Vorrecht haben; der große Lord S. hatte jene Einrichtungen auf Ansuchen der Verwandten von meiner Mutter gemacht. Der gantze Unterschied ist, daß meine Liebste noch 100 Pf. jährlich mehr bekömmt als meine Mutter.
Jch erbot mich ihr die alte Ehestiftung vor- zulesen, da sie den Entwurf der neuen las. Denn bey der Untersuchung derselben mit dem Schreiber hatte sie nicht wollen gegenwärtig seyn. Aber sie lehnte auch dieses ab. Jch vermuthe sie wollte nicht von so viel Kindern, den ersten, zweyten, dritten, vierdten, fünften, sechsten und siebenden Sohne, und eben so viel Töchtern, die mit besag- ter Clarissa Harlowe gezeugt würden, hören.
Angenehme Vorerinnerungen bey der Ehe, wenn auch gleich dabey steht, aus rechtmäßi- gem Ehebette gezeugt. Als wenn ein Mann mit seiner Frau unrechtmäßige Kinder zeugen könnte. - - Denckst du aber nicht, daß die spitz- findigen Schelme, die Advocaten, dadurch zu ver- stehen geben, daß ein Mann von seiner Frau Kin- der vor seiner Ehe haben kann. Das müssen sie meynen. Warum bringen denn die Vögel einen ehrlichen Menschen solche Schelmereyen ein. A- ber hier und in unzählich andern Beyspielen sehen wir, daß Gesetze und Evangelium zwey gantz ver- schiedene Dinge sind.
Dor-
Vorrecht haben; der große Lord S. hatte jene Einrichtungen auf Anſuchen der Verwandten von meiner Mutter gemacht. Der gantze Unterſchied iſt, daß meine Liebſte noch 100 Pf. jaͤhrlich mehr bekoͤmmt als meine Mutter.
Jch erbot mich ihr die alte Eheſtiftung vor- zuleſen, da ſie den Entwurf der neuen las. Denn bey der Unterſuchung derſelben mit dem Schreiber hatte ſie nicht wollen gegenwaͤrtig ſeyn. Aber ſie lehnte auch dieſes ab. Jch vermuthe ſie wollte nicht von ſo viel Kindern, den erſten, zweyten, dritten, vierdten, fuͤnften, ſechſten und ſiebenden Sohne, und eben ſo viel Toͤchtern, die mit beſag- ter Clariſſa Harlowe gezeugt wuͤrden, hoͤren.
Angenehme Vorerinnerungen bey der Ehe, wenn auch gleich dabey ſteht, aus rechtmaͤßi- gem Ehebette gezeugt. Als wenn ein Mann mit ſeiner Frau unrechtmaͤßige Kinder zeugen koͤnnte. ‒ ‒ Denckſt du aber nicht, daß die ſpitz- findigen Schelme, die Advocaten, dadurch zu ver- ſtehen geben, daß ein Mann von ſeiner Frau Kin- der vor ſeiner Ehe haben kann. Das muͤſſen ſie meynen. Warum bringen denn die Voͤgel einen ehrlichen Menſchen ſolche Schelmereyen ein. A- ber hier und in unzaͤhlich andern Beyſpielen ſehen wir, daß Geſetze und Evangelium zwey gantz ver- ſchiedene Dinge ſind.
Dor-
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Vorrecht haben; der große Lord S. hatte jene
Einrichtungen auf Anſuchen der Verwandten von
meiner Mutter gemacht. Der gantze Unterſchied
iſt, daß meine Liebſte noch 100 Pf. jaͤhrlich mehr
bekoͤmmt als meine Mutter.
Jch erbot mich ihr die alte Eheſtiftung vor-
zuleſen, da ſie den Entwurf der neuen las. Denn
bey der Unterſuchung derſelben mit dem Schreiber
hatte ſie nicht wollen gegenwaͤrtig ſeyn. Aber ſie
lehnte auch dieſes ab. Jch vermuthe ſie wollte
nicht von ſo viel Kindern, den erſten, zweyten,
dritten, vierdten, fuͤnften, ſechſten und ſiebenden
Sohne, und eben ſo viel Toͤchtern, die mit beſag-
ter Clariſſa Harlowe gezeugt wuͤrden, hoͤren.
Angenehme Vorerinnerungen bey der Ehe,
wenn auch gleich dabey ſteht, aus rechtmaͤßi-
gem Ehebette gezeugt. Als wenn ein Mann
mit ſeiner Frau unrechtmaͤßige Kinder zeugen
koͤnnte. ‒ ‒ Denckſt du aber nicht, daß die ſpitz-
findigen Schelme, die Advocaten, dadurch zu ver-
ſtehen geben, daß ein Mann von ſeiner Frau Kin-
der vor ſeiner Ehe haben kann. Das muͤſſen ſie
meynen. Warum bringen denn die Voͤgel einen
ehrlichen Menſchen ſolche Schelmereyen ein. A-
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wir, daß Geſetze und Evangelium zwey gantz ver-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/402>, abgerufen am 22.11.2024.
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