Weil ich schon so sehr angehetzt, und mit ei- ner bösen Entschließung hinauf gegangen war, so brauchte es weiter nichts, als ein Wort, mich noch böser zu machen. Es ist wahr, der Teufel schlich sich aus meinem Hertzen heraus, so bald ich mei- nen Engel sahe: allein er hatte die Thür offen gelassen, um wieder hinein zu kommen, und war kaum einen Schritt von mir gegangen.
Jch sehe, Herr Lovelace, sie sind in keinem guten Sinne zu mir gekommen. Allein ich bitte sie, seyn sie nicht so heftig. Jch habe ihnen nichts zu Leide gethan. Seyn sie nicht heftig.
Das liebe Kind! Jch fassete es zwischen bey- de Arme, und schlug meine Hände in einander. Sie haben mir nichts zu Leide gethan? Sehr viel haben sie mir zu Leide gethan. Wo- durch habe ich es verdient, daß sie so fremde ge- gen mich thun? - - Jch wußte selbst nicht, was ich sagen sollte.
Sie suchte sich loszureissen. Jch bitte sie, Herr Lovelace, lassen sie mich weggehen. Jch weiß nicht, warum das alles geschiehet. Jch bin mir gar nichts bewußt, dadurch ich sie beleidiget hät- te. Jch sehe, sie sind blos deswegen gekommen, daß sie sich mit mir zancken wollen. Wenn sie mir nicht durch ihren Unwillen eine Furcht einjagen wollen, so vergönnen sie mir wegzugehen. Jch will auf ein anderes mahl alles anhören, was sie zu sagen haben. Es soll morgen früh geschehen, wie ich ihnen schon versprochen habe. Allein ich fürchte mich in der That vor ihnen. Wenn sie
noch
Weil ich ſchon ſo ſehr angehetzt, und mit ei- ner boͤſen Entſchließung hinauf gegangen war, ſo brauchte es weiter nichts, als ein Wort, mich noch boͤſer zu machen. Es iſt wahr, der Teufel ſchlich ſich aus meinem Hertzen heraus, ſo bald ich mei- nen Engel ſahe: allein er hatte die Thuͤr offen gelaſſen, um wieder hinein zu kommen, und war kaum einen Schritt von mir gegangen.
Jch ſehe, Herr Lovelace, ſie ſind in keinem guten Sinne zu mir gekommen. Allein ich bitte ſie, ſeyn ſie nicht ſo heftig. Jch habe ihnen nichts zu Leide gethan. Seyn ſie nicht heftig.
Das liebe Kind! Jch faſſete es zwiſchen bey- de Arme, und ſchlug meine Haͤnde in einander. Sie haben mir nichts zu Leide gethan? Sehr viel haben ſie mir zu Leide gethan. Wo- durch habe ich es verdient, daß ſie ſo fremde ge- gen mich thun? ‒ ‒ Jch wußte ſelbſt nicht, was ich ſagen ſollte.
Sie ſuchte ſich loszureiſſen. Jch bitte ſie, Herr Lovelace, laſſen ſie mich weggehen. Jch weiß nicht, warum das alles geſchiehet. Jch bin mir gar nichts bewußt, dadurch ich ſie beleidiget haͤt- te. Jch ſehe, ſie ſind blos deswegen gekommen, daß ſie ſich mit mir zancken wollen. Wenn ſie mir nicht durch ihren Unwillen eine Furcht einjagen wollen, ſo vergoͤnnen ſie mir wegzugehen. Jch will auf ein anderes mahl alles anhoͤren, was ſie zu ſagen haben. Es ſoll morgen fruͤh geſchehen, wie ich ihnen ſchon verſprochen habe. Allein ich fuͤrchte mich in der That vor ihnen. Wenn ſie
noch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0227"n="221"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Weil ich ſchon ſo ſehr angehetzt, und mit ei-<lb/>
ner boͤſen Entſchließung hinauf gegangen war, ſo<lb/>
brauchte es weiter nichts, als ein Wort, mich noch<lb/>
