Der zweyte Brief von Herrn Lovelacen an Herrn Joh. Belford.
Dienstags den 9 May.
Bin ich nicht ein unglücklicher Kerl! man rühmt dieses Frauenzimmer, daß es das gütigste Hertz von der Welt haben soll, und ich glaubte es ehemahls selbst: allein gegen mich hat sie das aller- härteste Hertz. Niemand hat mich für verdrießlich im Umgange ausgegeben. Wie ist es möglich: ich glaubte wir wären dazu gebohren einander glücklich zu machen, allein ich habe mich geirret: es scheint, daß wir einander nur plagen sollen. Jch habe vor, eine Comödie zu schreiben: der Titul ist schon fer- tig, und der ist wie du weißt das halbe Buch: die zanckenden Verliebten. Die Erfindung ist gut; es ist etwas neues und unerwartetes in dem Titul: indessen ist es doch wahr, daß die Liebe gern zancket. Der alte Terentius hat das schon bemerckt, daß wenn Liebhaber sich einmahl zancken, und sich wie- der vertragen, die versöhnte Liebe am hitzigsten ist. Dieß ist gantz natürlich. Allein wir zerfallen so oft mit einander, ohne uns ein eintziges mahl zu ver- söhnen, und ehe der erste Zanck geendiget ist, gehet so oft der zweite schon wieder an, daß ich das En- de unserer Liebe ohnmöglich absehen kann. Allein Schakespeare sagt:
Es komme, was da will, Geduld und Zeit kann sich durch rauhe Tage schleichen.
Das
Der zweyte Brief von Herrn Lovelacen an Herrn Joh. Belford.
Dienſtags den 9 May.
Bin ich nicht ein ungluͤcklicher Kerl! man ruͤhmt dieſes Frauenzimmer, daß es das guͤtigſte Hertz von der Welt haben ſoll, und ich glaubte es ehemahls ſelbſt: allein gegen mich hat ſie das aller- haͤrteſte Hertz. Niemand hat mich fuͤr verdrießlich im Umgange ausgegeben. Wie iſt es moͤglich: ich glaubte wir waͤren dazu gebohren einander gluͤcklich zu machen, allein ich habe mich geirret: es ſcheint, daß wir einander nur plagen ſollen. Jch habe vor, eine Comoͤdie zu ſchreiben: der Titul iſt ſchon fer- tig, und der iſt wie du weißt das halbe Buch: die zanckenden Verliebten. Die Erfindung iſt gut; es iſt etwas neues und unerwartetes in dem Titul: indeſſen iſt es doch wahr, daß die Liebe gern zancket. Der alte Terentius hat das ſchon bemerckt, daß wenn Liebhaber ſich einmahl zancken, und ſich wie- der vertragen, die verſoͤhnte Liebe am hitzigſten iſt. Dieß iſt gantz natuͤrlich. Allein wir zerfallen ſo oft mit einander, ohne uns ein eintziges mahl zu ver- ſoͤhnen, und ehe der erſte Zanck geendiget iſt, gehet ſo oft der zweite ſchon wieder an, daß ich das En- de unſerer Liebe ohnmoͤglich abſehen kann. Allein Schakeſpeare ſagt:
Es komme, was da will, Geduld und Zeit kann ſich durch rauhe Tage ſchleichen.
Das
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Der zweyte Brief
von
Herrn Lovelacen an Herrn Joh. Belford.
Dienſtags den 9 May.
Bin ich nicht ein ungluͤcklicher Kerl! man ruͤhmt
dieſes Frauenzimmer, daß es das guͤtigſte
Hertz von der Welt haben ſoll, und ich glaubte es
ehemahls ſelbſt: allein gegen mich hat ſie das aller-
haͤrteſte Hertz. Niemand hat mich fuͤr verdrießlich
im Umgange ausgegeben. Wie iſt es moͤglich: ich
glaubte wir waͤren dazu gebohren einander gluͤcklich
zu machen, allein ich habe mich geirret: es ſcheint,
daß wir einander nur plagen ſollen. Jch habe vor,
eine Comoͤdie zu ſchreiben: der Titul iſt ſchon fer-
tig, und der iſt wie du weißt das halbe Buch: die
zanckenden Verliebten. Die Erfindung iſt gut;
es iſt etwas neues und unerwartetes in dem Titul:
indeſſen iſt es doch wahr, daß die Liebe gern zancket.
Der alte Terentius hat das ſchon bemerckt, daß
wenn Liebhaber ſich einmahl zancken, und ſich wie-
der vertragen, die verſoͤhnte Liebe am hitzigſten iſt.
Dieß iſt gantz natuͤrlich. Allein wir zerfallen ſo oft
mit einander, ohne uns ein eintziges mahl zu ver-
ſoͤhnen, und ehe der erſte Zanck geendiget iſt, gehet
ſo oft der zweite ſchon wieder an, daß ich das En-
de unſerer Liebe ohnmoͤglich abſehen kann. Allein
Schakeſpeare ſagt:
Es komme, was da will,
Geduld und Zeit kann ſich durch rauhe Tage
ſchleichen.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/20>, abgerufen am 21.11.2024.
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