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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.

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auch wegen der Kleidung und Juwelen erkläret.
Sie hätte aber das Papier zerrissen, da ich ihr am
Sonntage so übel begegnet wäre, ohne daß sie es
im geringsten verschuldet hätte. Jch bat sie in-
ständig, mich die Antwort, so zerrissen wie sie wä-
re, lesen zu lassen. Sie bedachte sich: endlich gieng
sie weg, und schickte sie mir durch Dorcas zu.
Jch las sie von neuen: und ob ich sie gleich vor
so kurtzer Zeit schon gelesen hatte, so schien sie mir
doch fast neu. Bey meiner Seelen, ich konnte
mich kaum halten. Jch rief hundertmahl in mei-
nem Hertzen aus: unvergleichliches Kind! Jch
befehle dir aber, kein Wort zu schreiben, das eine
Vorsprache für sie heissen kann, wenn du ihr an-
ders wohl willst. Wenn ich ihrer schone, so muß es
blos aus eigener Bewegung geschehen.

Du kannst leicht dencken, daß ich von Lobes-
Erhebungen, von Danckbarkeit, und von unauf-
hörlicher Liebe überfloß, als ich abermahls vor sie
gelassen ward. Aber da steckt der Teufel hinter:
alles, was ich sage, hört sie an und bleibt dennoch
fremde: oder, wenn ich nicht glauben soll, daß sie
sich zwinget fremde zu seyn, so hört sie es an, und
hält es für meine Schuldigkeit es zu sagen; denn
sie wird gar nicht dadurch gerühret. Einige Frau-
ensleute kann man durch Lob und Schmeicheley
betriegen. Jch selbst mag mich gern loben hören.
Vielleicht wirst du sagen, daß sich diejenigen am
meisten auf das Lob einbilden, die es am wenig-
sten verdienen; so wie die am begierigsten nach
Reichthum und Ehre sind, die zu Armuth und Nie-

drig-



auch wegen der Kleidung und Juwelen erklaͤret.
Sie haͤtte aber das Papier zerriſſen, da ich ihr am
Sonntage ſo uͤbel begegnet waͤre, ohne daß ſie es
im geringſten verſchuldet haͤtte. Jch bat ſie in-
ſtaͤndig, mich die Antwort, ſo zerriſſen wie ſie waͤ-
re, leſen zu laſſen. Sie bedachte ſich: endlich gieng
ſie weg, und ſchickte ſie mir durch Dorcas zu.
Jch las ſie von neuen: und ob ich ſie gleich vor
ſo kurtzer Zeit ſchon geleſen hatte, ſo ſchien ſie mir
doch faſt neu. Bey meiner Seelen, ich konnte
mich kaum halten. Jch rief hundertmahl in mei-
nem Hertzen aus: unvergleichliches Kind! Jch
befehle dir aber, kein Wort zu ſchreiben, das eine
Vorſprache fuͤr ſie heiſſen kann, wenn du ihr an-
ders wohl willſt. Wenn ich ihrer ſchone, ſo muß es
blos aus eigener Bewegung geſchehen.

Du kannſt leicht dencken, daß ich von Lobes-
Erhebungen, von Danckbarkeit, und von unauf-
hoͤrlicher Liebe uͤberfloß, als ich abermahls vor ſie
gelaſſen ward. Aber da ſteckt der Teufel hinter:
alles, was ich ſage, hoͤrt ſie an und bleibt dennoch
fremde: oder, wenn ich nicht glauben ſoll, daß ſie
ſich zwinget fremde zu ſeyn, ſo hoͤrt ſie es an, und
haͤlt es fuͤr meine Schuldigkeit es zu ſagen; denn
ſie wird gar nicht dadurch geruͤhret. Einige Frau-
ensleute kann man durch Lob und Schmeicheley
betriegen. Jch ſelbſt mag mich gern loben hoͤren.
Vielleicht wirſt du ſagen, daß ſich diejenigen am
meiſten auf das Lob einbilden, die es am wenig-
ſten verdienen; ſo wie die am begierigſten nach
Reichthum und Ehre ſind, die zu Armuth und Nie-

drig-
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[301/0307] auch wegen der Kleidung und Juwelen erklaͤret. Sie haͤtte aber das Papier zerriſſen, da ich ihr am Sonntage ſo uͤbel begegnet waͤre, ohne daß ſie es im geringſten verſchuldet haͤtte. Jch bat ſie in- ſtaͤndig, mich die Antwort, ſo zerriſſen wie ſie waͤ- re, leſen zu laſſen. Sie bedachte ſich: endlich gieng ſie weg, und ſchickte ſie mir durch Dorcas zu. Jch las ſie von neuen: und ob ich ſie gleich vor ſo kurtzer Zeit ſchon geleſen hatte, ſo ſchien ſie mir doch faſt neu. Bey meiner Seelen, ich konnte mich kaum halten. Jch rief hundertmahl in mei- nem Hertzen aus: unvergleichliches Kind! Jch befehle dir aber, kein Wort zu ſchreiben, das eine Vorſprache fuͤr ſie heiſſen kann, wenn du ihr an- ders wohl willſt. Wenn ich ihrer ſchone, ſo muß es blos aus eigener Bewegung geſchehen. Du kannſt leicht dencken, daß ich von Lobes- Erhebungen, von Danckbarkeit, und von unauf- hoͤrlicher Liebe uͤberfloß, als ich abermahls vor ſie gelaſſen ward. Aber da ſteckt der Teufel hinter: alles, was ich ſage, hoͤrt ſie an und bleibt dennoch fremde: oder, wenn ich nicht glauben ſoll, daß ſie ſich zwinget fremde zu ſeyn, ſo hoͤrt ſie es an, und haͤlt es fuͤr meine Schuldigkeit es zu ſagen; denn ſie wird gar nicht dadurch geruͤhret. Einige Frau- ensleute kann man durch Lob und Schmeicheley betriegen. Jch ſelbſt mag mich gern loben hoͤren. Vielleicht wirſt du ſagen, daß ſich diejenigen am meiſten auf das Lob einbilden, die es am wenig- ſten verdienen; ſo wie die am begierigſten nach Reichthum und Ehre ſind, die zu Armuth und Nie- drig-

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/307>, abgerufen am 27.11.2024.