Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



durch ihre Fragen keinen Zweifel über eine Sa-
che, die sie selbst vor denen, welche uns besser ken-
nen, gestanden haben.

Jch würde ihr etwas von der Unterhandlung
mit ihrem Onkel und von dem Jnhalt des Brie-
fes von dem Capitain zu verstehn gegeben haben.
Allein die stolze Schöne ging zurück, stieß mit
der Hand von sich und schrie: Bleibe ferne von
mir, Kerl! - - Jch berufe mich auf dein eignes
Herz; das wird es dir wohl zusagen: weil du
mir auf eine so elende Art entwischest. Jch bin
keine Heyrath mit dir geftändig! Sie sollen mei-
ne Zeugen seyn, Frauenzimmer, daß ich es nicht
bin. Und du, höre auf mich zu quälen, höre
auf mir zu folgen. Gewiß, gewiß, so viel
ich auch versehen haben mag: so habe ich doch
nicht verdient, so verfolgt zu werden! Jch
wiederhole also meine vorige Rede: Jhr
habt kein Recht mich zu verfolgen. Jhr
wißt, daß ihr es nicht habt. So packt euch denn
fort, und laßt mich, daß ich mir mein hartes
Schicksal so erträglich mache, als möglich ist.
O mein herzlieber, doch grausamer, Vater! sprach
sie in einem gewaltigen Anfalle von Traurigkeit;
indem sie auf die Knie fiel und ihre aufgehobne
Hände zusammenschlug; dein schwerer Fluch ist
an deiner verbannten Tochter erfüllet. Jch bin
gestrafet, erschrecklich gestrafet, durch eben
den Bösewicht, auf welchen ich mein
sündliches Vertrauen gesetzet hatte!

Bey



durch ihre Fragen keinen Zweifel uͤber eine Sa-
che, die ſie ſelbſt vor denen, welche uns beſſer ken-
nen, geſtanden haben.

Jch wuͤrde ihr etwas von der Unterhandlung
mit ihrem Onkel und von dem Jnhalt des Brie-
fes von dem Capitain zu verſtehn gegeben haben.
Allein die ſtolze Schoͤne ging zuruͤck, ſtieß mit
der Hand von ſich und ſchrie: Bleibe ferne von
mir, Kerl! ‒ ‒ Jch berufe mich auf dein eignes
Herz; das wird es dir wohl zuſagen: weil du
mir auf eine ſo elende Art entwiſcheſt. Jch bin
keine Heyrath mit dir geftaͤndig! Sie ſollen mei-
ne Zeugen ſeyn, Frauenzimmer, daß ich es nicht
bin. Und du, hoͤre auf mich zu quaͤlen, hoͤre
auf mir zu folgen. Gewiß, gewiß, ſo viel
ich auch verſehen haben mag: ſo habe ich doch
nicht verdient, ſo verfolgt zu werden! Jch
wiederhole alſo meine vorige Rede: Jhr
habt kein Recht mich zu verfolgen. Jhr
wißt, daß ihr es nicht habt. So packt euch denn
fort, und laßt mich, daß ich mir mein hartes
Schickſal ſo ertraͤglich mache, als moͤglich iſt.
O mein herzlieber, doch grauſamer, Vater! ſprach
ſie in einem gewaltigen Anfalle von Traurigkeit;
indem ſie auf die Knie fiel und ihre aufgehobne
Haͤnde zuſammenſchlug; dein ſchwerer Fluch iſt
an deiner verbannten Tochter erfuͤllet. Jch bin
geſtrafet, erſchrecklich geſtrafet, durch eben
den Boͤſewicht, auf welchen ich mein
ſuͤndliches Vertrauen geſetzet hatte!

