läuferinn gäbe, diese wiederum in meine Gewalt bekommen könnte? - - Meynst du, daß sie die- jenige Freundinn in ihrem Unglücke nicht besu- chen würde, welche der ihr zugedachte Besuch in ihrem Unglücke eben in den Zustand versetzet hät- te, wovor sie sich so treulos durch die Flucht in Sicherheit gestellet hat?
Gönne mir, daß ich mich an diesen Gedan- ken vergnüge!
Soll ich den Brief fortschicken? - - Du siehst, daß ich mir eine Ausflucht gelassen habe, wodurch ich eine allzu strenge Untersuchung ver- meiden kann, wenn ich eine so schöne Hand nicht genau nachzumahlen weiß. - - Verdienen sie nicht beyde so von mir bezahlt zu werden? - - Siehst du nicht, wie das rasende Mädchen ihrer Mutter drohet? - Muß sie nicht gestrafet wer- den? - - Kann ich auch wohl ein ärgerer Teu- fel, oder Bösewicht, oder Scheusal seyn, als sie mich in diesem Briefe nennet und in ihren vori- gen genannt hat, wenn ich sie beyde so strafe, wie mich meine Rache sie zu strafen treibet? Und wie vergnügt, wie zufrieden können sie, nachdem ich diese meine Rache vollzogen habe, beyde auf das Land gehen und mit einander haushalten! Haben sie alsdenn nicht einen weit bessern Grund, als ihnen ihr Stolz geben konnte, in dem ledigen Stande zu leben, wofür sie beyde so sehr einge- nommen geschienen.
Jch will mich den Augenblick hinsetzen, den- ke ich, meinen entworfenen Brief abzuschreiben.
Jch
L 3
laͤuferinn gaͤbe, dieſe wiederum in meine Gewalt bekommen koͤnnte? ‒ ‒ Meynſt du, daß ſie die- jenige Freundinn in ihrem Ungluͤcke nicht beſu- chen wuͤrde, welche der ihr zugedachte Beſuch in ihrem Ungluͤcke eben in den Zuſtand verſetzet haͤt- te, wovor ſie ſich ſo treulos durch die Flucht in Sicherheit geſtellet hat?
Goͤnne mir, daß ich mich an dieſen Gedan- ken vergnuͤge!
Soll ich den Brief fortſchicken? ‒ ‒ Du ſiehſt, daß ich mir eine Ausflucht gelaſſen habe, wodurch ich eine allzu ſtrenge Unterſuchung ver- meiden kann, wenn ich eine ſo ſchoͤne Hand nicht genau nachzumahlen weiß. ‒ ‒ Verdienen ſie nicht beyde ſo von mir bezahlt zu werden? ‒ ‒ Siehſt du nicht, wie das raſende Maͤdchen ihrer Mutter drohet? ‒ Muß ſie nicht geſtrafet wer- den? ‒ ‒ Kann ich auch wohl ein aͤrgerer Teu- fel, oder Boͤſewicht, oder Scheuſal ſeyn, als ſie mich in dieſem Briefe nennet und in ihren vori- gen genannt hat, wenn ich ſie beyde ſo ſtrafe, wie mich meine Rache ſie zu ſtrafen treibet? Und wie vergnuͤgt, wie zufrieden koͤnnen ſie, nachdem ich dieſe meine Rache vollzogen habe, beyde auf das Land gehen und mit einander haushalten! Haben ſie alsdenn nicht einen weit beſſern Grund, als ihnen ihr Stolz geben konnte, in dem ledigen Stande zu leben, wofuͤr ſie beyde ſo ſehr einge- nommen geſchienen.
Jch will mich den Augenblick hinſetzen, den- ke ich, meinen entworfenen Brief abzuſchreiben.
