T. Vergeben sie mir meine Voreiligkeit. Jch glaubte aber, er wüßte, was jedermann weiß, und was sie so oft gesagt haben, daß sie nicht zum zweytenmahl heyrathen wollten.
M. Das habe ich gesagt; und das war auch wahr, so lange ich bey dem Sinne blieb. Allein die Umstände können - -
Jch sahe sie gantz erstarret an.
M. Ja! wundere dich nicht! ich will zwar auch jetzt nicht! ich will nicht.
T. Vielleicht so lange sie bey dem Sinne bleiben!
M. Naseweises Kind! (Sie stand auf.) Jch sehe, wir sollen uns zancken. Man kann mit dir nichts - -
T. Jch bitte nochmahls um Vergebung. Jch will ja zuhören. Setzen sie sich doch nieder! ich bitte sie darum! (Sie setzte sich.) Darf ich den Brief nicht lesen?
M. Nein! es stehet etwas darin, das dich verdriessen wird. Jedermann kennet deinen Kopf. Jndessen ist nichts Böses von dir in dem Briefe enthalten. Er giebt vielmehr zu verstehen, daß es dein Schade nicht seyn soll, wenn du ihm wohl begegnest.
Jch antwortete: kein Mensch auf Erden glaub- te, daß ich ein schlimmes Gemüth hätte, als die Harlowes allein. Von diesen Leuten wollte ich es gern leiden, daß sie mit mir nicht zufrieden wä- ren, da sie mit einem Kinde, das nach aller Ur- theil das beste Gemüth von der Welt hätte, so übel
umge-
T. Vergeben ſie mir meine Voreiligkeit. Jch glaubte aber, er wuͤßte, was jedermann weiß, und was ſie ſo oft geſagt haben, daß ſie nicht zum zweytenmahl heyrathen wollten.
M. Das habe ich geſagt; und das war auch wahr, ſo lange ich bey dem Sinne blieb. Allein die Umſtaͤnde koͤnnen ‒ ‒
Jch ſahe ſie gantz erſtarret an.
M. Ja! wundere dich nicht! ich will zwar auch jetzt nicht! ich will nicht.
T. Vielleicht ſo lange ſie bey dem Sinne bleiben!
M. Naſeweiſes Kind! (Sie ſtand auf.) Jch ſehe, wir ſollen uns zancken. Man kann mit dir nichts ‒ ‒
T. Jch bitte nochmahls um Vergebung. Jch will ja zuhoͤren. Setzen ſie ſich doch nieder! ich bitte ſie darum! (Sie ſetzte ſich.) Darf ich den Brief nicht leſen?
M. Nein! es ſtehet etwas darin, das dich verdrieſſen wird. Jedermann kennet deinen Kopf. Jndeſſen iſt nichts Boͤſes von dir in dem Briefe enthalten. Er giebt vielmehr zu verſtehen, daß es dein Schade nicht ſeyn ſoll, wenn du ihm wohl begegneſt.
