Bey meiner Seele, Belford, die kleine Zau- berinn rührte mich durch ihre Worte, jedoch noch mehr durch ihr Bezeigen und Wesen! Wundre dich also nicht, daß ihr Thun, ihre Be- trübniß, ihre Thränen die Weibsleute zu ähnli- chen und mitleidensvollen Bezeigungen brachten.
Hatte ich dabey nicht eine verfluchte Arbeit?
Die beyden Frauenspersonen gingen an die andre Ecke von dem Zimmer und flisperten ein- ander ins Ohr: Ein wunderlicher Fall! Es ist keine Verrückung dabey - - Das hörte ich eben von ihnen.
Meine reizende Schöne warf ihr Schnupf- tuch über ihren Kopf und Hals, und blieb auf den Knien liegen, mit dem Rücken zu mir ge- kehrt, und mit dem Gesichte auf einen Stuhl ge- lehnet, daß es auch nicht zu sehen wäre. Sie seufzete und gluchsete einmal über das andre vor Traurigkeit und Kummer.
Jch ergriff diese Gelegenheit, zu den beyden Weibsleuten zu treten, damit ich sie standhast er- hielte.
Sie sehen, meine lieben Frauenzimmer, sag- te ich ihnen ins Ohr, was für ein unglücklicher Maun ich bin! Sie sehen, was für einen Sinn diese mir so theure Schöne hat! - - - - Alles, alles rühret von ihren unversöhnlichen Verwand- ten und von dem Fluche ihres Vaters her - - Verflucht mögen sie alle seyn: sie haben die schön- ste Weibsperson in der Welt verrückt gemacht.
Ey,
Bey meiner Seele, Belford, die kleine Zau- berinn ruͤhrte mich durch ihre Worte, jedoch noch mehr durch ihr Bezeigen und Weſen! Wundre dich alſo nicht, daß ihr Thun, ihre Be- truͤbniß, ihre Thraͤnen die Weibsleute zu aͤhnli- chen und mitleidensvollen Bezeigungen brachten.
Hatte ich dabey nicht eine verfluchte Arbeit?
Die beyden Frauensperſonen gingen an die andre Ecke von dem Zimmer und fliſperten ein- ander ins Ohr: Ein wunderlicher Fall! Es iſt keine Verruͤckung dabey ‒ ‒ Das hoͤrte ich eben von ihnen.
Meine reizende Schoͤne warf ihr Schnupf- tuch uͤber ihren Kopf und Hals, und blieb auf den Knien liegen, mit dem Ruͤcken zu mir ge- kehrt, und mit dem Geſichte auf einen Stuhl ge- lehnet, daß es auch nicht zu ſehen waͤre. Sie ſeufzete und gluchſete einmal uͤber das andre vor Traurigkeit und Kummer.
Jch ergriff dieſe Gelegenheit, zu den beyden Weibsleuten zu treten, damit ich ſie ſtandhaſt er- hielte.
Sie ſehen, meine lieben Frauenzimmer, ſag- te ich ihnen ins Ohr, was fuͤr ein ungluͤcklicher Maun ich bin! Sie ſehen, was fuͤr einen Sinn dieſe mir ſo theure Schoͤne hat! ‒ ‒ ‒ ‒ Alles, alles ruͤhret von ihren unverſoͤhnlichen Verwand- ten und von dem Fluche ihres Vaters her ‒ ‒ Verflucht moͤgen ſie alle ſeyn: ſie haben die ſchoͤn- ſte Weibsperſon in der Welt verruͤckt gemacht.
