gen, um die verschiedenen angenehmen Aussich- ten in Augenschein zu nehmen, daß sie mir ver- sprach, öfters mit mir auszufahren. Jch dencke, ich dencke, Fräulein Howe, deine gefährlichen Anschläge gerathen bey ihr in Vergessenheit.
Jn der gantzen Zeit, da wir wieder zu Hause sind, haben wir nichts gethan, als schreiben: ich soll aber ihre Gesellschaft noch eine Stunde lang geniessen, ehe sie sich zur Ruhe begiebt. Jch will suchen alle Zeichen einer recht ergebenen und folg- samen Liebe anzunehmen, damit sie morgen bey meiner bevorstehenden Kranckheit desto zärtlicher seyn möge. Bey dem Weggehen will ich klagen, daß mir der Magen nicht recht sey.
Wir haben uns einander gesprochen. Jch habe nichts als Liebe und untadelhafte Ehrerbie- tung blicken lassen: und sie war aufgeräumt und gefällig. Meine Unpäßlichkeit ging ihr nahe. Sie überfiel mich plötzlich: eben bey dem Weg- gehen. Es hatte aber nicht viel zu sagen: und ich hoffete morgen früh gantz wohl zu seyn.
Mich dünckt, ich bin schon kranck. Jst es möglich, daß ein so aufgeräumter Kopf, als ich bin, sich eine Kranckheit einbildet? Jch sollte mich besser zum Comödianten schicken, als ich es wün- sche. Eine jede Nerve und Ader ist immer be- reit, das ihrige zu einer jeden beschlossenen Schel- merey beyzutragen, es sey durch Kranckheit oder Gesundheit.
Dor-
Vierter Theil. X
gen, um die verſchiedenen angenehmen Ausſich- ten in Augenſchein zu nehmen, daß ſie mir ver- ſprach, oͤfters mit mir auszufahren. Jch dencke, ich dencke, Fraͤulein Howe, deine gefaͤhrlichen Anſchlaͤge gerathen bey ihr in Vergeſſenheit.
Jn der gantzen Zeit, da wir wieder zu Hauſe ſind, haben wir nichts gethan, als ſchreiben: ich ſoll aber ihre Geſellſchaft noch eine Stunde lang genieſſen, ehe ſie ſich zur Ruhe begiebt. Jch will ſuchen alle Zeichen einer recht ergebenen und folg- ſamen Liebe anzunehmen, damit ſie morgen bey meiner bevorſtehenden Kranckheit deſto zaͤrtlicher ſeyn moͤge. Bey dem Weggehen will ich klagen, daß mir der Magen nicht recht ſey.
Wir haben uns einander geſprochen. Jch habe nichts als Liebe und untadelhafte Ehrerbie- tung blicken laſſen: und ſie war aufgeraͤumt und gefaͤllig. Meine Unpaͤßlichkeit ging ihr nahe. Sie uͤberfiel mich ploͤtzlich: eben bey dem Weg- gehen. Es hatte aber nicht viel zu ſagen: und ich hoffete morgen fruͤh gantz wohl zu ſeyn.
Mich duͤnckt, ich bin ſchon kranck. Jſt es moͤglich, daß ein ſo aufgeraͤumter Kopf, als ich bin, ſich eine Kranckheit einbildet? Jch ſollte mich beſſer zum Comoͤdianten ſchicken, als ich es wuͤn- ſche. Eine jede Nerve und Ader iſt immer be- reit, das ihrige zu einer jeden beſchloſſenen Schel- merey beyzutragen, es ſey durch Kranckheit oder Geſundheit.
Dor-
Vierter Theil. X
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gen, um die verſchiedenen angenehmen Ausſich-
ten in Augenſchein zu nehmen, daß ſie mir ver-
ſprach, oͤfters mit mir auszufahren. Jch dencke,
ich dencke, Fraͤulein Howe, deine gefaͤhrlichen
Anſchlaͤge gerathen bey ihr in Vergeſſenheit.
Jn der gantzen Zeit, da wir wieder zu Hauſe
ſind, haben wir nichts gethan, als ſchreiben: ich
ſoll aber ihre Geſellſchaft noch eine Stunde lang
genieſſen, ehe ſie ſich zur Ruhe begiebt. Jch will
ſuchen alle Zeichen einer recht ergebenen und folg-
ſamen Liebe anzunehmen, damit ſie morgen bey
meiner bevorſtehenden Kranckheit deſto zaͤrtlicher
ſeyn moͤge. Bey dem Weggehen will ich klagen,
daß mir der Magen nicht recht ſey.
Wir haben uns einander geſprochen. Jch
habe nichts als Liebe und untadelhafte Ehrerbie-
tung blicken laſſen: und ſie war aufgeraͤumt und
gefaͤllig. Meine Unpaͤßlichkeit ging ihr nahe.
Sie uͤberfiel mich ploͤtzlich: eben bey dem Weg-
gehen. Es hatte aber nicht viel zu ſagen: und
ich hoffete morgen fruͤh gantz wohl zu ſeyn.
Mich duͤnckt, ich bin ſchon kranck. Jſt es
moͤglich, daß ein ſo aufgeraͤumter Kopf, als ich
bin, ſich eine Kranckheit einbildet? Jch ſollte mich
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ſche. Eine jede Nerve und Ader iſt immer be-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/327>, abgerufen am 22.07.2024.
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