Jch antwortete: kein Menſch auf Erden glaub- te, daß ich ein ſchlimmes Gemuͤth haͤtte, als die Harlowes allein. Von dieſen Leuten wollte ich es gern leiden, daß ſie mit mir nicht zufrieden waͤ- ren, da ſie mit einem Kinde, das nach aller Ur- theil das beſte Gemuͤth von der Welt haͤtte, ſo uͤbel
umge-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0181"n="175"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p><hirendition="#fr">T.</hi> Vergeben ſie mir meine Voreiligkeit.<lb/>
Jch glaubte aber, er wuͤßte, was jedermann weiß,<lb/>
und was ſie ſo oft geſagt haben, daß ſie nicht zum<lb/>
zweytenmahl heyrathen wollten.</p><lb/><p><hirendition="#fr">M.</hi> Das habe ich geſagt; und das war auch<lb/>
wahr, ſo lange ich bey dem Sinne blieb. Allein<lb/>
die Umſtaͤnde koͤnnen ‒‒</p><lb/><p>Jch ſahe ſie gantz erſtarret an.</p><lb/><p><hirendition="#fr">M.</hi> Ja! wundere dich nicht! ich will zwar<lb/>
auch jetzt nicht! ich will nicht.</p><lb/><p><hirendition="#fr">T.</hi> Vielleicht ſo lange ſie bey dem Sinne<lb/>
bleiben!</p><lb/><p><hirendition="#fr">M.</hi> Naſeweiſes Kind! (Sie ſtand auf.)<lb/>
Jch ſehe, wir ſollen uns zancken. Man kann mit<lb/>
dir nichts ‒‒</p><lb/><p><hirendition="#fr">T.</hi> Jch bitte nochmahls um Vergebung. Jch<lb/>
will ja zuhoͤren. Setzen ſie ſich doch nieder! ich<lb/>
bitte ſie darum! (Sie ſetzte ſich.) Darf ich den<lb/>
Brief nicht leſen?</p><lb/><p><hirendition="#fr">M.</hi> Nein! es ſtehet etwas darin, das dich<lb/>
verdrieſſen wird. Jedermann kennet deinen Kopf.<lb/>
Jndeſſen iſt nichts Boͤſes von dir in dem Briefe<lb/>
enthalten. Er giebt vielmehr zu verſtehen, daß<lb/>
es dein Schade nicht ſeyn ſoll, wenn du ihm wohl<lb/>
begegneſt.</p><lb/><p>Jch antwortete: kein Menſch auf Erden glaub-<lb/>
te, daß ich ein ſchlimmes Gemuͤth haͤtte, als die<lb/><hirendition="#fr">Harlowes</hi> allein. Von dieſen Leuten wollte ich<lb/>
es gern leiden, daß ſie mit mir nicht zufrieden waͤ-<lb/>
ren, da ſie mit einem Kinde, das nach aller Ur-<lb/>
theil das beſte Gemuͤth von der Welt haͤtte, ſo uͤbel<lb/><fwplace="bottom"type="catch">umge-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[175/0181]
T. Vergeben ſie mir meine Voreiligkeit.
Jch glaubte aber, er wuͤßte, was jedermann weiß,
und was ſie ſo oft geſagt haben, daß ſie nicht zum
zweytenmahl heyrathen wollten.
M. Das habe ich geſagt; und das war auch
wahr, ſo lange ich bey dem Sinne blieb. Allein
die Umſtaͤnde koͤnnen ‒ ‒
Jch ſahe ſie gantz erſtarret an.
M. Ja! wundere dich nicht! ich will zwar
auch jetzt nicht! ich will nicht.
T. Vielleicht ſo lange ſie bey dem Sinne
bleiben!
M. Naſeweiſes Kind! (Sie ſtand auf.)
Jch ſehe, wir ſollen uns zancken. Man kann mit
dir nichts ‒ ‒
T. Jch bitte nochmahls um Vergebung. Jch
will ja zuhoͤren. Setzen ſie ſich doch nieder! ich
bitte ſie darum! (Sie ſetzte ſich.) Darf ich den
Brief nicht leſen?
M. Nein! es ſtehet etwas darin, das dich
verdrieſſen wird. Jedermann kennet deinen Kopf.
Jndeſſen iſt nichts Boͤſes von dir in dem Briefe
enthalten. Er giebt vielmehr zu verſtehen, daß
es dein Schade nicht ſeyn ſoll, wenn du ihm wohl
begegneſt.
Jch antwortete: kein Menſch auf Erden glaub-
te, daß ich ein ſchlimmes Gemuͤth haͤtte, als die
Harlowes allein. Von dieſen Leuten wollte ich
es gern leiden, daß ſie mit mir nicht zufrieden waͤ-
ren, da ſie mit einem Kinde, das nach aller Ur-
theil das beſte Gemuͤth von der Welt haͤtte, ſo uͤbel
umge-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/181>, abgerufen am 23.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.