Frau Townsend verborgen seyn kann, bis die er- ste Hitze von seinem Nachspüren vorüber ist. Deptford, denke ich, wird der richtigste Weg seyn, von einer Gelegenheit, womit man fortkommen kann, zu hören und sicher an Bord zu gelangen.
O! warum wurden dem großen Feinde der Sterblichen seine Ketten gelöset! Warum wurde ihm erlaubt eine so scheinbare Gestalt anzuneh- men und seine Füße und Klauen zu verbergen, bis er im Begriff war, mit jenen meine Ehre zu untertreten, und mit diesen mir ins Herz zu greif- fen! - Und was hatte ich gethan, daß er ins be- sondre auf mich losgelassen werden sollte?
Vergeben Sie mir diese murrende Frage, die Wirkung von meiner Ungeduld; von meiner sündlichen Ungeduld, wie ich wohl nicht zwei- feln darf. Denn da ich mit meiner Ehre davon gekommen bin, und nichts, als meine weltliche Albsichten, mein Stolz, mein Ehrgeiz, meine Ei- telkeit, etwas bey diesem Schiffbruche an meinem hoffnungsvollern Glücke gelitten hat: bin ich denn vielleicht nicht annoch weit glücklicher, als ich es verdiene? Steht es nicht noch in meiner Gewalt, durch Gottes Gnade den wichtigsten Theil von allen in Sicherheit zu bringen? Wer weiß, ob eben dieser Pfad, worauf mich meine unbedächtliche Aufführung gebracht hat, wenn er gleich mit Dornen und Disteln bestreuet ist, wel- che meinen stolzen Aufputz in Stücken zerrissen, nicht die rechte Bahn seyn mag, mich auf den großen Weg zu meiner künftigen Glückseligkeit
zu
Frau Townſend verborgen ſeyn kann, bis die er- ſte Hitze von ſeinem Nachſpuͤren voruͤber iſt. Deptford, denke ich, wird der richtigſte Weg ſeyn, von einer Gelegenheit, womit man fortkommen kann, zu hoͤren und ſicher an Bord zu gelangen.
O! warum wurden dem großen Feinde der Sterblichen ſeine Ketten geloͤſet! Warum wurde ihm erlaubt eine ſo ſcheinbare Geſtalt anzuneh- men und ſeine Fuͤße und Klauen zu verbergen, bis er im Begriff war, mit jenen meine Ehre zu untertreten, und mit dieſen mir ins Herz zu greif- fen! ‒ Und was hatte ich gethan, daß er ins be- ſondre auf mich losgelaſſen werden ſollte?
Vergeben Sie mir dieſe murrende Frage, die Wirkung von meiner Ungeduld; von meiner ſuͤndlichen Ungeduld, wie ich wohl nicht zwei- feln darf. Denn da ich mit meiner Ehre davon gekommen bin, und nichts, als meine weltliche Albſichten, mein Stolz, mein Ehrgeiz, meine Ei- telkeit, etwas bey dieſem Schiffbruche an meinem hoffnungsvollern Gluͤcke gelitten hat: bin ich denn vielleicht nicht annoch weit gluͤcklicher, als ich es verdiene? Steht es nicht noch in meiner Gewalt, durch Gottes Gnade den wichtigſten Theil von allen in Sicherheit zu bringen? Wer weiß, ob eben dieſer Pfad, worauf mich meine unbedaͤchtliche Auffuͤhrung gebracht hat, wenn er gleich mit Dornen und Diſteln beſtreuet iſt, wel- che meinen ſtolzen Aufputz in Stuͤcken zerriſſen, nicht die rechte Bahn ſeyn mag, mich auf den großen Weg zu meiner kuͤnftigen Gluͤckſeligkeit
zu
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0181"n="175"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
Frau Townſend verborgen ſeyn kann, bis die er-<lb/>ſte Hitze von ſeinem Nachſpuͤren voruͤber iſt.<lb/>
Deptford, denke ich, wird der richtigſte Weg ſeyn,<lb/>