boͤſer zu machen. Es iſt wahr, der Teufel ſchlich<lb/>ſich aus meinem Hertzen heraus, ſo bald ich mei-<lb/>
nen Engel ſahe: allein er hatte die Thuͤr offen<lb/>
gelaſſen, um wieder hinein zu kommen, und war<lb/>
kaum einen Schritt von mir gegangen.</p><lb/><p>Jch ſehe, Herr <hirendition="#fr">Lovelace,</hi>ſie ſind in keinem<lb/>
guten Sinne zu mir gekommen. Allein ich bitte<lb/>ſie, ſeyn ſie nicht ſo heftig. Jch habe ihnen nichts<lb/>
zu Leide gethan. Seyn ſie nicht heftig.</p><lb/><p>Das liebe Kind! Jch faſſete es zwiſchen bey-<lb/>
de Arme, und ſchlug meine Haͤnde in einander.<lb/><hirendition="#fr">Sie haben mir nichts zu Leide gethan?</hi><lb/>
Sehr viel haben ſie mir zu Leide gethan. Wo-<lb/>
durch habe ich es verdient, daß ſie ſo fremde ge-<lb/>
gen mich thun? ‒‒ Jch wußte ſelbſt nicht,<lb/>
was ich ſagen ſollte.</p><lb/><p>Sie ſuchte ſich loszureiſſen. Jch bitte ſie,<lb/>
Herr <hirendition="#fr">Lovelace,</hi> laſſen ſie mich weggehen. Jch<lb/>
weiß nicht, warum das alles geſchiehet. Jch bin<lb/>
mir gar nichts bewußt, dadurch ich ſie beleidiget haͤt-<lb/>
te. Jch ſehe, ſie ſind blos deswegen gekommen,<lb/>
daß ſie ſich mit mir zancken wollen. Wenn ſie mir<lb/>
nicht durch ihren Unwillen eine Furcht einjagen<lb/>
wollen, ſo vergoͤnnen ſie mir wegzugehen. Jch<lb/>
will auf ein anderes mahl alles anhoͤren, was ſie<lb/>
zu ſagen haben. Es ſoll morgen fruͤh geſchehen,<lb/>
wie ich ihnen ſchon verſprochen habe. Allein ich<lb/>
fuͤrchte mich in der That vor ihnen. Wenn ſie<lb/><fwplace="bottom"type="catch">noch</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[221/0227]
Weil ich ſchon ſo ſehr angehetzt, und mit ei-
ner boͤſen Entſchließung hinauf gegangen war, ſo
brauchte es weiter nichts, als ein Wort, mich noch
boͤſer zu machen. Es iſt wahr, der Teufel ſchlich
ſich aus meinem Hertzen heraus, ſo bald ich mei-
nen Engel ſahe: allein er hatte die Thuͤr offen
gelaſſen, um wieder hinein zu kommen, und war
kaum einen Schritt von mir gegangen.
Jch ſehe, Herr Lovelace, ſie ſind in keinem
guten Sinne zu mir gekommen. Allein ich bitte
ſie, ſeyn ſie nicht ſo heftig. Jch habe ihnen nichts
zu Leide gethan. Seyn ſie nicht heftig.
Das liebe Kind! Jch faſſete es zwiſchen bey-
de Arme, und ſchlug meine Haͤnde in einander.
Sie haben mir nichts zu Leide gethan?
Sehr viel haben ſie mir zu Leide gethan. Wo-
durch habe ich es verdient, daß ſie ſo fremde ge-
gen mich thun? ‒ ‒ Jch wußte ſelbſt nicht,
was ich ſagen ſollte.
Sie ſuchte ſich loszureiſſen. Jch bitte ſie,
Herr Lovelace, laſſen ſie mich weggehen. Jch
weiß nicht, warum das alles geſchiehet. Jch bin
mir gar nichts bewußt, dadurch ich ſie beleidiget haͤt-
te. Jch ſehe, ſie ſind blos deswegen gekommen,
daß ſie ſich mit mir zancken wollen. Wenn ſie mir
nicht durch ihren Unwillen eine Furcht einjagen
wollen, ſo vergoͤnnen ſie mir wegzugehen. Jch
will auf ein anderes mahl alles anhoͤren, was ſie
zu ſagen haben. Es ſoll morgen fruͤh geſchehen,
wie ich ihnen ſchon verſprochen habe. Allein ich
fuͤrchte mich in der That vor ihnen. Wenn ſie
noch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/227>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.