Allein dieß ist eine Heftigkeit, die ich ihnen nim- mermehr zugetrauet hätte.
Jch wollte eben meine Lippen an ihre Hand drücken, wie ich sie hielte: aber sie zog dieselbe mit Unwillen von mir weg.
Lassen sie mich los, Herr, sagte sie. Jch will von ihnen nicht angerühret seyn. Ueberlassen sie mich meinem Schicksal. Was für Recht, was für Anspruch haben sie, daß sie mich so verfolgen?
Was für Recht, was für Anspruch, meine Geliebte! Jedoch dieß ist nicht die Zeit - - Jch habe einen Brief von dem Capitain Tomlinson - - Hier ist er - Jch reichte ihr denselben hin -
Jch will nichts von ihren Händen annehmen - Sagen sie mlr nichts von dem Capitain Tom- linson - Sagen sie mir von niemand ein Wort - Sie haben kein Recht, mich so zu überfallen - - Noch einmal, überlassen sie mich meinem Schick- sal - Haben sie mich nicht elend genug ge- machet?
Jch rührte eine zarte Saite, damit ich sie vor den beyden Weibspersonen in eine solche Gemüths- bewegung setzen möchte, daß dadurch mein Ver- lauten von der Verrückung bestätigt würde.
Was ist das für ein Wechsel! - Vor kur- zem so glücklich! - - Da nichts als die Aussöh- nung zwischen ihnen und ihren Freunden fehlte! - - Da diese Aussöhnung selbst auf so gutem Fuße! - - Soll eine so wenigbedeutende, so
zufäl-
Allein dieß iſt eine Heftigkeit, die ich ihnen nim- mermehr zugetrauet haͤtte.
Jch wollte eben meine Lippen an ihre Hand druͤcken, wie ich ſie hielte: aber ſie zog dieſelbe mit Unwillen von mir weg.
Laſſen ſie mich los, Herr, ſagte ſie. Jch will von ihnen nicht angeruͤhret ſeyn. Ueberlaſſen ſie mich meinem Schickſal. Was fuͤr Recht, was fuͤr Anſpruch haben ſie, daß ſie mich ſo verfolgen?
Was fuͤr Recht, was fuͤr Anſpruch, meine Geliebte! Jedoch dieß iſt nicht die Zeit ‒ ‒ Jch habe einen Brief von dem Capitain Tomlinſon ‒ ‒ Hier iſt er ‒ Jch reichte ihr denſelben hin ‒
Jch will nichts von ihren Haͤnden annehmen ‒ Sagen ſie mlr nichts von dem Capitain Tom- linſon ‒ Sagen ſie mir von niemand ein Wort ‒ Sie haben kein Recht, mich ſo zu uͤberfallen ‒ ‒ Noch einmal, uͤberlaſſen ſie mich meinem Schick- ſal ‒ Haben ſie mich nicht elend genug ge- machet?
Jch ruͤhrte eine zarte Saite, damit ich ſie vor den beyden Weibsperſonen in eine ſolche Gemuͤths- bewegung ſetzen moͤchte, daß dadurch mein Ver- lauten von der Verruͤckung beſtaͤtigt wuͤrde.
Was iſt das fuͤr ein Wechſel! ‒ Vor kur- zem ſo gluͤcklich! ‒ ‒ Da nichts als die Ausſoͤh- nung zwiſchen ihnen und ihren Freunden fehlte! ‒ ‒ Da dieſe Ausſoͤhnung ſelbſt auf ſo gutem Fuße! ‒ ‒ Soll eine ſo wenigbedeutende, ſo
zufaͤl-
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Allein dieß iſt eine Heftigkeit, die ich ihnen nim-
mermehr zugetrauet haͤtte.
Jch wollte eben meine Lippen an ihre Hand
druͤcken, wie ich ſie hielte: aber ſie zog dieſelbe
mit Unwillen von mir weg.
Laſſen ſie mich los, Herr, ſagte ſie. Jch will
von ihnen nicht angeruͤhret ſeyn. Ueberlaſſen ſie
mich meinem Schickſal. Was fuͤr Recht, was
fuͤr Anſpruch haben ſie, daß ſie mich ſo verfolgen?
Was fuͤr Recht, was fuͤr Anſpruch, meine
Geliebte! Jedoch dieß iſt nicht die Zeit ‒ ‒ Jch
habe einen Brief von dem Capitain Tomlinſon
‒ ‒ Hier iſt er ‒ Jch reichte ihr denſelben
hin ‒
Jch will nichts von ihren Haͤnden annehmen
‒ Sagen ſie mlr nichts von dem Capitain Tom-
linſon ‒ Sagen ſie mir von niemand ein Wort ‒
Sie haben kein Recht, mich ſo zu uͤberfallen ‒ ‒
Noch einmal, uͤberlaſſen ſie mich meinem Schick-
ſal ‒ Haben ſie mich nicht elend genug ge-
machet?
Jch ruͤhrte eine zarte Saite, damit ich ſie vor
den beyden Weibsperſonen in eine ſolche Gemuͤths-
bewegung ſetzen moͤchte, daß dadurch mein Ver-
lauten von der Verruͤckung beſtaͤtigt wuͤrde.
Was iſt das fuͤr ein Wechſel! ‒ Vor kur-
zem ſo gluͤcklich! ‒ ‒ Da nichts als die Ausſoͤh-
nung zwiſchen ihnen und ihren Freunden fehlte!
‒ ‒ Da dieſe Ausſoͤhnung ſelbſt auf ſo gutem
Fuße! ‒ ‒ Soll eine ſo wenigbedeutende, ſo
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/246>, abgerufen am 25.11.2024.
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