Der neunte Brief von Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.
Jm Königsschild, Pallmal, Donnerstags um zwey Uhr.
Es sind zwischen uns, noch ehe ich ausgegan- gen bin, verschiedne Handbriefchen durch Dorcas, als Botinn, gewechselt. Deswegen ha- ben meine die Aufschrift von ihrem Ehename. - Sie hat ihre Thür nicht öffnen wollen, dieselben anzunehmen; vermuthlich aus Beysorge, ich möchte etwa in der Nähe seyn: daher hat sich Dorcas genöthigt gesehen, nachdem sie für dich eine Abschrift davon genommen, sie unter die Thüre zu stecken und von dannen auch die Ant- wort zu holen. Beliebt es dir, so kannst du sie hier lesen.
An Frau Lovelace.
Jn Wahrheit, mein liebstes Leben, sie treiben diese Sache zu weit. Was werden die Leute un- ten im Hause, die uns für getrauet halten, von einer so großen Bedenklichkeit für Gedanken ha- ben? So unschuldige Freyheiten! Eine so zu- fällige Gelegenheit! - Sie werden sich selbst so wohl als mich ihren Urtheilen aussetzen - Bis- her wissen sie noch nichts von dem, was vorge- fallen ist. Und was ist denn auch in der That vorgefallen, das allen diesen Unwillen verursa-
chen
Der neunte Brief von Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.
Jm Koͤnigsſchild, Pallmal, Donnerſtags um zwey Uhr.
Es ſind zwiſchen uns, noch ehe ich ausgegan- gen bin, verſchiedne Handbriefchen durch Dorcas, als Botinn, gewechſelt. Deswegen ha- ben meine die Aufſchrift von ihrem Ehename. ‒ Sie hat ihre Thuͤr nicht oͤffnen wollen, dieſelben anzunehmen; vermuthlich aus Beyſorge, ich moͤchte etwa in der Naͤhe ſeyn: daher hat ſich Dorcas genoͤthigt geſehen, nachdem ſie fuͤr dich eine Abſchrift davon genommen, ſie unter die Thuͤre zu ſtecken und von dannen auch die Ant- wort zu holen. Beliebt es dir, ſo kannſt du ſie hier leſen.
An Frau Lovelace.
Jn Wahrheit, mein liebſtes Leben, ſie treiben dieſe Sache zu weit. Was werden die Leute un- ten im Hauſe, die uns fuͤr getrauet halten, von einer ſo großen Bedenklichkeit fuͤr Gedanken ha- ben? So unſchuldige Freyheiten! Eine ſo zu- faͤllige Gelegenheit! ‒ Sie werden ſich ſelbſt ſo wohl als mich ihren Urtheilen ausſetzen ‒ Bis- her wiſſen ſie noch nichts von dem, was vorge- fallen iſt. Und was iſt denn auch in der That vorgefallen, das allen dieſen Unwillen verurſa-
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Der neunte Brief
von
Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.
Jm Koͤnigsſchild, Pallmal, Donnerſtags
um zwey Uhr.
Es ſind zwiſchen uns, noch ehe ich ausgegan-
gen bin, verſchiedne Handbriefchen durch
Dorcas, als Botinn, gewechſelt. Deswegen ha-
ben meine die Aufſchrift von ihrem Ehename. ‒
Sie hat ihre Thuͤr nicht oͤffnen wollen, dieſelben
anzunehmen; vermuthlich aus Beyſorge, ich
moͤchte etwa in der Naͤhe ſeyn: daher hat ſich
Dorcas genoͤthigt geſehen, nachdem ſie fuͤr dich
eine Abſchrift davon genommen, ſie unter die
Thuͤre zu ſtecken und von dannen auch die Ant-
wort zu holen. Beliebt es dir, ſo kannſt du ſie
hier leſen.
An Frau Lovelace.
Jn Wahrheit, mein liebſtes Leben, ſie treiben
dieſe Sache zu weit. Was werden die Leute un-
ten im Hauſe, die uns fuͤr getrauet halten, von
einer ſo großen Bedenklichkeit fuͤr Gedanken ha-
ben? So unſchuldige Freyheiten! Eine ſo zu-
faͤllige Gelegenheit! ‒ Sie werden ſich ſelbſt ſo
wohl als mich ihren Urtheilen ausſetzen ‒ Bis-
her wiſſen ſie noch nichts von dem, was vorge-
fallen iſt. Und was iſt denn auch in der That
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/102>, abgerufen am 22.11.2024.
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