Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



in dem sich die besten Spieler zeigen wollten.
Denn ich wollte doch sehen, ob sie mir alle Ge-
fälligkeiten abschlagen würde. Jch hätte sonst
nicht Lust zu Trauer-Spielen: allein meine Liebste
zöge sie den Lust-Spielern vor, weil sie gemeiniglich
lehrreicher wären, und Warnungen enthielten.

Jch hätte zu viel Empfindung: sagte ich.
Es sey ohnehin genug Elend in der Welt, ohne
daß wir nöthig hätten, das Traurige mit in unsere
Vergnügungen zu mengen, und fremdes Elend zu
dem unsrigen zu machen.

Das ist wahr, Belford: und ich glaube,
daß beynahe alle Leute von unserer Lebens-Art kein
Vergnügen an Trauer-Spielen haben, die ausge-
nommen, die sie selbst spielen, und andere unglück-
lich machen. Sie trauen sich selbst nicht, mit
ernsthafteren Gedancken umzugehen, und laufen
deswegen bloß zu den Lust-Spielen, um die traurige
Erinnerung des Unglücks, daran sie Schuld sind,
sich aus dem Gemüthe zu schlagen, und Personen
anzutreffen, die ihnen an Lastern gleich sind.
Denn du weißst, daß in der Comödie wenig tu-
gendhafte Personen aufgeführet werden. - -
Doch ich schreibe jetzt nur, wie ich gesinnet bin:
du wirst tiefsinnig, und fängst an eine Neigung
zu dem Traurigen zu haben.

Sarah antwortete in dem Nahmen der Frau
Sinclair, der Marichen (die eben nicht zuge-
gen war) der Jungfer Partington, und aller
ihrer Bekannten: sie alle zögen die Comödien vor.

Sie
K 3



in dem ſich die beſten Spieler zeigen wollten.
Denn ich wollte doch ſehen, ob ſie mir alle Ge-
faͤlligkeiten abſchlagen wuͤrde. Jch haͤtte ſonſt
nicht Luſt zu Trauer-Spielen: allein meine Liebſte
zoͤge ſie den Luſt-Spielern vor, weil ſie gemeiniglich
lehrreicher waͤren, und Warnungen enthielten.

Jch haͤtte zu viel Empfindung: ſagte ich.
Es ſey ohnehin genug Elend in der Welt, ohne
daß wir noͤthig haͤtten, das Traurige mit in unſere
Vergnuͤgungen zu mengen, und fremdes Elend zu
dem unſrigen zu machen.

Das iſt wahr, Belford: und ich glaube,
daß beynahe alle Leute von unſerer Lebens-Art kein
Vergnuͤgen an Trauer-Spielen haben, die ausge-
nommen, die ſie ſelbſt ſpielen, und andere ungluͤck-
lich machen. Sie trauen ſich ſelbſt nicht, mit
ernſthafteren Gedancken umzugehen, und laufen
deswegen bloß zu den Luſt-Spielen, um die traurige
Erinnerung des Ungluͤcks, daran ſie Schuld ſind,
ſich aus dem Gemuͤthe zu ſchlagen, und Perſonen
anzutreffen, die ihnen an Laſtern gleich ſind.
Denn du weißſt, daß in der Comoͤdie wenig tu-
gendhafte Perſonen aufgefuͤhret werden. ‒ ‒
Doch ich ſchreibe jetzt nur, wie ich geſinnet bin:
du wirſt tiefſinnig, und faͤngſt an eine Neigung
zu dem Traurigen zu haben.

Sarah antwortete in dem Nahmen der Frau
Sinclair, der Marichen (die eben nicht zuge-
gen war) der Jungfer Partington, und aller
ihrer Bekannten: ſie alle zoͤgen die Comoͤdien vor.

