alsdenn noch größer; die Sünde wird durch die Kinder verewiget. Die Jungens müssen ihr Brod auf der See, unter den Soldaten, oder gar auf der Landstraße und in den Büschen suchen; und die Mädchens sind für die Hurenhäuser ge- zeuget: bis endlich beyder Leben sich noch betrüb- ter endiget, als es geführet ist.
Was gewinnen wir also dadurch, wenn wir diese ungebahnten und krummen Wege wandeln, als Gefahr, Schande und späte Reue? Betrie- gen wir uns nicht selbst am Ende durch unsere ungebundene Lebensart am meisten? Treten wir nicht endlich mit unsern abgenutzten Huren gar in den Stand, durch welchen wir uns mit viel vorneh- men und bemitteltern Personen hätten verbinden können, bey denen diese wohl hätten dienen kön- nen: ohne daß wir nöthig gehabt hätten, unter unserm Stande zu leben, und in Winkel und Lö- cher zu kriechen, oder so bald wir mit unserm ge- meinen Schatz einen Schritt aus dem Hause setz- ten, überall um uns zu sehen, als wenn wir glaub- ten, daß uns ein jeder betrachten werde?
Du kennest meinen Vetter Anton Jenyns. Er hatte zwar kein so lebhaftes und auf alles Bö- se begieriges Herz, als du, Belton, Mowbray, Tourville und ich: allein er hatte doch eben die wil- den und lasterhaften Begriffe, die wir haben, und richtete sein Leben nach ihnen ein.
Wie konnte er auf den Ehestand lästern! Wie brüstete er sich mit seinen vermeinten witzigen und spitzigen Einfällen! Wir Jungens und Mäd-
chens
alsdenn noch groͤßer; die Suͤnde wird durch die Kinder verewiget. Die Jungens muͤſſen ihr Brod auf der See, unter den Soldaten, oder gar auf der Landſtraße und in den Buͤſchen ſuchen; und die Maͤdchens ſind fuͤr die Hurenhaͤuſer ge- zeuget: bis endlich beyder Leben ſich noch betruͤb- ter endiget, als es gefuͤhret iſt.
Was gewinnen wir alſo dadurch, wenn wir dieſe ungebahnten und krummen Wege wandeln, als Gefahr, Schande und ſpaͤte Reue? Betrie- gen wir uns nicht ſelbſt am Ende durch unſere ungebundene Lebensart am meiſten? Treten wir nicht endlich mit unſern abgenutzten Huren gar in den Stand, durch welchen wir uns mit viel vorneh- men und bemitteltern Perſonen haͤtten verbinden koͤnnen, bey denen dieſe wohl haͤtten dienen koͤn- nen: ohne daß wir noͤthig gehabt haͤtten, unter unſerm Stande zu leben, und in Winkel und Loͤ- cher zu kriechen, oder ſo bald wir mit unſerm ge- meinen Schatz einen Schritt aus dem Hauſe ſetz- ten, uͤberall um uns zu ſehen, als wenn wir glaub- ten, daß uns ein jeder betrachten werde?
Du kenneſt meinen Vetter Anton Jenyns. Er hatte zwar kein ſo lebhaftes und auf alles Boͤ- ſe begieriges Herz, als du, Belton, Mowbray, Tourville und ich: allein er hatte doch eben die wil- den und laſterhaften Begriffe, die wir haben, und richtete ſein Leben nach ihnen ein.
