fern nicht etwa ihre saubern Strümpfe sie ver- rathen.
Das war eine gute Erinnerung - - Herr Wirth, kann er mir nicht ein paar Strümpfe leihen oder verkaufen, die ich darüber ziehe? Jch kann die Fußsocken abschneiden, wenn sie nicht in meine Schuhe gehen.
Er könnte mir, antwortete er, ein paar gro- be, aber reine, Camaschen geben, wenn es mir beliebte.
Die kann ich am besten brauchen.
Er holte sie. Wilhelm zog sie mir an: und so sahen meine Füße vollkommen nach dem Po- dogra aus.
Die gute Frau lächelte und wünschte mir Glück zu meinem Vorhaben. Eben das that auch der Wirth. Und wie du weist, daß ich nicht übel eine verstellte Person spiele: so nahm ich einen Stock, den ich von dem Wirthe borgte, zog die Schultern um einen Viertelfuß ein, und stolperte in die Queere fort zu der grünen Kugel- bahn, damit ich mich ein wenig in dem krüpplich- ten Gange eines Podagristen übte. Die Wirthinn sagte ihrem Manne ins Ohr, wie mir Wilhelm erzählet: Es ist ein loser Herr, ich bin Bürge dafür! Die Schuld liegt gewiß nicht ganz an ei- ner Seite. Mein Wirth aber antwortete, ich wäre ein so aufgeweckter und wohlgesinnter Ca- vallier, daß er nicht wüßte, wie jemand mit mir ürnen könnte, ich möchte thun, was ich wollte. Ein mitleidiger Bruder! - - Jch wollte wün-
schen,
fern nicht etwa ihre ſaubern Struͤmpfe ſie ver- rathen.
Das war eine gute Erinnerung ‒ ‒ Herr Wirth, kann er mir nicht ein paar Struͤmpfe leihen oder verkaufen, die ich daruͤber ziehe? Jch kann die Fußſocken abſchneiden, wenn ſie nicht in meine Schuhe gehen.
Er koͤnnte mir, antwortete er, ein paar gro- be, aber reine, Camaſchen geben, wenn es mir beliebte.
Die kann ich am beſten brauchen.
Er holte ſie. Wilhelm zog ſie mir an: und ſo ſahen meine Fuͤße vollkommen nach dem Po- dogra aus.
Die gute Frau laͤchelte und wuͤnſchte mir Gluͤck zu meinem Vorhaben. Eben das that auch der Wirth. Und wie du weiſt, daß ich nicht uͤbel eine verſtellte Perſon ſpiele: ſo nahm ich einen Stock, den ich von dem Wirthe borgte, zog die Schultern um einen Viertelfuß ein, und ſtolperte in die Queere fort zu der gruͤnen Kugel- bahn, damit ich mich ein wenig in dem kruͤpplich- ten Gange eines Podagriſten uͤbte. Die Wirthinn ſagte ihrem Manne ins Ohr, wie mir Wilhelm erzaͤhlet: Es iſt ein loſer Herr, ich bin Buͤrge dafuͤr! Die Schuld liegt gewiß nicht ganz an ei- ner Seite. Mein Wirth aber antwortete, ich waͤre ein ſo aufgeweckter und wohlgeſinnter Ca- vallier, daß er nicht wuͤßte, wie jemand mit mir uͤrnen koͤnnte, ich moͤchte thun, was ich wollte. Ein mitleidiger Bruder! ‒ ‒ Jch wollte wuͤn-
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fern nicht etwa ihre ſaubern Struͤmpfe ſie ver-
rathen.
Das war eine gute Erinnerung ‒ ‒ Herr
Wirth, kann er mir nicht ein paar Struͤmpfe
leihen oder verkaufen, die ich daruͤber ziehe? Jch
kann die Fußſocken abſchneiden, wenn ſie nicht
in meine Schuhe gehen.
Er koͤnnte mir, antwortete er, ein paar gro-
be, aber reine, Camaſchen geben, wenn es mir
beliebte.
Die kann ich am beſten brauchen.
Er holte ſie. Wilhelm zog ſie mir an: und
ſo ſahen meine Fuͤße vollkommen nach dem Po-
dogra aus.
Die gute Frau laͤchelte und wuͤnſchte mir
Gluͤck zu meinem Vorhaben. Eben das that
auch der Wirth. Und wie du weiſt, daß ich
nicht uͤbel eine verſtellte Perſon ſpiele: ſo nahm
ich einen Stock, den ich von dem Wirthe borgte,
zog die Schultern um einen Viertelfuß ein, und
ſtolperte in die Queere fort zu der gruͤnen Kugel-
bahn, damit ich mich ein wenig in dem kruͤpplich-
ten Gange eines Podagriſten uͤbte. Die Wirthinn
ſagte ihrem Manne ins Ohr, wie mir Wilhelm
erzaͤhlet: Es iſt ein loſer Herr, ich bin Buͤrge
dafuͤr! Die Schuld liegt gewiß nicht ganz an ei-
ner Seite. Mein Wirth aber antwortete, ich
waͤre ein ſo aufgeweckter und wohlgeſinnter Ca-
vallier, daß er nicht wuͤßte, wie jemand mit mir
uͤrnen koͤnnte, ich moͤchte thun, was ich wollte.
Ein mitleidiger Bruder! ‒ ‒ Jch wollte wuͤn-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/216>, abgerufen am 31.01.2025.
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