Bey
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0308" n="302"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
durch ihre Fragen keinen Zweifel u&#x0364;ber eine Sa-<lb/>
che, die &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t vor denen, welche uns be&#x017F;&#x017F;er ken-<lb/>
nen, ge&#x017F;tanden haben.</p><lb/>
          <p>Jch wu&#x0364;rde ihr etwas von der Unterhandlung<lb/>
mit ihrem Onkel und von dem Jnhalt des Brie-<lb/>
fes von dem Capitain zu ver&#x017F;tehn gegeben haben.<lb/>
Allein die &#x017F;tolze Scho&#x0364;ne ging zuru&#x0364;ck, &#x017F;tieß mit<lb/>
der Hand von &#x017F;ich und &#x017F;chrie: Bleibe ferne von<lb/>
mir, Kerl! &#x2012; &#x2012; Jch berufe mich auf dein eignes<lb/>
Herz; das wird es dir wohl zu&#x017F;agen: weil du<lb/>
mir auf eine &#x017F;o elende Art entwi&#x017F;che&#x017F;t. Jch bin<lb/>
keine Heyrath mit dir gefta&#x0364;ndig! Sie &#x017F;ollen mei-<lb/>
ne Zeugen &#x017F;eyn, Frauenzimmer, daß ich es nicht<lb/>
bin. Und du, ho&#x0364;re auf mich zu qua&#x0364;len, ho&#x0364;re<lb/>
auf mir zu folgen. Gewiß, gewiß, &#x017F;o viel<lb/>
ich auch ver&#x017F;ehen haben mag: &#x017F;o habe ich doch<lb/>
nicht verdient, <hi rendition="#fr">&#x017F;o</hi> verfolgt zu werden! Jch<lb/>
wiederhole al&#x017F;o meine vorige Rede: Jhr<lb/>
habt kein Recht mich zu verfolgen. Jhr<lb/>
wißt, daß ihr es nicht habt. So packt euch denn<lb/>
fort, und laßt mich, daß ich mir mein hartes<lb/>
Schick&#x017F;al &#x017F;o ertra&#x0364;glich mache, als mo&#x0364;glich i&#x017F;t.<lb/>
O mein herzlieber, doch grau&#x017F;amer, Vater! &#x017F;prach<lb/>
&#x017F;ie in einem gewaltigen Anfalle von Traurigkeit;<lb/>
indem &#x017F;ie auf die Knie fiel und ihre aufgehobne<lb/>
Ha&#x0364;nde zu&#x017F;ammen&#x017F;chlug; dein &#x017F;chwerer Fluch i&#x017F;t<lb/>
an deiner verbannten Tochter erfu&#x0364;llet. Jch bin<lb/><hi rendition="#fr">ge&#x017F;trafet,</hi> er&#x017F;chrecklich <hi rendition="#fr">ge&#x017F;trafet, durch eben<lb/>
den Bo&#x0364;&#x017F;ewicht, auf welchen ich mein<lb/>
&#x017F;u&#x0364;ndliches Vertrauen ge&#x017F;etzet hatte!</hi></p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Bey</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[302/0308] durch ihre Fragen keinen Zweifel uͤber eine Sa- che, die ſie ſelbſt vor denen, welche uns beſſer ken- nen, geſtanden haben. Jch wuͤrde ihr etwas von der Unterhandlung mit ihrem Onkel und von dem Jnhalt des Brie- fes von dem Capitain zu verſtehn gegeben haben. Allein die ſtolze Schoͤne ging zuruͤck, ſtieß mit der Hand von ſich und ſchrie: Bleibe ferne von mir, Kerl! ‒ ‒ Jch berufe mich auf dein eignes Herz; das wird es dir wohl zuſagen: weil du mir auf eine ſo elende Art entwiſcheſt. Jch bin keine Heyrath mit dir geftaͤndig! Sie ſollen mei- ne Zeugen ſeyn, Frauenzimmer, daß ich es nicht bin. Und du, hoͤre auf mich zu quaͤlen, hoͤre auf mir zu folgen. Gewiß, gewiß, ſo viel ich auch verſehen haben mag: ſo habe ich doch nicht verdient, ſo verfolgt zu werden! Jch wiederhole alſo meine vorige Rede: Jhr habt kein Recht mich zu verfolgen. Jhr wißt, daß ihr es nicht habt. So packt euch denn fort, und laßt mich, daß ich mir mein hartes Schickſal ſo ertraͤglich mache, als moͤglich iſt. O mein herzlieber, doch grauſamer, Vater! ſprach ſie in einem gewaltigen Anfalle von Traurigkeit; indem ſie auf die Knie fiel und ihre aufgehobne Haͤnde zuſammenſchlug; dein ſchwerer Fluch iſt an deiner verbannten Tochter erfuͤllet. Jch bin geſtrafet, erſchrecklich geſtrafet, durch eben den Boͤſewicht, auf welchen ich mein ſuͤndliches Vertrauen geſetzet hatte! Bey

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/308
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/308>, abgerufen am 22.11.2024.