ben würden: wenn sie nicht mit andern unter- mischt an uns kämen. Jch will noch nachdrück- licher reden. Jch habe Eltern gesehen; vielleicht ist meinen eignen eben das begegnet; welche sich gerade an denen Eigenschaften ihrer Kinder, so lange sie jung waren, ergetzten, deren natürliche Folgen, weil man denselben zu viel nachgesehen und sie selbst befördert hatte, bey zunehmenden Jahren die Kinder zu einer herznagenden Quaal der Eltern machten. Wenn ich dieß zu meinem gegenwärtigen Zwecke anwenden will: so muß ich dir sagen, daß ich dieß reizende Kind zwar ihrer wachsamen Klugheit wegen liebe; aber doch, wie mich deucht, nicht gern wünschen wollte, daß sie vermöge dieser Klugheit, welche gleichwohl nö- thig ist, sie über die Anschläge aller Uebrigen in der Welt hinauszusetzen, auch für meine An- schläge zu weise seyn möchte.
Meine Rache, meine geschworne Rache, behält nichts desto weniger, ich mag sie anbeten, so sehr ich will, die Oberhand in meinem Herzen. - - Die Fräulein Howe schreibt, meine Liebe sey eine Herodesmäßige Liebe. (*) Bey meiner Seele, das Mägdchen ist eine Wahrsagerinn! - - Es geht mir fast nahe zu sagen, daß ich an der Tyranney über das, was ich liebe, ein Ver- gnügen finde. Du magst es ein unedles Ver- gnügen nennen; wenn du willst: gleichwohl füh- len es auch sanftmüthigere Herzen, als meines ist. Die Frauenzimmer fühlen es gegen ein
Frauen-
(*) Siehe den XI. Brief dieses Theils.
ben wuͤrden: wenn ſie nicht mit andern unter- miſcht an uns kaͤmen. Jch will noch nachdruͤck- licher reden. Jch habe Eltern geſehen; vielleicht iſt meinen eignen eben das begegnet; welche ſich gerade an denen Eigenſchaften ihrer Kinder, ſo lange ſie jung waren, ergetzten, deren natuͤrliche Folgen, weil man denſelben zu viel nachgeſehen und ſie ſelbſt befoͤrdert hatte, bey zunehmenden Jahren die Kinder zu einer herznagenden Quaal der Eltern machten. Wenn ich dieß zu meinem gegenwaͤrtigen Zwecke anwenden will: ſo muß ich dir ſagen, daß ich dieß reizende Kind zwar ihrer wachſamen Klugheit wegen liebe; aber doch, wie mich deucht, nicht gern wuͤnſchen wollte, daß ſie vermoͤge dieſer Klugheit, welche gleichwohl noͤ- thig iſt, ſie uͤber die Anſchlaͤge aller Uebrigen in der Welt hinauszuſetzen, auch fuͤr meine An- ſchlaͤge zu weiſe ſeyn moͤchte.
Meine Rache, meine geſchworne Rache, behaͤlt nichts deſto weniger, ich mag ſie anbeten, ſo ſehr ich will, die Oberhand in meinem Herzen. ‒ ‒ Die Fraͤulein Howe ſchreibt, meine Liebe ſey eine Herodesmaͤßige Liebe. (*) Bey meiner Seele, das Maͤgdchen iſt eine Wahrſagerinn! ‒ ‒ Es geht mir faſt nahe zu ſagen, daß ich an der Tyranney uͤber das, was ich liebe, ein Ver- gnuͤgen finde. Du magſt es ein unedles Ver- gnuͤgen nennen; wenn du willſt: gleichwohl fuͤh- len es auch ſanftmuͤthigere Herzen, als meines iſt. Die Frauenzimmer fuͤhlen es gegen ein
Frauen-
(*) Siehe den XI. Brief dieſes Theils.
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ben wuͤrden: wenn ſie nicht mit andern unter-
miſcht an uns kaͤmen. Jch will noch nachdruͤck-
licher reden. Jch habe Eltern geſehen; vielleicht
iſt meinen eignen eben das begegnet; welche ſich
gerade an denen Eigenſchaften ihrer Kinder, ſo
lange ſie jung waren, ergetzten, deren natuͤrliche
Folgen, weil man denſelben zu viel nachgeſehen
und ſie ſelbſt befoͤrdert hatte, bey zunehmenden
Jahren die Kinder zu einer herznagenden Quaal
der Eltern machten. Wenn ich dieß zu meinem
gegenwaͤrtigen Zwecke anwenden will: ſo muß ich
dir ſagen, daß ich dieß reizende Kind zwar ihrer
wachſamen Klugheit wegen liebe; aber doch, wie
mich deucht, nicht gern wuͤnſchen wollte, daß ſie
vermoͤge dieſer Klugheit, welche gleichwohl noͤ-
thig iſt, ſie uͤber die Anſchlaͤge aller Uebrigen in
der Welt hinauszuſetzen, auch fuͤr meine An-
ſchlaͤge zu weiſe ſeyn moͤchte.
Meine Rache, meine geſchworne Rache,
behaͤlt nichts deſto weniger, ich mag ſie anbeten,
ſo ſehr ich will, die Oberhand in meinem Herzen.
‒ ‒ Die Fraͤulein Howe ſchreibt, meine Liebe ſey
eine Herodesmaͤßige Liebe. (*) Bey meiner
Seele, das Maͤgdchen iſt eine Wahrſagerinn!
‒ ‒ Es geht mir faſt nahe zu ſagen, daß ich an
der Tyranney uͤber das, was ich liebe, ein Ver-
gnuͤgen finde. Du magſt es ein unedles Ver-
gnuͤgen nennen; wenn du willſt: gleichwohl fuͤh-
len es auch ſanftmuͤthigere Herzen, als meines
iſt. Die Frauenzimmer fuͤhlen es gegen ein
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(*) Siehe den XI. Brief dieſes Theils.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/293>, abgerufen am 24.11.2024.
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