rem kleinen Eigensinn ohne Belohnung unter- werfen will. - - (Jch schlug beyde Arme um sie, und gab ihren widerspenstigen Wangen einen feu- rigen Kuß, der ihren Lippen zugedacht war.) - - - und das soll die Belohnung seyn, daß sie mir diese süsse Freyheit gern vergeben.
Sie war nicht zornig bis zum Tode. Jch muß es nun im übrigen so gut machen als ich kann. Jhr Sieg über mich hat zwar meine Liebe nicht vermindert: allein ich dürste jetzt mehr als jemahls nach Rache, wie du es nennen wirst. Sieg ist sonst der eigentliche Nahme.
Es ist eine Freude, wenn man eine so wach- same Schöne besiegen kann. Aber bey meiner Seele, Belford, es kostet uns zwantzig mahl mehr Mühe, Schelmen zu seyn, als es uns kosten wür- de, tugendhaft zu werden. Jm Schweiß unseres Angesichts, und mit vielem Kopfbrechen müssen wir unser Vergnügen erndten; der Gefahr nicht zu gedencken, die wir dabey zu übernehmen haben. Und doch können uns neidische Sitten-Lehrer noch schelten, wenn wir unsern Zweck erreichen! Wie unbillig ist das? sonderlich da auf die Stillung unseres Hungers ein so frühzeitiger Eckel folget, daß wir beynahe nichts für unsere Arbeit genies- sen. Jedoch das kann man von allen irrdischen Ver- gnügungen sagen. Jst das nicht ein sehr ernsthafter Gedancke, der deinem Lovelace aussteiget?
Jch habe dir alles auf einmahl schreiben wol- len, was bis auf diesen Augenblick vorgegangen ist. Jch habe zwar meinen vornehmsten Endzweck
nicht
rem kleinen Eigenſinn ohne Belohnung unter- werfen will. ‒ ‒ (Jch ſchlug beyde Arme um ſie, und gab ihren widerſpenſtigen Wangen einen feu- rigen Kuß, der ihren Lippen zugedacht war.) ‒ ‒ ‒ und das ſoll die Belohnung ſeyn, daß ſie mir dieſe ſuͤſſe Freyheit gern vergeben.
Sie war nicht zornig bis zum Tode. Jch muß es nun im uͤbrigen ſo gut machen als ich kann. Jhr Sieg uͤber mich hat zwar meine Liebe nicht vermindert: allein ich duͤrſte jetzt mehr als jemahls nach Rache, wie du es nennen wirſt. Sieg iſt ſonſt der eigentliche Nahme.
Es iſt eine Freude, wenn man eine ſo wach- ſame Schoͤne beſiegen kann. Aber bey meiner Seele, Belford, es koſtet uns zwantzig mahl mehr Muͤhe, Schelmen zu ſeyn, als es uns koſten wuͤr- de, tugendhaft zu werden. Jm Schweiß unſeres Angeſichts, und mit vielem Kopfbrechen muͤſſen wir unſer Vergnuͤgen erndten; der Gefahr nicht zu gedencken, die wir dabey zu uͤbernehmen haben. Und doch koͤnnen uns neidiſche Sitten-Lehrer noch ſchelten, wenn wir unſern Zweck erreichen! Wie unbillig iſt das? ſonderlich da auf die Stillung unſeres Hungers ein ſo fruͤhzeitiger Eckel folget, daß wir beynahe nichts fuͤr unſere Arbeit genieſ- ſen. Jedoch das kann man von allen irrdiſchen Ver- gnuͤgungen ſagen. Jſt das nicht ein ſehr ernſthafter Gedancke, der deinem Lovelace auſſteiget?
Jch habe dir alles auf einmahl ſchreiben wol- len, was bis auf dieſen Augenblick vorgegangen iſt. Jch habe zwar meinen vornehmſten Endzweck
nicht
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rem kleinen Eigenſinn ohne Belohnung unter-
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rigen Kuß, der ihren Lippen zugedacht war.)
‒ ‒ ‒ und das ſoll die Belohnung ſeyn, daß ſie
mir dieſe ſuͤſſe Freyheit gern vergeben.
Sie war nicht zornig bis zum Tode. Jch
muß es nun im uͤbrigen ſo gut machen als ich kann.
Jhr Sieg uͤber mich hat zwar meine Liebe nicht
vermindert: allein ich duͤrſte jetzt mehr als jemahls
nach Rache, wie du es nennen wirſt. Sieg iſt
ſonſt der eigentliche Nahme.
Es iſt eine Freude, wenn man eine ſo wach-
ſame Schoͤne beſiegen kann. Aber bey meiner
Seele, Belford, es koſtet uns zwantzig mahl mehr
Muͤhe, Schelmen zu ſeyn, als es uns koſten wuͤr-
de, tugendhaft zu werden. Jm Schweiß unſeres
Angeſichts, und mit vielem Kopfbrechen muͤſſen
wir unſer Vergnuͤgen erndten; der Gefahr nicht zu
gedencken, die wir dabey zu uͤbernehmen haben.
Und doch koͤnnen uns neidiſche Sitten-Lehrer noch
ſchelten, wenn wir unſern Zweck erreichen! Wie
unbillig iſt das? ſonderlich da auf die Stillung
unſeres Hungers ein ſo fruͤhzeitiger Eckel folget,
daß wir beynahe nichts fuͤr unſere Arbeit genieſ-
ſen. Jedoch das kann man von allen irrdiſchen Ver-
gnuͤgungen ſagen. Jſt das nicht ein ſehr ernſthafter
Gedancke, der deinem Lovelace auſſteiget?
Jch habe dir alles auf einmahl ſchreiben wol-
len, was bis auf dieſen Augenblick vorgegangen iſt.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/370>, abgerufen am 22.07.2024.
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