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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.

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Und wenn ich wieder komme, so werde ich darauf
acht geben, ob sie mich zärtlich empfänget. Doch das
ist nur das wenigste: ich habe eine Ahndung, daß in
meiner Abwesenheit etwas vorgehen wird, darüber
mein Kind in eine große Gemüths-Bewegung gesetzt
werden könnte. Doch hievon mehr zu seiner Zeit.

Leugnest du, Belford, oder gestehest du mir
ein, daß es recht sey mich kranck zu machen? Jch
finde so viel Vergnügen an meinen Erfindungen,
daß ich fast betrübt darüber bin, wenn ich beden-
cke, daß die Veranlassung dazu aufhören wird.
Denn in meinem Leben werde ich keine so gute
Gelegenheit wieder haben meinen Kopf zu üben.

Die verfluchten Mädchens in unserem Hause
sind so unverschämt, und rücken mir so viel vor,
daß ich nichts thun kann, als auf sie fluchen.
Bald wollen sie mir mit einem veralteten Haus-
Mittel aushelfen. Jnsonderheit hat mir die
Sara, die sich ungemein klug düncket, jetzt eben
auf eine recht dreiste Weise gesagt, da ich ihre
Mittel nicht billigte: ich hätte keine Lust zu über-
winden, und ich wäre so falsch, daß ich heimlich
den Vorsatz hätte die Fräulein zu heyrathen, und
es nur nicht gestehen wollte.

Weil die kleine Furie ihr erstes Opfer auf
meinem Altar gebracht hat, so hält sie sich berech-
tiget, sich allerley Freyheiten gegen mich heraus
zu nehmen. Sie ist desto unbändiger, weil
ich (wie sie sagt) recht mit Fleiß ihre Liebe
bisher verschmähet habe. Jst es nicht unver-
schämt, daß das Mädchen denkt, ich wollte ei-

nem



Und wenn ich wieder komme, ſo werde ich darauf
acht geben, ob ſie mich zaͤrtlich empfaͤnget. Doch das
iſt nur das wenigſte: ich habe eine Ahndung, daß in
meiner Abweſenheit etwas vorgehen wird, daruͤber
mein Kind in eine große Gemuͤths-Bewegung geſetzt
werden koͤnnte. Doch hievon mehr zu ſeiner Zeit.

Leugneſt du, Belford, oder geſteheſt du mir
ein, daß es recht ſey mich kranck zu machen? Jch
finde ſo viel Vergnuͤgen an meinen Erfindungen,
daß ich faſt betruͤbt daruͤber bin, wenn ich beden-
cke, daß die Veranlaſſung dazu aufhoͤren wird.
Denn in meinem Leben werde ich keine ſo gute
Gelegenheit wieder haben meinen Kopf zu uͤben.

Die verfluchten Maͤdchens in unſerem Hauſe
ſind ſo unverſchaͤmt, und ruͤcken mir ſo viel vor,
daß ich nichts thun kann, als auf ſie fluchen.
Bald wollen ſie mir mit einem veralteten Haus-
Mittel aushelfen. Jnſonderheit hat mir die
Sara, die ſich ungemein klug duͤncket, jetzt eben
auf eine recht dreiſte Weiſe geſagt, da ich ihre
Mittel nicht billigte: ich haͤtte keine Luſt zu uͤber-
winden, und ich waͤre ſo falſch, daß ich heimlich
den Vorſatz haͤtte die Fraͤulein zu heyrathen, und
es nur nicht geſtehen wollte.

Weil die kleine Furie ihr erſtes Opfer auf
meinem Altar gebracht hat, ſo haͤlt ſie ſich berech-
tiget, ſich allerley Freyheiten gegen mich heraus
zu nehmen. Sie iſt deſto unbaͤndiger, weil
ich (wie ſie ſagt) recht mit Fleiß ihre Liebe
bisher verſchmaͤhet habe. Jſt es nicht unver-
ſchaͤmt, daß das Maͤdchen denkt, ich wollte ei-

nem
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[316/0322] Und wenn ich wieder komme, ſo werde ich darauf acht geben, ob ſie mich zaͤrtlich empfaͤnget. Doch das iſt nur das wenigſte: ich habe eine Ahndung, daß in meiner Abweſenheit etwas vorgehen wird, daruͤber mein Kind in eine große Gemuͤths-Bewegung geſetzt werden koͤnnte. Doch hievon mehr zu ſeiner Zeit. Leugneſt du, Belford, oder geſteheſt du mir ein, daß es recht ſey mich kranck zu machen? Jch finde ſo viel Vergnuͤgen an meinen Erfindungen, daß ich faſt betruͤbt daruͤber bin, wenn ich beden- cke, daß die Veranlaſſung dazu aufhoͤren wird. Denn in meinem Leben werde ich keine ſo gute Gelegenheit wieder haben meinen Kopf zu uͤben. Die verfluchten Maͤdchens in unſerem Hauſe ſind ſo unverſchaͤmt, und ruͤcken mir ſo viel vor, daß ich nichts thun kann, als auf ſie fluchen. Bald wollen ſie mir mit einem veralteten Haus- Mittel aushelfen. Jnſonderheit hat mir die Sara, die ſich ungemein klug duͤncket, jetzt eben auf eine recht dreiſte Weiſe geſagt, da ich ihre Mittel nicht billigte: ich haͤtte keine Luſt zu uͤber- winden, und ich waͤre ſo falſch, daß ich heimlich den Vorſatz haͤtte die Fraͤulein zu heyrathen, und es nur nicht geſtehen wollte. Weil die kleine Furie ihr erſtes Opfer auf meinem Altar gebracht hat, ſo haͤlt ſie ſich berech- tiget, ſich allerley Freyheiten gegen mich heraus zu nehmen. Sie iſt deſto unbaͤndiger, weil ich (wie ſie ſagt) recht mit Fleiß ihre Liebe bisher verſchmaͤhet habe. Jſt es nicht unver- ſchaͤmt, daß das Maͤdchen denkt, ich wollte ei- nem

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/322>, abgerufen am 24.11.2024.