Sie
K 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0155" n="149"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
in dem &#x017F;ich die be&#x017F;ten Spieler zeigen wollten.<lb/>
Denn ich wollte doch &#x017F;ehen, ob &#x017F;ie mir alle Ge-<lb/>
fa&#x0364;lligkeiten ab&#x017F;chlagen wu&#x0364;rde. Jch ha&#x0364;tte &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
nicht Lu&#x017F;t zu Trauer-Spielen: allein meine Lieb&#x017F;te<lb/>
zo&#x0364;ge &#x017F;ie den Lu&#x017F;t-Spielern vor, weil &#x017F;ie gemeiniglich<lb/>
lehrreicher wa&#x0364;ren, und Warnungen enthielten.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Jch ha&#x0364;tte zu viel Empfindung:</hi> &#x017F;agte ich.<lb/>
Es &#x017F;ey ohnehin genug Elend in der Welt, ohne<lb/>
daß wir no&#x0364;thig ha&#x0364;tten, das Traurige mit in un&#x017F;ere<lb/>
Vergnu&#x0364;gungen zu mengen, und fremdes Elend zu<lb/>
dem un&#x017F;rigen zu machen.</p><lb/>
          <p>Das i&#x017F;t wahr, <hi rendition="#fr">Belford:</hi> und ich glaube,<lb/>
daß beynahe alle Leute von un&#x017F;erer Lebens-Art kein<lb/>
Vergnu&#x0364;gen an Trauer-Spielen haben, die ausge-<lb/>
nommen, die &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;pielen, und andere unglu&#x0364;ck-<lb/>
lich machen. Sie trauen &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t nicht, mit<lb/>
ern&#x017F;thafteren Gedancken umzugehen, und laufen<lb/>
deswegen bloß zu den Lu&#x017F;t-Spielen, um die traurige<lb/>
Erinnerung des Unglu&#x0364;cks, daran &#x017F;ie Schuld &#x017F;ind,<lb/>
&#x017F;ich aus dem Gemu&#x0364;the zu &#x017F;chlagen, und Per&#x017F;onen<lb/>
anzutreffen, die ihnen an La&#x017F;tern gleich &#x017F;ind.<lb/>
Denn du weiß&#x017F;t, daß in der Como&#x0364;die wenig tu-<lb/>
gendhafte Per&#x017F;onen aufgefu&#x0364;hret werden. &#x2012; &#x2012;<lb/>
Doch ich &#x017F;chreibe jetzt nur, wie ich ge&#x017F;innet bin:<lb/>
du wir&#x017F;t tief&#x017F;innig, und fa&#x0364;ng&#x017F;t an eine Neigung<lb/>
zu dem Traurigen zu haben.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Sarah</hi> antwortete in dem Nahmen der Frau<lb/><hi rendition="#fr">Sinclair,</hi> der <hi rendition="#fr">Marichen</hi> (die eben nicht zuge-<lb/>
gen war) der Jungfer <hi rendition="#fr">Partington,</hi> und aller<lb/>
ihrer Bekannten: &#x017F;ie alle zo&#x0364;gen die Como&#x0364;dien vor.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Sie</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[149/0155] in dem ſich die beſten Spieler zeigen wollten. Denn ich wollte doch ſehen, ob ſie mir alle Ge- faͤlligkeiten abſchlagen wuͤrde. Jch haͤtte ſonſt nicht Luſt zu Trauer-Spielen: allein meine Liebſte zoͤge ſie den Luſt-Spielern vor, weil ſie gemeiniglich lehrreicher waͤren, und Warnungen enthielten. Jch haͤtte zu viel Empfindung: ſagte ich. Es ſey ohnehin genug Elend in der Welt, ohne daß wir noͤthig haͤtten, das Traurige mit in unſere Vergnuͤgungen zu mengen, und fremdes Elend zu dem unſrigen zu machen. Das iſt wahr, Belford: und ich glaube, daß beynahe alle Leute von unſerer Lebens-Art kein Vergnuͤgen an Trauer-Spielen haben, die ausge- nommen, die ſie ſelbſt ſpielen, und andere ungluͤck- lich machen. Sie trauen ſich ſelbſt nicht, mit ernſthafteren Gedancken umzugehen, und laufen deswegen bloß zu den Luſt-Spielen, um die traurige Erinnerung des Ungluͤcks, daran ſie Schuld ſind, ſich aus dem Gemuͤthe zu ſchlagen, und Perſonen anzutreffen, die ihnen an Laſtern gleich ſind. Denn du weißſt, daß in der Comoͤdie wenig tu- gendhafte Perſonen aufgefuͤhret werden. ‒ ‒ Doch ich ſchreibe jetzt nur, wie ich geſinnet bin: du wirſt tiefſinnig, und faͤngſt an eine Neigung zu dem Traurigen zu haben. Sarah antwortete in dem Nahmen der Frau Sinclair, der Marichen (die eben nicht zuge- gen war) der Jungfer Partington, und aller ihrer Bekannten: ſie alle zoͤgen die Comoͤdien vor. Sie K 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/155
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/155>, abgerufen am 22.11.2024.