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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.

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sie mir etwas Löbliches, das ich ihr von ihnen hätte
berichten können, darin sie sich gerecht, oder billig
aufgeführt haben, so will ich ihre Antwort aufsu-
chen, und ich will darauf wetten, daß sie ihnen gün-
stig seyn wird.

Verflucht ungnädig! Und wie unhöflich, daß sie
einen bescheidenen Mann zwinget, seinen eigenen
Tugenden nachzuspüren.

Sie wollte zur Stube hinaus: ich will ausge-
hen, Herr Lovelace. Jch will mich nicht halten
lassen.

Jn der Unruhe müssen sie nicht ausgehen: ich
lasse sie nicht weggehen.

Jch stellete mich zwischen sie und die Thür. Sie
warf sich auf einen Stuhl hin, und wehete ihr Ge-
sichte, das von artiger Bosheit mit Zinnober ge-
färbet ward.

Jch warf mich ihr zu Füßen. Weg Lovela-
ce! sagte sie, mit dem Fechtel in der Hand, und
mit einer verschmähenden Bewegung. Um ihrer
selbst willen lassen sie mich allein. Meine Seele
ist über deine, Kerl! (Sie stieß mich mit beyden
Händen weg.) Zwinge mich nicht, dir zu sagen,
wie sehr ich glaube, daß du keine solche Seele hast,
als ich: dein Hertz ist allzu hochmüthig, als daß
man sich einlassen könnte, etwas mit dir auszu-
fechten. Laß mich, verlaß mich auf ewig. Dein Hertz
ist zu stoltz; ich kann mit dir nicht auskommen.

Stimme, Gebärde, und Art, damit sie diese un-
erträglichen Worte vorbrachte, hatten etwas bezau-
bernd Edles an sich.

Jch
P 4



ſie mir etwas Loͤbliches, das ich ihr von ihnen haͤtte
berichten koͤnnen, darin ſie ſich gerecht, oder billig
aufgefuͤhrt haben, ſo will ich ihre Antwort aufſu-
chen, und ich will darauf wetten, daß ſie ihnen guͤn-
ſtig ſeyn wird.

Verflucht ungnaͤdig! Und wie unhoͤflich, daß ſie
einen beſcheidenen Mann zwinget, ſeinen eigenen
Tugenden nachzuſpuͤren.

Sie wollte zur Stube hinaus: ich will ausge-
hen, Herr Lovelace. Jch will mich nicht halten
laſſen.

Jn der Unruhe muͤſſen ſie nicht ausgehen: ich
laſſe ſie nicht weggehen.

Jch ſtellete mich zwiſchen ſie und die Thuͤr. Sie
warf ſich auf einen Stuhl hin, und wehete ihr Ge-
ſichte, das von artiger Bosheit mit Zinnober ge-
faͤrbet ward.

Jch warf mich ihr zu Fuͤßen. Weg Lovela-
ce! ſagte ſie, mit dem Fechtel in der Hand, und
mit einer verſchmaͤhenden Bewegung. Um ihrer
ſelbſt willen laſſen ſie mich allein. Meine Seele
iſt uͤber deine, Kerl! (Sie ſtieß mich mit beyden
Haͤnden weg.) Zwinge mich nicht, dir zu ſagen,
wie ſehr ich glaube, daß du keine ſolche Seele haſt,
als ich: dein Hertz iſt allzu hochmuͤthig, als daß
man ſich einlaſſen koͤnnte, etwas mit dir auszu-
fechten. Laß mich, verlaß mich auf ewig. Dein Hertz
iſt zu ſtoltz; ich kann mit dir nicht auskommen.

Stimme, Gebaͤrde, und Art, damit ſie dieſe un-
ertraͤglichen Worte vorbrachte, hatten etwas bezau-
bernd Edles an ſich.

Jch
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[231/0237] ſie mir etwas Loͤbliches, das ich ihr von ihnen haͤtte berichten koͤnnen, darin ſie ſich gerecht, oder billig aufgefuͤhrt haben, ſo will ich ihre Antwort aufſu- chen, und ich will darauf wetten, daß ſie ihnen guͤn- ſtig ſeyn wird. Verflucht ungnaͤdig! Und wie unhoͤflich, daß ſie einen beſcheidenen Mann zwinget, ſeinen eigenen Tugenden nachzuſpuͤren. Sie wollte zur Stube hinaus: ich will ausge- hen, Herr Lovelace. Jch will mich nicht halten laſſen. Jn der Unruhe muͤſſen ſie nicht ausgehen: ich laſſe ſie nicht weggehen. Jch ſtellete mich zwiſchen ſie und die Thuͤr. Sie warf ſich auf einen Stuhl hin, und wehete ihr Ge- ſichte, das von artiger Bosheit mit Zinnober ge- faͤrbet ward. Jch warf mich ihr zu Fuͤßen. Weg Lovela- ce! ſagte ſie, mit dem Fechtel in der Hand, und mit einer verſchmaͤhenden Bewegung. Um ihrer ſelbſt willen laſſen ſie mich allein. Meine Seele iſt uͤber deine, Kerl! (Sie ſtieß mich mit beyden Haͤnden weg.) Zwinge mich nicht, dir zu ſagen, wie ſehr ich glaube, daß du keine ſolche Seele haſt, als ich: dein Hertz iſt allzu hochmuͤthig, als daß man ſich einlaſſen koͤnnte, etwas mit dir auszu- fechten. Laß mich, verlaß mich auf ewig. Dein Hertz iſt zu ſtoltz; ich kann mit dir nicht auskommen. Stimme, Gebaͤrde, und Art, damit ſie dieſe un- ertraͤglichen Worte vorbrachte, hatten etwas bezau- bernd Edles an ſich. Jch P 4

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/237>, abgerufen am 24.11.2024.