Ey,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0309"n="303"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Bey meiner Seele, Belford, die kleine Zau-<lb/>
berinn ruͤhrte <hirendition="#fr">mich</hi> durch ihre Worte, jedoch<lb/>
noch mehr durch <hirendition="#fr">ihr</hi> Bezeigen und Weſen!<lb/>
Wundre dich alſo nicht, daß ihr Thun, ihre Be-<lb/>
truͤbniß, ihre Thraͤnen die Weibsleute zu aͤhnli-<lb/>
chen und mitleidensvollen Bezeigungen brachten.</p><lb/><p>Hatte ich dabey nicht eine verfluchte Arbeit?</p><lb/><p>Die beyden Frauensperſonen gingen an die<lb/>
andre Ecke von dem Zimmer und fliſperten ein-<lb/>
ander ins Ohr: Ein wunderlicher Fall! Es iſt<lb/>
keine Verruͤckung dabey ‒‒ Das hoͤrte ich eben<lb/>
von ihnen.</p><lb/><p>Meine reizende Schoͤne warf ihr Schnupf-<lb/>
tuch uͤber ihren Kopf und Hals, und blieb auf<lb/>
den Knien liegen, mit dem Ruͤcken zu mir ge-<lb/>
kehrt, und mit dem Geſichte auf einen Stuhl ge-<lb/>
lehnet, daß es auch nicht zu ſehen waͤre. Sie<lb/>ſeufzete und gluchſete einmal uͤber das andre vor<lb/>
Traurigkeit und Kummer.</p><lb/><p>Jch ergriff dieſe Gelegenheit, zu den beyden<lb/>
Weibsleuten zu treten, damit ich ſie ſtandhaſt er-<lb/>
hielte.</p><lb/><p>Sie ſehen, meine lieben Frauenzimmer, ſag-<lb/>
te ich ihnen ins Ohr, was fuͤr ein ungluͤcklicher<lb/>
Maun ich bin! Sie ſehen, was fuͤr einen Sinn<lb/>
dieſe mir ſo theure Schoͤne hat! ‒‒‒‒ Alles,<lb/>
alles ruͤhret von ihren unverſoͤhnlichen Verwand-<lb/>
ten und von dem Fluche ihres Vaters her ‒‒<lb/>
Verflucht moͤgen ſie alle ſeyn: ſie haben die ſchoͤn-<lb/>ſte Weibsperſon in der Welt verruͤckt gemacht.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Ey,</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[303/0309]
Bey meiner Seele, Belford, die kleine Zau-
berinn ruͤhrte mich durch ihre Worte, jedoch
noch mehr durch ihr Bezeigen und Weſen!
Wundre dich alſo nicht, daß ihr Thun, ihre Be-
truͤbniß, ihre Thraͤnen die Weibsleute zu aͤhnli-
chen und mitleidensvollen Bezeigungen brachten.
Hatte ich dabey nicht eine verfluchte Arbeit?
Die beyden Frauensperſonen gingen an die
andre Ecke von dem Zimmer und fliſperten ein-
ander ins Ohr: Ein wunderlicher Fall! Es iſt
keine Verruͤckung dabey ‒ ‒ Das hoͤrte ich eben
von ihnen.
Meine reizende Schoͤne warf ihr Schnupf-
tuch uͤber ihren Kopf und Hals, und blieb auf
den Knien liegen, mit dem Ruͤcken zu mir ge-
kehrt, und mit dem Geſichte auf einen Stuhl ge-
lehnet, daß es auch nicht zu ſehen waͤre. Sie
ſeufzete und gluchſete einmal uͤber das andre vor
Traurigkeit und Kummer.
Jch ergriff dieſe Gelegenheit, zu den beyden
Weibsleuten zu treten, damit ich ſie ſtandhaſt er-
hielte.
Sie ſehen, meine lieben Frauenzimmer, ſag-
te ich ihnen ins Ohr, was fuͤr ein ungluͤcklicher
Maun ich bin! Sie ſehen, was fuͤr einen Sinn
dieſe mir ſo theure Schoͤne hat! ‒ ‒ ‒ ‒ Alles,
alles ruͤhret von ihren unverſoͤhnlichen Verwand-
ten und von dem Fluche ihres Vaters her ‒ ‒
Verflucht moͤgen ſie alle ſeyn: ſie haben die ſchoͤn-
ſte Weibsperſon in der Welt verruͤckt gemacht.
Ey,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/309>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.