Onkel zu so großem Vergnügen für mich über- nommen hat, durch meine Flucht aufgebe.
Nun hoffe ich nichts anders, als irgend eine anständige Familie oder Person von meinem Ge- schlechte anzutreffen, die über See zu gehen genö- thigt ist, oder in der Fremde lebet. Es ist mir gleichgültig, wo ich hinkomme. Wenn ich aber die Wahl hätte: so ginge ich gern zu einer von unsern amerikanischen Pflanzstädten; damit mei- ne Anverwandten, die ich so schmerzlich beleidigt habe, niemals weiter etwas von mir hören möchten.
Lassen Sie Jhr edles Herze nicht durch das, was ich schreibe, gerühret werden. Kann ich nur dem schrecklichsten Theile von meines Vaters Flu- che entgehen; denn in Ausehung des Zeitlichen ist er bereits so merklich in die Erfüllung gegangen, daß ich vor Furcht wegen des andern Theils zittere: so werde ich den Verlust meiner irdischen Güter als eine glückliche Vermittelung ansehen.
Es ist auch nicht nöthig, daß Sie mir Jhre oft angebotene Gütigkeit aufs neue wieder anbie- ten. Jch habe Ringe und andre Kostbarkeiten bey mir, die man mir zugleich mit meinen Klei- dern übersandt hat. Diese will ich zu Gelde ma- chen und dadurch alle Bedürfnisse vollkommen stillen, bis es der Fürsehung gefallen wird, mich auf eine oder die andre Art unter solche Umstän- de zu setzen, daß ich mir selbst helfen kann, wo- fern mein Leben zu meiner fernern Strafe, über meine Wünsche verlängert werden soll.
Schrei-
Onkel zu ſo großem Vergnuͤgen fuͤr mich uͤber- nommen hat, durch meine Flucht aufgebe.
Nun hoffe ich nichts anders, als irgend eine anſtaͤndige Familie oder Perſon von meinem Ge- ſchlechte anzutreffen, die uͤber See zu gehen genoͤ- thigt iſt, oder in der Fremde lebet. Es iſt mir gleichguͤltig, wo ich hinkomme. Wenn ich aber die Wahl haͤtte: ſo ginge ich gern zu einer von unſern amerikaniſchen Pflanzſtaͤdten; damit mei- ne Anverwandten, die ich ſo ſchmerzlich beleidigt habe, niemals weiter etwas von mir hoͤren moͤchten.
Laſſen Sie Jhr edles Herze nicht durch das, was ich ſchreibe, geruͤhret werden. Kann ich nur dem ſchrecklichſten Theile von meines Vaters Flu- che entgehen; denn in Auſehung des Zeitlichen iſt er bereits ſo merklich in die Erfuͤllung gegangen, daß ich vor Furcht wegen des andern Theils zittere: ſo werde ich den Verluſt meiner irdiſchen Guͤter als eine gluͤckliche Vermittelung anſehen.
Es iſt auch nicht noͤthig, daß Sie mir Jhre oft angebotene Guͤtigkeit aufs neue wieder anbie- ten. Jch habe Ringe und andre Koſtbarkeiten bey mir, die man mir zugleich mit meinen Klei- dern uͤberſandt hat. Dieſe will ich zu Gelde ma- chen und dadurch alle Beduͤrfniſſe vollkommen ſtillen, bis es der Fuͤrſehung gefallen wird, mich auf eine oder die andre Art unter ſolche Umſtaͤn- de zu ſetzen, daß ich mir ſelbſt helfen kann, wo- fern mein Leben zu meiner fernern Strafe, uͤber meine Wuͤnſche verlaͤngert werden ſoll.
Schrei-
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Onkel zu ſo großem Vergnuͤgen fuͤr mich uͤber-
nommen hat, durch meine Flucht aufgebe.
Nun hoffe ich nichts anders, als irgend eine
anſtaͤndige Familie oder Perſon von meinem Ge-
ſchlechte anzutreffen, die uͤber See zu gehen genoͤ-
thigt iſt, oder in der Fremde lebet. Es iſt mir
gleichguͤltig, wo ich hinkomme. Wenn ich aber
die Wahl haͤtte: ſo ginge ich gern zu einer von
unſern amerikaniſchen Pflanzſtaͤdten; damit mei-
ne Anverwandten, die ich ſo ſchmerzlich beleidigt
habe, niemals weiter etwas von mir hoͤren
moͤchten.
Laſſen Sie Jhr edles Herze nicht durch das,
was ich ſchreibe, geruͤhret werden. Kann ich nur
dem ſchrecklichſten Theile von meines Vaters Flu-
che entgehen; denn in Auſehung des Zeitlichen iſt er
bereits ſo merklich in die Erfuͤllung gegangen, daß
ich vor Furcht wegen des andern Theils zittere:
ſo werde ich den Verluſt meiner irdiſchen Guͤter
als eine gluͤckliche Vermittelung anſehen.
Es iſt auch nicht noͤthig, daß Sie mir Jhre
oft angebotene Guͤtigkeit aufs neue wieder anbie-
ten. Jch habe Ringe und andre Koſtbarkeiten
bey mir, die man mir zugleich mit meinen Klei-
dern uͤberſandt hat. Dieſe will ich zu Gelde ma-
chen und dadurch alle Beduͤrfniſſe vollkommen
ſtillen, bis es der Fuͤrſehung gefallen wird, mich
auf eine oder die andre Art unter ſolche Umſtaͤn-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/177>, abgerufen am 25.11.2024.
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