Sie schwatzt von ihres Vaters Fluch. - - Allein habe ich ihn dafür nicht hundertfältig mit eben der Münze bezahlt? Warum sollen fremde Fehler mir vor die Thüre gelegt werden? Habe ich an meinen eignen nicht genug?
Jedoch der Tag fängt schon an zu grauen. Erlaube mir, daß ich alles in wenigen Worten zu- sammenfasse.
Kurz zu sagen: der Brief dieses lieben Kin- des ist eine Sammlung von harten Strafreden, die mir eben nicht gar neu sind, ob ihr gleich die Gelegenheit dazu sonder Zweifel neu ist. Durch und durch zeigen sich in demselben einige kleine Spuren von einem romanenmäßigen und wider- sinnigen Wesen. Sie liebet: und sie hasset. Sie reizet mich, ihr nachzusetzen; weil sie mir sagt, daß ich es sicher thun mag: und doch bit- tet sie, daß ich es nicht thun wolle. Sie besorgt Armuth und Dürftigkeit: dennoch entschließet sie sich, ihr Landgut wegzugeben. Wem zu ge- fallen? Mit einem Worte, denen, die an allem ihrem Unglücke schuld sind. Und zuletzt fasset sie zwar den Schluß, niemals die Meinige zu seyn: aber es ist ihr doch etwas empfindlich, mich zu verlassen; weil sie so viele Hoffnung zur Aussöhnung mit ihren Freunden vor sich gesehen hatte.
Niemals ist es mit der Morgendämmerung so langsam zugegangen, als itzo. Der Wagen ist auch noch nicht gekommen.
Ein
Sie ſchwatzt von ihres Vaters Fluch. ‒ ‒ Allein habe ich ihn dafuͤr nicht hundertfaͤltig mit eben der Muͤnze bezahlt? Warum ſollen fremde Fehler mir vor die Thuͤre gelegt werden? Habe ich an meinen eignen nicht genug?
Jedoch der Tag faͤngt ſchon an zu grauen. Erlaube mir, daß ich alles in wenigen Worten zu- ſammenfaſſe.
Kurz zu ſagen: der Brief dieſes lieben Kin- des iſt eine Sammlung von harten Strafreden, die mir eben nicht gar neu ſind, ob ihr gleich die Gelegenheit dazu ſonder Zweifel neu iſt. Durch und durch zeigen ſich in demſelben einige kleine Spuren von einem romanenmaͤßigen und wider- ſinnigen Weſen. Sie liebet: und ſie haſſet. Sie reizet mich, ihr nachzuſetzen; weil ſie mir ſagt, daß ich es ſicher thun mag: und doch bit- tet ſie, daß ich es nicht thun wolle. Sie beſorgt Armuth und Duͤrftigkeit: dennoch entſchließet ſie ſich, ihr Landgut wegzugeben. Wem zu ge- fallen? Mit einem Worte, denen, die an allem ihrem Ungluͤcke ſchuld ſind. Und zuletzt faſſet ſie zwar den Schluß, niemals die Meinige zu ſeyn: aber es iſt ihr doch etwas empfindlich, mich zu verlaſſen; weil ſie ſo viele Hoffnung zur Ausſoͤhnung mit ihren Freunden vor ſich geſehen hatte.
Niemals iſt es mit der Morgendaͤmmerung ſo langſam zugegangen, als itzo. Der Wagen iſt auch noch nicht gekommen.
Ein
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Sie ſchwatzt von ihres Vaters Fluch. ‒ ‒
Allein habe ich ihn dafuͤr nicht hundertfaͤltig mit
eben der Muͤnze bezahlt? Warum ſollen fremde
Fehler mir vor die Thuͤre gelegt werden? Habe
ich an meinen eignen nicht genug?
Jedoch der Tag faͤngt ſchon an zu grauen.
Erlaube mir, daß ich alles in wenigen Worten zu-
ſammenfaſſe.
Kurz zu ſagen: der Brief dieſes lieben Kin-
des iſt eine Sammlung von harten Strafreden,
die mir eben nicht gar neu ſind, ob ihr gleich die
Gelegenheit dazu ſonder Zweifel neu iſt. Durch
und durch zeigen ſich in demſelben einige kleine
Spuren von einem romanenmaͤßigen und wider-
ſinnigen Weſen. Sie liebet: und ſie haſſet.
Sie reizet mich, ihr nachzuſetzen; weil ſie mir
ſagt, daß ich es ſicher thun mag: und doch bit-
tet ſie, daß ich es nicht thun wolle. Sie beſorgt
Armuth und Duͤrftigkeit: dennoch entſchließet
ſie ſich, ihr Landgut wegzugeben. Wem zu ge-
fallen? Mit einem Worte, denen, die an allem
ihrem Ungluͤcke ſchuld ſind. Und zuletzt faſſet
ſie zwar den Schluß, niemals die Meinige zu
ſeyn: aber es iſt ihr doch etwas empfindlich,
mich zu verlaſſen; weil ſie ſo viele Hoffnung zur
Ausſoͤhnung mit ihren Freunden vor ſich geſehen
hatte.
Niemals iſt es mit der Morgendaͤmmerung
ſo langſam zugegangen, als itzo. Der Wagen
iſt auch noch nicht gekommen.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/197>, abgerufen am 22.11.2024.
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