Wie konnte er auf den Eheſtand laͤſtern! Wie bruͤſtete er ſich mit ſeinen vermeinten witzigen und ſpitzigen Einfaͤllen! Wir Jungens und Maͤd-
chens
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0145"n="139"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
alsdenn noch groͤßer; die Suͤnde wird durch die<lb/>
Kinder verewiget. Die Jungens muͤſſen ihr<lb/>
Brod auf der See, unter den Soldaten, oder gar<lb/>
auf der Landſtraße und in den Buͤſchen ſuchen;<lb/>
und die Maͤdchens ſind fuͤr die Hurenhaͤuſer ge-<lb/>
zeuget: bis endlich beyder Leben ſich noch betruͤb-<lb/>
ter endiget, als es gefuͤhret iſt.</p><lb/><p>Was gewinnen wir alſo dadurch, wenn wir<lb/>
dieſe ungebahnten und krummen Wege wandeln,<lb/>
als Gefahr, Schande und ſpaͤte Reue? Betrie-<lb/>
gen wir uns nicht ſelbſt am Ende durch unſere<lb/>
ungebundene Lebensart am meiſten? Treten wir<lb/>
nicht endlich mit unſern abgenutzten Huren gar in<lb/>
den Stand, durch welchen wir uns mit viel vorneh-<lb/>
men und bemitteltern Perſonen haͤtten verbinden<lb/>
koͤnnen, bey denen dieſe wohl haͤtten dienen koͤn-<lb/>
nen: ohne daß wir noͤthig gehabt haͤtten, unter<lb/>
unſerm Stande zu leben, und in Winkel und Loͤ-<lb/>
cher zu kriechen, oder ſo bald wir mit unſerm ge-<lb/>
meinen Schatz einen Schritt aus dem Hauſe ſetz-<lb/>
ten, uͤberall um uns zu ſehen, als wenn wir glaub-<lb/>
ten, daß uns ein jeder betrachten werde?</p><lb/><p>Du kenneſt meinen Vetter <hirendition="#fr">Anton Jenyns.</hi><lb/>
Er hatte zwar kein ſo lebhaftes und auf alles Boͤ-<lb/>ſe begieriges Herz, als du, Belton, Mowbray,<lb/>
Tourville und ich: allein er hatte doch eben die wil-<lb/>
den und laſterhaften Begriffe, die wir haben, und<lb/>
richtete ſein Leben nach ihnen ein.</p><lb/><p>Wie konnte er auf den Eheſtand laͤſtern!<lb/>
Wie bruͤſtete er ſich mit ſeinen vermeinten witzigen<lb/>
und ſpitzigen Einfaͤllen! Wir Jungens und Maͤd-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">chens</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[139/0145]
alsdenn noch groͤßer; die Suͤnde wird durch die
Kinder verewiget. Die Jungens muͤſſen ihr
Brod auf der See, unter den Soldaten, oder gar
auf der Landſtraße und in den Buͤſchen ſuchen;
und die Maͤdchens ſind fuͤr die Hurenhaͤuſer ge-
zeuget: bis endlich beyder Leben ſich noch betruͤb-
ter endiget, als es gefuͤhret iſt.
Was gewinnen wir alſo dadurch, wenn wir
dieſe ungebahnten und krummen Wege wandeln,
als Gefahr, Schande und ſpaͤte Reue? Betrie-
gen wir uns nicht ſelbſt am Ende durch unſere
ungebundene Lebensart am meiſten? Treten wir
nicht endlich mit unſern abgenutzten Huren gar in
den Stand, durch welchen wir uns mit viel vorneh-
men und bemitteltern Perſonen haͤtten verbinden
koͤnnen, bey denen dieſe wohl haͤtten dienen koͤn-
nen: ohne daß wir noͤthig gehabt haͤtten, unter
unſerm Stande zu leben, und in Winkel und Loͤ-
cher zu kriechen, oder ſo bald wir mit unſerm ge-
meinen Schatz einen Schritt aus dem Hauſe ſetz-
ten, uͤberall um uns zu ſehen, als wenn wir glaub-
ten, daß uns ein jeder betrachten werde?
Du kenneſt meinen Vetter Anton Jenyns.
Er hatte zwar kein ſo lebhaftes und auf alles Boͤ-
ſe begieriges Herz, als du, Belton, Mowbray,
Tourville und ich: allein er hatte doch eben die wil-
den und laſterhaften Begriffe, die wir haben, und
richtete ſein Leben nach ihnen ein.
Wie konnte er auf den Eheſtand laͤſtern!
Wie bruͤſtete er ſich mit ſeinen vermeinten witzigen
und ſpitzigen Einfaͤllen! Wir Jungens und Maͤd-
chens
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/145>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.