Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



nige Hoffnung haben: wenn meine unglücklich
zärtliche Gemahlinn so weit gebracht werden könn-
te, daß sie mir den unnatürlichen Eid, wodurch
sie mich gebunden hat, erließe. Sie sehen, unter
was für Umständen ich bin. Glauben sie, daß
ich nicht darauf dringen möge, von diesem ab-
scheulichen Eide durch sie selbst losgesprochen zu
werden? Wollen sie so gütig seyn, die Anstalten
machen zu lassen, daß um Schlafenszeit nur ein
Zimmer für einen Mann und seine Frau bereit
sey? - - Das war bescheiden gegeben, Belford!
- - Erlaube mir hier zu bemerken, daß außer
mir wenige freye Liebhaber eine so anständige
Sprache finden würden, wodurch sie schamhafti-
ge Weibspersonen bereden könnten, sich mit ihnen
in solchen Fällen einzulassen.

Sie lächelten beyde und sahen einander an.

Die Dinge, wovon die Rede war, machen al-
lezeit, daß Weibsleute wenigstens ins Lächeln ge-
rathen. Man darf ihnen nur die verstecktesten
Winke davon geben. Eine Mannsperson, die
in Frauenzimmer-Gesellschaft ungeschliffen ist,
verdient mit einer Keule zu Boden geschlagen zu
werden. Denn es ist mit ihnen nicht anders,
als wenn so viele musikalische Jnstrumente da
wären. Man darf nur eine Saite rühren: so
sind die lieben Seelen alle über und über em-
pfindlich.

Gewiß, sagte Jungfer Rawlins auf gelehrte
Art bey ihrem Fecherspiel, ein Rechtserfahrner
würde die Entscheidung geben, daß das eheliche

Ge-



nige Hoffnung haben: wenn meine ungluͤcklich
zaͤrtliche Gemahlinn ſo weit gebracht werden koͤnn-
te, daß ſie mir den unnatuͤrlichen Eid, wodurch
ſie mich gebunden hat, erließe. Sie ſehen, unter
was fuͤr Umſtaͤnden ich bin. Glauben ſie, daß
ich nicht darauf dringen moͤge, von dieſem ab-
ſcheulichen Eide durch ſie ſelbſt losgeſprochen zu
werden? Wollen ſie ſo guͤtig ſeyn, die Anſtalten
machen zu laſſen, daß um Schlafenszeit nur ein
Zimmer fuͤr einen Mann und ſeine Frau bereit
ſey? ‒ ‒ Das war beſcheiden gegeben, Belford!
‒ ‒ Erlaube mir hier zu bemerken, daß außer
mir wenige freye Liebhaber eine ſo anſtaͤndige
Sprache finden wuͤrden, wodurch ſie ſchamhafti-
ge Weibsperſonen bereden koͤnnten, ſich mit ihnen
in ſolchen Faͤllen einzulaſſen.

Sie laͤchelten beyde und ſahen einander an.

Die Dinge, wovon die Rede war, machen al-
lezeit, daß Weibsleute wenigſtens ins Laͤcheln ge-
rathen. Man darf ihnen nur die verſteckteſten
Winke davon geben. Eine Mannsperſon, die
in Frauenzimmer-Geſellſchaft ungeſchliffen iſt,
verdient mit einer Keule zu Boden geſchlagen zu
werden. Denn es iſt mit ihnen nicht anders,
als wenn ſo viele muſikaliſche Jnſtrumente da
waͤren. Man darf nur eine Saite ruͤhren: ſo
ſind die lieben Seelen alle uͤber und uͤber em-
pfindlich.

Gewiß, ſagte Jungfer Rawlins auf gelehrte
Art bey ihrem Fecherſpiel, ein Rechtserfahrner
wuͤrde die Entſcheidung geben, daß das eheliche

