Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



nem andern nachsteigen? So weit ist es noch
nicht gekommen. Du weißt, daß es immer
mein Grund-Satz gewesen ist: was ein ande-
rer einmahl gebraucht hat, das brauch ich
nie wider.
Für dich und deine Brüder ist es
eine Sache, daß ihr euch mit Huren behelst.
Jch habe mich immer bemühet den Ruhm der
ersten Erfindung zu erlangen. Vielleicht hältst du
mich deswegen für einen ärgern Teufel, weil ich
unschuldige Kinder zu verführen suche. Jch bin
nicht einerley Meinung mit dir. Jch werde mich
zum wenigsten nicht leicht eines Ehebruchs schul-
dig machen.

Ein Umgang, den ich zu Paris mit einer
verehlichten Frau gehabt habe, und davon du
noch nichts weißt, hat mein Gewissen verwundet.
Allein es geschahe nicht so wohl aus Bosheit, als
weil ich Gelegenheit hatte meinen Verstand zu
zeigen.

Ein französischer Marquis, der etwas bey
Jahren war und sich in Geschäften seines Hofes
zu Madrit aufhielt, hatte vor kurtzen eine al-
lerliebste junge Frau geheyrathet, über welche
seine Schwester die Vormundschaft führen mußte,
die ihr nicht allzu wohl begegnete. Jch sahe die-
ses Frauenzimmer in der Opera. Sie gefiel mir
gleich das erste mahl und noch besser das zweyte
mahl, da ich wußte, in was für Umständen sie
sich befand. Jch stellete mich, als suchte ich Um-
gang mit ihres Mannes Schwester, und bekam
hiedurch einen Zutritt zu beyden. Jch klagte so

viel



nem andern nachſteigen? So weit iſt es noch
nicht gekommen. Du weißt, daß es immer
mein Grund-Satz geweſen iſt: was ein ande-
rer einmahl gebraucht hat, das brauch ich
nie wider.
Fuͤr dich und deine Bruͤder iſt es
eine Sache, daß ihr euch mit Huren behelſt.
Jch habe mich immer bemuͤhet den Ruhm der
erſten Erfindung zu erlangen. Vielleicht haͤltſt du
mich deswegen fuͤr einen aͤrgern Teufel, weil ich
unſchuldige Kinder zu verfuͤhren ſuche. Jch bin
nicht einerley Meinung mit dir. Jch werde mich
zum wenigſten nicht leicht eines Ehebruchs ſchul-
dig machen.

Ein Umgang, den ich zu Paris mit einer
verehlichten Frau gehabt habe, und davon du
noch nichts weißt, hat mein Gewiſſen verwundet.
Allein es geſchahe nicht ſo wohl aus Bosheit, als
weil ich Gelegenheit hatte meinen Verſtand zu
zeigen.

Ein franzoͤſiſcher Marquis, der etwas bey
Jahren war und ſich in Geſchaͤften ſeines Hofes
zu Madrit aufhielt, hatte vor kurtzen eine al-
lerliebſte junge Frau geheyrathet, uͤber welche
ſeine Schweſter die Vormundſchaft fuͤhren mußte,
die ihr nicht allzu wohl begegnete. Jch ſahe die-
ſes Frauenzimmer in der Opera. Sie gefiel mir
gleich das erſte mahl und noch beſſer das zweyte
mahl, da ich wußte, in was fuͤr Umſtaͤnden ſie
ſich befand. Jch ſtellete mich, als ſuchte ich Um-
gang mit ihres Mannes Schweſter, und bekam
hiedurch einen Zutritt zu beyden. Jch klagte ſo