von einer Gelegenheit, womit man fortkommen<lb/>
kann, zu hoͤren und ſicher an Bord zu gelangen.</p><lb/><p>O! warum wurden dem großen Feinde der<lb/>
Sterblichen ſeine Ketten geloͤſet! Warum wurde<lb/>
ihm erlaubt eine ſo ſcheinbare Geſtalt anzuneh-<lb/>
men und ſeine Fuͤße und Klauen zu verbergen,<lb/>
bis er im Begriff war, mit jenen meine Ehre zu<lb/>
untertreten, und mit dieſen mir ins Herz zu greif-<lb/>
fen! ‒ Und was hatte ich gethan, daß er ins be-<lb/>ſondre auf mich losgelaſſen werden ſollte?</p><lb/><p>Vergeben Sie mir dieſe murrende Frage,<lb/>
die Wirkung von meiner Ungeduld; von meiner<lb/><hirendition="#fr">ſuͤndlichen</hi> Ungeduld, wie ich wohl nicht zwei-<lb/>
feln darf. Denn da ich mit meiner Ehre davon<lb/>
gekommen bin, und nichts, als meine weltliche<lb/>
Albſichten, mein Stolz, mein Ehrgeiz, meine Ei-<lb/>
telkeit, etwas bey dieſem Schiffbruche an meinem<lb/>
hoffnungsvollern Gluͤcke gelitten hat: bin ich<lb/>
denn vielleicht nicht annoch weit gluͤcklicher, als<lb/>
ich es verdiene? Steht es nicht noch in meiner<lb/>
Gewalt, durch Gottes Gnade den wichtigſten<lb/>
Theil von allen in Sicherheit zu bringen? Wer<lb/>
weiß, ob eben dieſer Pfad, worauf mich meine<lb/>
unbedaͤchtliche Auffuͤhrung gebracht hat, wenn er<lb/>
gleich mit Dornen und Diſteln beſtreuet iſt, wel-<lb/>
che meinen ſtolzen Aufputz in Stuͤcken zerriſſen,<lb/>
nicht die rechte Bahn ſeyn mag, mich auf den<lb/>
großen Weg zu meiner kuͤnftigen Gluͤckſeligkeit<lb/><fwplace="bottom"type="catch">zu</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[175/0181]
Frau Townſend verborgen ſeyn kann, bis die er-
ſte Hitze von ſeinem Nachſpuͤren voruͤber iſt.
Deptford, denke ich, wird der richtigſte Weg ſeyn,
von einer Gelegenheit, womit man fortkommen
kann, zu hoͤren und ſicher an Bord zu gelangen.
O! warum wurden dem großen Feinde der
Sterblichen ſeine Ketten geloͤſet! Warum wurde
ihm erlaubt eine ſo ſcheinbare Geſtalt anzuneh-
men und ſeine Fuͤße und Klauen zu verbergen,
bis er im Begriff war, mit jenen meine Ehre zu
untertreten, und mit dieſen mir ins Herz zu greif-
fen! ‒ Und was hatte ich gethan, daß er ins be-
ſondre auf mich losgelaſſen werden ſollte?
Vergeben Sie mir dieſe murrende Frage,
die Wirkung von meiner Ungeduld; von meiner
ſuͤndlichen Ungeduld, wie ich wohl nicht zwei-
feln darf. Denn da ich mit meiner Ehre davon
gekommen bin, und nichts, als meine weltliche
Albſichten, mein Stolz, mein Ehrgeiz, meine Ei-
telkeit, etwas bey dieſem Schiffbruche an meinem
hoffnungsvollern Gluͤcke gelitten hat: bin ich
denn vielleicht nicht annoch weit gluͤcklicher, als
ich es verdiene? Steht es nicht noch in meiner
Gewalt, durch Gottes Gnade den wichtigſten
Theil von allen in Sicherheit zu bringen? Wer
weiß, ob eben dieſer Pfad, worauf mich meine
unbedaͤchtliche Auffuͤhrung gebracht hat, wenn er
gleich mit Dornen und Diſteln beſtreuet iſt, wel-
che meinen ſtolzen Aufputz in Stuͤcken zerriſſen,
nicht die rechte Bahn ſeyn mag, mich auf den
großen Weg zu meiner kuͤnftigen Gluͤckſeligkeit
zu
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/181>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.