Jch
L 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0171"n="165"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
laͤuferinn gaͤbe, dieſe wiederum in meine Gewalt<lb/>
bekommen koͤnnte? ‒‒ Meynſt du, daß ſie die-<lb/>
jenige Freundinn in <hirendition="#fr">ihrem</hi> Ungluͤcke nicht beſu-<lb/>
chen wuͤrde, welche der ihr zugedachte Beſuch in<lb/><hirendition="#fr">ihrem</hi> Ungluͤcke eben in den Zuſtand verſetzet haͤt-<lb/>
te, wovor ſie ſich ſo treulos durch die Flucht in<lb/>
Sicherheit geſtellet hat?</p><lb/><p>Goͤnne mir, daß ich mich an dieſen Gedan-<lb/>
ken vergnuͤge!</p><lb/><p>Soll ich den Brief fortſchicken? ‒‒ Du<lb/>ſiehſt, daß ich mir eine Ausflucht gelaſſen habe,<lb/>
wodurch ich eine allzu ſtrenge Unterſuchung ver-<lb/>
meiden kann, wenn ich eine ſo ſchoͤne Hand nicht<lb/>
genau nachzumahlen weiß. ‒‒ Verdienen ſie<lb/>
nicht beyde ſo von mir bezahlt zu werden? ‒‒<lb/>
Siehſt du nicht, wie das raſende Maͤdchen ihrer<lb/>
Mutter drohet? ‒ Muß ſie nicht geſtrafet wer-<lb/>
den? ‒‒ Kann ich auch wohl ein aͤrgerer Teu-<lb/>
fel, oder Boͤſewicht, oder Scheuſal ſeyn, als ſie<lb/>
mich in dieſem Briefe nennet und in ihren vori-<lb/>
gen genannt hat, wenn ich ſie beyde ſo ſtrafe, wie<lb/>
mich meine Rache ſie zu ſtrafen treibet? Und<lb/>
wie vergnuͤgt, wie zufrieden koͤnnen ſie, nachdem<lb/>
ich dieſe meine Rache vollzogen habe, beyde auf<lb/>
das Land gehen und mit einander haushalten!<lb/>
Haben ſie alsdenn nicht einen weit beſſern Grund,<lb/>
als ihnen ihr Stolz geben konnte, in dem ledigen<lb/>
Stande zu leben, wofuͤr ſie beyde ſo ſehr einge-<lb/>
nommen geſchienen.</p><lb/><p>Jch will mich den Augenblick hinſetzen, den-<lb/>
ke ich, meinen entworfenen Brief abzuſchreiben.<lb/><fwplace="bottom"type="sig">L 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">Jch</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[165/0171]
laͤuferinn gaͤbe, dieſe wiederum in meine Gewalt
bekommen koͤnnte? ‒ ‒ Meynſt du, daß ſie die-
jenige Freundinn in ihrem Ungluͤcke nicht beſu-
chen wuͤrde, welche der ihr zugedachte Beſuch in
ihrem Ungluͤcke eben in den Zuſtand verſetzet haͤt-
te, wovor ſie ſich ſo treulos durch die Flucht in
Sicherheit geſtellet hat?
Goͤnne mir, daß ich mich an dieſen Gedan-
ken vergnuͤge!
Soll ich den Brief fortſchicken? ‒ ‒ Du
ſiehſt, daß ich mir eine Ausflucht gelaſſen habe,
wodurch ich eine allzu ſtrenge Unterſuchung ver-
meiden kann, wenn ich eine ſo ſchoͤne Hand nicht
genau nachzumahlen weiß. ‒ ‒ Verdienen ſie
nicht beyde ſo von mir bezahlt zu werden? ‒ ‒
Siehſt du nicht, wie das raſende Maͤdchen ihrer
Mutter drohet? ‒ Muß ſie nicht geſtrafet wer-
den? ‒ ‒ Kann ich auch wohl ein aͤrgerer Teu-
fel, oder Boͤſewicht, oder Scheuſal ſeyn, als ſie
mich in dieſem Briefe nennet und in ihren vori-
gen genannt hat, wenn ich ſie beyde ſo ſtrafe, wie
mich meine Rache ſie zu ſtrafen treibet? Und
wie vergnuͤgt, wie zufrieden koͤnnen ſie, nachdem
ich dieſe meine Rache vollzogen habe, beyde auf
das Land gehen und mit einander haushalten!
Haben ſie alsdenn nicht einen weit beſſern Grund,
als ihnen ihr Stolz geben konnte, in dem ledigen
Stande zu leben, wofuͤr ſie beyde ſo ſehr einge-
nommen geſchienen.
Jch will mich den Augenblick hinſetzen, den-
ke ich, meinen entworfenen Brief abzuſchreiben.
Jch
L 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/171>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.