die&#x017F;en Ha&#x0364;u&#x017F;ern ausge&#x017F;tiegen i&#x017F;t und &#x017F;ich etwa nun<lb/>
ohne Noth er&#x017F;t anputzet. Jch wollte, daß er<lb/>
nur hierher ka&#x0364;me: wenn er auch ohne Kleider<lb/>
wa&#x0364;re; Gott vergebe es mir! Denn ihre Grau-<lb/>
&#x017F;amkeit i&#x017F;t mir, als ein Schwerdt, durchs Herze<lb/>
gegangen.</p><lb/>
          <p>Es ward mir Antwort gebracht, daß keiner<lb/>
von meinen Bedienten zu finden wa&#x0364;re.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Fu&#x0364;nfter Theil.</hi> U</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Nicht</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[305/0311] Jch ſahe, daß ſie eben vorher ein kleines Paͤcklein in die Taſche ſteckte: und folgte ihnen aus dem Zimmer nach, aus Furcht, ſie moͤchte mir entwiſchen. Jch trat an die Treppe, daß ſie nicht bey mir vorbeygehen ſollte, und rief laut, Wilhelm: ob ich gleich wußte, daß et nicht in der Naͤhe war ‒ ‒ Ey, mein Kind, ſprach ich zu einem Maͤdchen, das mir antwortete, rufe ſie einem von meinen Bedienten zu mir. Alſobald kam meine Geliebte auf mich zu, mit einem zornigen Geſichte. Rufen ſie ihren Bedienten, mein Herr, mir zu verwehren, daß ich nicht neben ihnen weggehe, wohin es mir beliebt? Legen ſie doch nicht alles ſo uͤbel aus, mein wertheſtes Leben, was ich thue. Koͤnnen ſie mich wohl fuͤr ſo niedertraͤchtig und unedel anſehen, daß ich einen Bedienten brauchen ſollte, ſie zu zwingen? ‒ ‒ Jch rufe ihm nur, um ihn zu den Wirthshaͤuſern oder Herbergen in dieſer Stadt zu ſchicken, daß er ſich nach dem Capitain Tom- linſon erkundige, der vielleicht bey einem von dieſen Haͤuſern ausgeſtiegen iſt und ſich etwa nun ohne Noth erſt anputzet. Jch wollte, daß er nur hierher kaͤme: wenn er auch ohne Kleider waͤre; Gott vergebe es mir! Denn ihre Grau- ſamkeit iſt mir, als ein Schwerdt, durchs Herze gegangen. Es ward mir Antwort gebracht, daß keiner von meinen Bedienten zu finden waͤre. Nicht Fuͤnfter Theil. U

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/311
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/311>, abgerufen am 22.11.2024.