viel
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0323" n="317"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
nem andern nach&#x017F;teigen? So weit i&#x017F;t es noch<lb/>
nicht gekommen. Du weißt, daß es immer<lb/>
mein Grund-Satz gewe&#x017F;en i&#x017F;t: <hi rendition="#fr">was ein ande-<lb/>
rer einmahl gebraucht hat, das brauch ich<lb/>
nie wider.</hi> Fu&#x0364;r dich und deine Bru&#x0364;der i&#x017F;t es<lb/>
eine Sache, daß ihr euch mit Huren behel&#x017F;t.<lb/>
Jch habe mich immer bemu&#x0364;het den Ruhm der<lb/>
er&#x017F;ten Erfindung zu erlangen. Vielleicht ha&#x0364;lt&#x017F;t du<lb/>
mich deswegen fu&#x0364;r einen a&#x0364;rgern Teufel, weil ich<lb/>
un&#x017F;chuldige Kinder zu verfu&#x0364;hren &#x017F;uche. Jch bin<lb/>
nicht einerley Meinung mit dir. Jch werde mich<lb/>
zum wenig&#x017F;ten nicht leicht eines Ehebruchs &#x017F;chul-<lb/>
dig machen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Ein</hi> Umgang, den ich zu <hi rendition="#fr">Paris</hi> mit einer<lb/>
verehlichten Frau gehabt habe, und davon du<lb/>
noch nichts weißt, hat mein Gewi&#x017F;&#x017F;en verwundet.<lb/>
Allein es ge&#x017F;chahe nicht &#x017F;o wohl aus Bosheit, als<lb/>
weil ich Gelegenheit hatte meinen Ver&#x017F;tand zu<lb/>
zeigen.</p><lb/>
          <p>Ein franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;cher <hi rendition="#aq">Marquis,</hi> der etwas bey<lb/>
Jahren war und &#x017F;ich in Ge&#x017F;cha&#x0364;ften &#x017F;eines Hofes<lb/>
zu <hi rendition="#fr">Madrit</hi> aufhielt, hatte vor kurtzen eine al-<lb/>
lerlieb&#x017F;te junge Frau geheyrathet, u&#x0364;ber welche<lb/>
&#x017F;eine Schwe&#x017F;ter die Vormund&#x017F;chaft fu&#x0364;hren mußte,<lb/>
die ihr nicht allzu wohl begegnete. Jch &#x017F;ahe die-<lb/>
&#x017F;es Frauenzimmer in der Opera. Sie gefiel mir<lb/>
gleich das er&#x017F;te mahl und noch be&#x017F;&#x017F;er das zweyte<lb/>
mahl, da ich wußte, in was fu&#x0364;r Um&#x017F;ta&#x0364;nden &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich befand. Jch &#x017F;tellete mich, als &#x017F;uchte ich Um-<lb/>
gang mit ihres Mannes Schwe&#x017F;ter, und bekam<lb/>
hiedurch einen Zutritt zu beyden. Jch klagte &#x017F;o<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">viel</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[317/0323] nem andern nachſteigen? So weit iſt es noch nicht gekommen. Du weißt, daß es immer mein Grund-Satz geweſen iſt: was ein ande- rer einmahl gebraucht hat, das brauch ich nie wider. Fuͤr dich und deine Bruͤder iſt es eine Sache, daß ihr euch mit Huren behelſt. Jch habe mich immer bemuͤhet den Ruhm der erſten Erfindung zu erlangen. Vielleicht haͤltſt du mich deswegen fuͤr einen aͤrgern Teufel, weil ich unſchuldige Kinder zu verfuͤhren ſuche. Jch bin nicht einerley Meinung mit dir. Jch werde mich zum wenigſten nicht leicht eines Ehebruchs ſchul- dig machen. Ein Umgang, den ich zu Paris mit einer verehlichten Frau gehabt habe, und davon du noch nichts weißt, hat mein Gewiſſen verwundet. Allein es geſchahe nicht ſo wohl aus Bosheit, als weil ich Gelegenheit hatte meinen Verſtand zu zeigen. Ein franzoͤſiſcher Marquis, der etwas bey Jahren war und ſich in Geſchaͤften ſeines Hofes zu Madrit aufhielt, hatte vor kurtzen eine al- lerliebſte junge Frau geheyrathet, uͤber welche ſeine Schweſter die Vormundſchaft fuͤhren mußte, die ihr nicht allzu wohl begegnete. Jch ſahe die- ſes Frauenzimmer in der Opera. Sie gefiel mir gleich das erſte mahl und noch beſſer das zweyte mahl, da ich wußte, in was fuͤr Umſtaͤnden ſie ſich befand. Jch ſtellete mich, als ſuchte ich Um- gang mit ihres Mannes Schweſter, und bekam hiedurch einen Zutritt zu beyden. Jch klagte ſo viel

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/323
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/323>, abgerufen am 24.11.2024.