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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.

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entfernete, um sich bey ihrem lobenswürdigen Zeit-
Vertreib zu beschäftigen, oder in der Haushaltung
allerhand nützliche Anstalten zu machen.

Unsere übrigen Kinder, die auch gute Kinder wa-
ren, mußten nothwendig mercken, daß sie ihr nach-
gesetzt würden. Allein sie waren so lebhaft davon
überzeuget, daß ihre Schwester wahre Vorzüge vor
ihnen besässe, und ihrer Familie zur Ehre gereichte,
daß sie dieses ohne Neid gestanden. Es kam ihr in
der That niemand so nahe, daß er sich unterstan-
den hätte sie zu beneiden: höchstens stellete man sie
sich zur Nachahmung vor. Sie weiß, daß uns
dieses Kind einen Vorzug vor andern Familien zu-
wege brachte: allein nachdem sie uns verlassen, und so
schimpflich verlassen hat, so sind wir unseres Schmu-
ckes beraubet, und andern Familien gleich gewor-
den.

Was für Geschicklichkeit hatte sie durch Fleiß
erworben! wie geschickt war sie in der Musick! was
machte sie für schöne Arbeit! wie unvergleichlich ver-
stand sie sich auf die Kleidung! Ward sie nicht
hierüber so bewundert, daß das benachbarte Frau-
enzimmer sagte: man brauche sich die Moden nicht
von London zu verschreiben, sondern das sey die
beste Mode, die die Fräulein Harlowe trüge, weil
sie etwas natürlich-schönes an sich hätte, das alle
Kunst überträfe. Jhr ungezwungenes freyes We-
sen! Jhre Gestalt! Jhre Belesenheit! Jhr offen-
hertziges Wesen: Jhre Freundlichkeit und Beschei-
denheit! O meine liebe Frau Norton, was für ein
Kind hatte ich ehemahls an meiner Clärchen!

Sie
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entfernete, um ſich bey ihrem lobenswuͤrdigen Zeit-
Vertreib zu beſchaͤftigen, oder in der Haushaltung
allerhand nuͤtzliche Anſtalten zu machen.

Unſere uͤbrigen Kinder, die auch gute Kinder wa-
ren, mußten nothwendig mercken, daß ſie ihr nach-
geſetzt wuͤrden. Allein ſie waren ſo lebhaft davon
uͤberzeuget, daß ihre Schweſter wahre Vorzuͤge vor
ihnen beſaͤſſe, und ihrer Familie zur Ehre gereichte,
daß ſie dieſes ohne Neid geſtanden. Es kam ihr in
der That niemand ſo nahe, daß er ſich unterſtan-
den haͤtte ſie zu beneiden: hoͤchſtens ſtellete man ſie
ſich zur Nachahmung vor. Sie weiß, daß uns
dieſes Kind einen Vorzug vor andern Familien zu-
wege brachte: allein nachdem ſie uns verlaſſen, und ſo
ſchimpflich verlaſſen hat, ſo ſind wir unſeres Schmu-
ckes beraubet, und andern Familien gleich gewor-
den.

Was fuͤr Geſchicklichkeit hatte ſie durch Fleiß
erworben! wie geſchickt war ſie in der Muſick! was
machte ſie fuͤr ſchoͤne Arbeit! wie unvergleichlich ver-
ſtand ſie ſich auf die Kleidung! Ward ſie nicht
hieruͤber ſo bewundert, daß das benachbarte Frau-
enzimmer ſagte: man brauche ſich die Moden nicht
von London zu verſchreiben, ſondern das ſey die
beſte Mode, die die Fraͤulein Harlowe truͤge, weil
ſie etwas natuͤrlich-ſchoͤnes an ſich haͤtte, das alle
Kunſt uͤbertraͤfe. Jhr ungezwungenes freyes We-
ſen! Jhre Geſtalt! Jhre Beleſenheit! Jhr offen-
hertziges Weſen: Jhre Freundlichkeit und Beſchei-
denheit! O meine liebe Frau Norton, was fuͤr ein
Kind hatte ich ehemahls an meiner Claͤrchen!

Sie
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[51/0057] entfernete, um ſich bey ihrem lobenswuͤrdigen Zeit- Vertreib zu beſchaͤftigen, oder in der Haushaltung allerhand nuͤtzliche Anſtalten zu machen. Unſere uͤbrigen Kinder, die auch gute Kinder wa- ren, mußten nothwendig mercken, daß ſie ihr nach- geſetzt wuͤrden. Allein ſie waren ſo lebhaft davon uͤberzeuget, daß ihre Schweſter wahre Vorzuͤge vor ihnen beſaͤſſe, und ihrer Familie zur Ehre gereichte, daß ſie dieſes ohne Neid geſtanden. Es kam ihr in der That niemand ſo nahe, daß er ſich unterſtan- den haͤtte ſie zu beneiden: hoͤchſtens ſtellete man ſie ſich zur Nachahmung vor. Sie weiß, daß uns dieſes Kind einen Vorzug vor andern Familien zu- wege brachte: allein nachdem ſie uns verlaſſen, und ſo ſchimpflich verlaſſen hat, ſo ſind wir unſeres Schmu- ckes beraubet, und andern Familien gleich gewor- den. Was fuͤr Geſchicklichkeit hatte ſie durch Fleiß erworben! wie geſchickt war ſie in der Muſick! was machte ſie fuͤr ſchoͤne Arbeit! wie unvergleichlich ver- ſtand ſie ſich auf die Kleidung! Ward ſie nicht hieruͤber ſo bewundert, daß das benachbarte Frau- enzimmer ſagte: man brauche ſich die Moden nicht von London zu verſchreiben, ſondern das ſey die beſte Mode, die die Fraͤulein Harlowe truͤge, weil ſie etwas natuͤrlich-ſchoͤnes an ſich haͤtte, das alle Kunſt uͤbertraͤfe. Jhr ungezwungenes freyes We- ſen! Jhre Geſtalt! Jhre Beleſenheit! Jhr offen- hertziges Weſen: Jhre Freundlichkeit und Beſchei- denheit! O meine liebe Frau Norton, was fuͤr ein Kind hatte ich ehemahls an meiner Claͤrchen! Sie D 2

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/57>, abgerufen am 25.11.2024.