Ge-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0288" n="282"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
nige Hoffnung haben: wenn meine unglu&#x0364;cklich<lb/>
za&#x0364;rtliche Gemahlinn &#x017F;o weit gebracht werden ko&#x0364;nn-<lb/>
te, daß &#x017F;ie mir den unnatu&#x0364;rlichen Eid, wodurch<lb/>
&#x017F;ie mich gebunden hat, erließe. Sie &#x017F;ehen, unter<lb/>
was fu&#x0364;r Um&#x017F;ta&#x0364;nden ich bin. Glauben &#x017F;ie, daß<lb/>
ich nicht darauf dringen mo&#x0364;ge, von die&#x017F;em ab-<lb/>
&#x017F;cheulichen Eide durch &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t losge&#x017F;prochen zu<lb/>
werden? Wollen &#x017F;ie &#x017F;o gu&#x0364;tig &#x017F;eyn, die An&#x017F;talten<lb/>
machen zu la&#x017F;&#x017F;en, daß um Schlafenszeit nur ein<lb/>
Zimmer fu&#x0364;r einen Mann und &#x017F;eine Frau bereit<lb/>
&#x017F;ey? &#x2012; &#x2012; Das war be&#x017F;cheiden gegeben, Belford!<lb/>
&#x2012; &#x2012; Erlaube mir hier zu bemerken, daß außer<lb/>
mir wenige freye Liebhaber eine &#x017F;o an&#x017F;ta&#x0364;ndige<lb/>
Sprache finden wu&#x0364;rden, wodurch &#x017F;ie &#x017F;chamhafti-<lb/>
ge Weibsper&#x017F;onen bereden ko&#x0364;nnten, &#x017F;ich mit ihnen<lb/>
in &#x017F;olchen Fa&#x0364;llen einzula&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Sie la&#x0364;chelten beyde und &#x017F;ahen einander an.</p><lb/>
          <p>Die Dinge, wovon die Rede war, machen al-<lb/>
lezeit, daß Weibsleute wenig&#x017F;tens ins La&#x0364;cheln ge-<lb/>
rathen. Man <hi rendition="#fr">darf ihnen</hi> nur die ver&#x017F;teckte&#x017F;ten<lb/>
Winke davon geben. Eine Mannsper&#x017F;on, die<lb/>
in Frauenzimmer-Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft unge&#x017F;chliffen i&#x017F;t,<lb/>
verdient mit einer Keule zu Boden ge&#x017F;chlagen zu<lb/>
werden. Denn es i&#x017F;t mit ihnen nicht anders,<lb/>
als wenn &#x017F;o viele mu&#x017F;ikali&#x017F;che Jn&#x017F;trumente da<lb/>
wa&#x0364;ren. Man darf nur eine Saite ru&#x0364;hren: &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ind die lieben Seelen alle u&#x0364;ber und u&#x0364;ber em-<lb/>
pfindlich.</p><lb/>
          <p>Gewiß, &#x017F;agte Jungfer Rawlins auf gelehrte<lb/>
Art bey ihrem Fecher&#x017F;piel, ein Rechtserfahrner<lb/>
wu&#x0364;rde die Ent&#x017F;cheidung geben, daß das eheliche<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ge-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[282/0288] nige Hoffnung haben: wenn meine ungluͤcklich zaͤrtliche Gemahlinn ſo weit gebracht werden koͤnn- te, daß ſie mir den unnatuͤrlichen Eid, wodurch ſie mich gebunden hat, erließe. Sie ſehen, unter was fuͤr Umſtaͤnden ich bin. Glauben ſie, daß ich nicht darauf dringen moͤge, von dieſem ab- ſcheulichen Eide durch ſie ſelbſt losgeſprochen zu werden? Wollen ſie ſo guͤtig ſeyn, die Anſtalten machen zu laſſen, daß um Schlafenszeit nur ein Zimmer fuͤr einen Mann und ſeine Frau bereit ſey? ‒ ‒ Das war beſcheiden gegeben, Belford! ‒ ‒ Erlaube mir hier zu bemerken, daß außer mir wenige freye Liebhaber eine ſo anſtaͤndige Sprache finden wuͤrden, wodurch ſie ſchamhafti- ge Weibsperſonen bereden koͤnnten, ſich mit ihnen in ſolchen Faͤllen einzulaſſen. Sie laͤchelten beyde und ſahen einander an. Die Dinge, wovon die Rede war, machen al- lezeit, daß Weibsleute wenigſtens ins Laͤcheln ge- rathen. Man darf ihnen nur die verſteckteſten Winke davon geben. Eine Mannsperſon, die in Frauenzimmer-Geſellſchaft ungeſchliffen iſt, verdient mit einer Keule zu Boden geſchlagen zu werden. Denn es iſt mit ihnen nicht anders, als wenn ſo viele muſikaliſche Jnſtrumente da waͤren. Man darf nur eine Saite ruͤhren: ſo ſind die lieben Seelen alle uͤber und uͤber em- pfindlich. Gewiß, ſagte Jungfer Rawlins auf gelehrte Art bey ihrem Fecherſpiel, ein Rechtserfahrner wuͤrde die Entſcheidung geben, daß das eheliche Ge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/288
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/288>, abgerufen am 22.11.2024.