lich seyn möchte, will ich mich lieber mit einem Zimmer ein paar Treppen höher begnügen lassen.
Nein! um aller Welt nicht! um aller Welt nicht, Madame, schrie ich. - - Meine Frau, so lieb ich sie auch habe, sollte eher auf dem Boden unter dem Dache liegen, als einem solchen be- dächtlichen Frauenzimmer, wie sie zu seyn schei- nen, die geringste Unbequemlichkeit verursachen.
Sie machte aber die Thüre doch noch nicht auf. Jch mußte mehr sagen. Sie sind sehr gütig, Madame. Allein wenn ich in das Closet nur eben, wie ich stehe, hinein sehen dürfte: so könnte ich meiner Frauen Nachricht geben, ob es für einen Schrank, den sie sehr hoch hält und al- lezeit allenthalben bey sich haben will, breit ge- nug ist.
Darauf öffnete mein reizendes Kind die Thü- re; und strahlte in vollem Lichte auf mich zu: in einem so starken Lichte, als einen Menschen, wie man sich leicht vorstellen kann, rühren würde, der blind gebohren worden, und auf einmal bey der Mittagssonne durch eine günstige Macht glücklich sein Gesicht erlanget hätte.
Bey meiner Seele, ich war noch niemals vor- her so heftig gerühret worden. Jch hatte viele Mühe, daß ich mich nicht den Augenblick selbst entdeckte. Alles, was ich mit vielem Stottern und großer Verwirrung zu sagen wußte, indem ich in das Closet und in demselben herum kuckte, war dieses: Es ist, wie ich sehe, Raum da für den Schrank meiner Frauen; und in diesem sind
zwar
lich ſeyn moͤchte, will ich mich lieber mit einem Zimmer ein paar Treppen hoͤher begnuͤgen laſſen.
Nein! um aller Welt nicht! um aller Welt nicht, Madame, ſchrie ich. ‒ ‒ Meine Frau, ſo lieb ich ſie auch habe, ſollte eher auf dem Boden unter dem Dache liegen, als einem ſolchen be- daͤchtlichen Frauenzimmer, wie ſie zu ſeyn ſchei- nen, die geringſte Unbequemlichkeit verurſachen.
Sie machte aber die Thuͤre doch noch nicht auf. Jch mußte mehr ſagen. Sie ſind ſehr guͤtig, Madame. Allein wenn ich in das Cloſet nur eben, wie ich ſtehe, hinein ſehen duͤrfte: ſo koͤnnte ich meiner Frauen Nachricht geben, ob es fuͤr einen Schrank, den ſie ſehr hoch haͤlt und al- lezeit allenthalben bey ſich haben will, breit ge- nug iſt.
Darauf oͤffnete mein reizendes Kind die Thuͤ- re; und ſtrahlte in vollem Lichte auf mich zu: in einem ſo ſtarken Lichte, als einen Menſchen, wie man ſich leicht vorſtellen kann, ruͤhren wuͤrde, der blind gebohren worden, und auf einmal bey der Mittagsſonne durch eine guͤnſtige Macht gluͤcklich ſein Geſicht erlanget haͤtte.
Bey meiner Seele, ich war noch niemals vor- her ſo heftig geruͤhret worden. Jch hatte viele Muͤhe, daß ich mich nicht den Augenblick ſelbſt entdeckte. Alles, was ich mit vielem Stottern und großer Verwirrung zu ſagen wußte, indem ich in das Cloſet und in demſelben herum kuckte, war dieſes: Es iſt, wie ich ſehe, Raum da fuͤr den Schrank meiner Frauen; und in dieſem ſind
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lich ſeyn moͤchte, will ich mich lieber mit einem
Zimmer ein paar Treppen hoͤher begnuͤgen laſſen.
Nein! um aller Welt nicht! um aller Welt
nicht, Madame, ſchrie ich. ‒ ‒ Meine Frau, ſo
lieb ich ſie auch habe, ſollte eher auf dem Boden
unter dem Dache liegen, als einem ſolchen be-
daͤchtlichen Frauenzimmer, wie ſie zu ſeyn ſchei-
nen, die geringſte Unbequemlichkeit verurſachen.
Sie machte aber die Thuͤre doch noch nicht
auf. Jch mußte mehr ſagen. Sie ſind ſehr
guͤtig, Madame. Allein wenn ich in das Cloſet
nur eben, wie ich ſtehe, hinein ſehen duͤrfte: ſo
koͤnnte ich meiner Frauen Nachricht geben, ob es
fuͤr einen Schrank, den ſie ſehr hoch haͤlt und al-
lezeit allenthalben bey ſich haben will, breit ge-
nug iſt.
Darauf oͤffnete mein reizendes Kind die Thuͤ-
re; und ſtrahlte in vollem Lichte auf mich zu: in
einem ſo ſtarken Lichte, als einen Menſchen, wie
man ſich leicht vorſtellen kann, ruͤhren wuͤrde, der
blind gebohren worden, und auf einmal bey der
Mittagsſonne durch eine guͤnſtige Macht gluͤcklich
ſein Geſicht erlanget haͤtte.
Bey meiner Seele, ich war noch niemals vor-
her ſo heftig geruͤhret worden. Jch hatte viele
Muͤhe, daß ich mich nicht den Augenblick ſelbſt
entdeckte. Alles, was ich mit vielem Stottern
und großer Verwirrung zu ſagen wußte, indem
ich in das Cloſet und in demſelben herum kuckte,
war dieſes: Es iſt, wie ich ſehe, Raum da fuͤr
den Schrank meiner Frauen; und in dieſem ſind
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/234>, abgerufen am 26.11.2024.
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