Denn das würde uns beyde den Urtheilen der Leute unten im Hause, und, was von unendlich wichtigerer Folge für uns ist, des Capitain Tom- linson, bloßstellen. Lassen sie uns im Stande seyn, ich bitte sie, meine Fräulein, ihn bey seinem nächsten Besuche zu versichern, daß wir eins sind.
Weil ich die Erlaubniß, zu Mittage mit ih- nen zu speisen, nicht hoffen darf: so werde ich vor Abend nicht wieder zu Hause kommen; und denn, unterstehe ich mich zu sagen, erwarte ich; ihr Versprechen giebt mir ein Recht dieß Wort zu gebrauchen; sie geneigt zu finden, durch ihre Einwilligung auf morgen, glücklich zu machen.
Jhren Anbeter, Lovelace.
Was stellte ich mir für ein Vergnügen vor, wie dachte ich mir die angenehme Verwirrung zu Nutze zu machen, worinn ich sie zu finden ver- muthete: weil alles noch so neu war! - - - Doch sie muß, sie soll mich sehen, wenn ich zurückkom- me. Es wäre besser für sie und für mich, daß sie nicht so viele Umstände über nichts ge- macht hätte. Jch muß meinen Zorn lebendig erhalten, daß er nicht in Mitleiden verwandelt werde. Liebe und Mitleiden sind schwer zu trennen; man mag auch noch so sehr gereizet werden: da hingegen der Zorn das, was ohne ihr Mitleiden seyn würde, in einen empfindli- chen Verdruß verwandelt. Es kann in den
Augen
Denn das wuͤrde uns beyde den Urtheilen der Leute unten im Hauſe, und, was von unendlich wichtigerer Folge fuͤr uns iſt, des Capitain Tom- linſon, bloßſtellen. Laſſen ſie uns im Stande ſeyn, ich bitte ſie, meine Fraͤulein, ihn bey ſeinem naͤchſten Beſuche zu verſichern, daß wir eins ſind.
Weil ich die Erlaubniß, zu Mittage mit ih- nen zu ſpeiſen, nicht hoffen darf: ſo werde ich vor Abend nicht wieder zu Hauſe kommen; und denn, unterſtehe ich mich zu ſagen, erwarte ich; ihr Verſprechen giebt mir ein Recht dieß Wort zu gebrauchen; ſie geneigt zu finden, durch ihre Einwilligung auf morgen, gluͤcklich zu machen.
Jhren Anbeter, Lovelace.
Was ſtellte ich mir fuͤr ein Vergnuͤgen vor, wie dachte ich mir die angenehme Verwirrung zu Nutze zu machen, worinn ich ſie zu finden ver- muthete: weil alles noch ſo neu war! ‒ ‒ ‒ Doch ſie muß, ſie ſoll mich ſehen, wenn ich zuruͤckkom- me. Es waͤre beſſer fuͤr ſie und fuͤr mich, daß ſie nicht ſo viele Umſtaͤnde uͤber nichts ge- macht haͤtte. Jch muß meinen Zorn lebendig erhalten, daß er nicht in Mitleiden verwandelt werde. Liebe und Mitleiden ſind ſchwer zu trennen; man mag auch noch ſo ſehr gereizet werden: da hingegen der Zorn das, was ohne ihr Mitleiden ſeyn wuͤrde, in einen empfindli- chen Verdruß verwandelt. Es kann in den
Augen
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Denn das wuͤrde uns beyde den Urtheilen der
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linſon, bloßſtellen. Laſſen ſie uns im Stande
ſeyn, ich bitte ſie, meine Fraͤulein, ihn bey ſeinem
naͤchſten Beſuche zu verſichern, daß wir eins
ſind.
Weil ich die Erlaubniß, zu Mittage mit ih-
nen zu ſpeiſen, nicht hoffen darf: ſo werde ich vor
Abend nicht wieder zu Hauſe kommen; und denn,
unterſtehe ich mich zu ſagen, erwarte ich; ihr
Verſprechen giebt mir ein Recht dieß Wort zu
gebrauchen; ſie geneigt zu finden, durch ihre
Einwilligung auf morgen, gluͤcklich zu machen.
Jhren Anbeter,
Lovelace.
Was ſtellte ich mir fuͤr ein Vergnuͤgen vor,
wie dachte ich mir die angenehme Verwirrung zu
Nutze zu machen, worinn ich ſie zu finden ver-
muthete: weil alles noch ſo neu war! ‒ ‒ ‒ Doch
ſie muß, ſie ſoll mich ſehen, wenn ich zuruͤckkom-
me. Es waͤre beſſer fuͤr ſie und fuͤr mich, daß
ſie nicht ſo viele Umſtaͤnde uͤber nichts ge-
macht haͤtte. Jch muß meinen Zorn lebendig
erhalten, daß er nicht in Mitleiden verwandelt
werde. Liebe und Mitleiden ſind ſchwer zu
trennen; man mag auch noch ſo ſehr gereizet
werden: da hingegen der Zorn das, was ohne
ihr Mitleiden ſeyn wuͤrde, in einen empfindli-
chen Verdruß verwandelt. Es kann in den
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/108>, abgerufen am 26.11.2024.
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