Dem allen sey wie ihm wolle. Der Lord M. hat nie einen so höflichen Brief erhalten, von sei- nem VetterLovelace.
Nachdem die Fräulein in ihrem Schreiben eben diese Umstände gemeldet hat, drücket sie sich also aus:
"Es ist ein großer Trost für mich, daß ich, die "ich alle meine Freunde, (eine eintzige Freundin "ausgenommen) verlohren habe, so viel neue Freun- "de bekommen, als Herr Lovelace Anverwandten "hat, wenn ich ihre Freundschaft nur nicht selbst "verschertze: und zwar dieses sowohl wenn Herr "Lovelace mir gut, als wenn er mir übel be- "gegnet. Vielleicht wird der Nahme und der "Rang dieser neuen Freunde mir die verschertzte "Liebe meiner Anverwandten wieder zuwege brin- "gen. Ehe dieses nicht geschiehet, werde ich nie- "mahls auch nur mittelmäßig ruhig seyn: ver- "gnügt aber kann ich in meinem Leben nicht wie- "der werden. Herr Lovelaces Gemüth ist von "dem meinigen gar zu sehr und in gar zu wichti- "gen Stücken verschieden. Bey denen Umstän- "den, in denen wir uns jetzt befinden, muß ich sie "bitten alles bey sich zu behalten, was ich Jhnen "Nachtheiliges von ihm entdecke. Nichts ist we- "niger zu vergeben, als wenn eine Frau ihren "Mann beschimpfet: und es wird doch mein Schick- "sal vermuthlich seyn, daß ich die Seinige werde. "Wenn sie etwas zu seinem Nachtheil saget, so "wird es eben so angesehen, als sagte sie es selbst.
Es
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Dem allen ſey wie ihm wolle. Der Lord M. hat nie einen ſo hoͤflichen Brief erhalten, von ſei- nem VetterLovelace.
Nachdem die Fraͤulein in ihrem Schreiben eben dieſe Umſtaͤnde gemeldet hat, druͤcket ſie ſich alſo aus:
„Es iſt ein großer Troſt fuͤr mich, daß ich, die „ich alle meine Freunde, (eine eintzige Freundin „ausgenommen) verlohren habe, ſo viel neue Freun- „de bekommen, als Herr Lovelace Anverwandten „hat, wenn ich ihre Freundſchaft nur nicht ſelbſt „verſchertze: und zwar dieſes ſowohl wenn Herr „Lovelace mir gut, als wenn er mir uͤbel be- „gegnet. Vielleicht wird der Nahme und der „Rang dieſer neuen Freunde mir die verſchertzte „Liebe meiner Anverwandten wieder zuwege brin- „gen. Ehe dieſes nicht geſchiehet, werde ich nie- „mahls auch nur mittelmaͤßig ruhig ſeyn: ver- „gnuͤgt aber kann ich in meinem Leben nicht wie- „der werden. Herr Lovelaces Gemuͤth iſt von „dem meinigen gar zu ſehr und in gar zu wichti- „gen Stuͤcken verſchieden. Bey denen Umſtaͤn- „den, in denen wir uns jetzt befinden, muß ich ſie „bitten alles bey ſich zu behalten, was ich Jhnen „Nachtheiliges von ihm entdecke. Nichts iſt we- „niger zu vergeben, als wenn eine Frau ihren „Mann beſchimpfet: und es wird doch mein Schick- „ſal vermuthlich ſeyn, daß ich die Seinige werde. „Wenn ſie etwas zu ſeinem Nachtheil ſaget, ſo „wird es eben ſo angeſehen, als ſagte ſie es ſelbſt.
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Dem allen ſey wie ihm wolle. Der Lord M.
hat nie einen ſo hoͤflichen Brief erhalten, von ſei-
nem VetterLovelace.
Nachdem die Fraͤulein in ihrem Schreiben
eben dieſe Umſtaͤnde gemeldet hat, druͤcket ſie ſich
alſo aus:
„Es iſt ein großer Troſt fuͤr mich, daß ich, die
„ich alle meine Freunde, (eine eintzige Freundin
„ausgenommen) verlohren habe, ſo viel neue Freun-
„de bekommen, als Herr Lovelace Anverwandten
„hat, wenn ich ihre Freundſchaft nur nicht ſelbſt
„verſchertze: und zwar dieſes ſowohl wenn Herr
„Lovelace mir gut, als wenn er mir uͤbel be-
„gegnet. Vielleicht wird der Nahme und der
„Rang dieſer neuen Freunde mir die verſchertzte
„Liebe meiner Anverwandten wieder zuwege brin-
„gen. Ehe dieſes nicht geſchiehet, werde ich nie-
„mahls auch nur mittelmaͤßig ruhig ſeyn: ver-
„gnuͤgt aber kann ich in meinem Leben nicht wie-
„der werden. Herr Lovelaces Gemuͤth iſt von
„dem meinigen gar zu ſehr und in gar zu wichti-
„gen Stuͤcken verſchieden. Bey denen Umſtaͤn-
„den, in denen wir uns jetzt befinden, muß ich ſie
„bitten alles bey ſich zu behalten, was ich Jhnen
„Nachtheiliges von ihm entdecke. Nichts iſt we-
„niger zu vergeben, als wenn eine Frau ihren
„Mann beſchimpfet: und es wird doch mein Schick-
„ſal vermuthlich ſeyn, daß ich die Seinige werde.
„Wenn ſie etwas zu ſeinem Nachtheil ſaget, ſo
„wird es eben ſo angeſehen, als ſagte ſie es ſelbſt.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/315>, abgerufen am 23.11.2024.
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