durch das Betragen der verheyratheten Frau gerei- tzet und gleichsam eingeladen werden, etwas zu wa- gen. Eine Maitresse hingegen macht sich, zum wenigsten nach dem Ausspruch der Gesetze, dieses Verbrechens nicht schuldig: alle Außenwercke der Ehrbahrkeit, alle Schüchternheit, alle Ehrliebe, haben wir selbst schon bey ihr zerstöret. Was wird sie demnach abhalten, ihren Begierden zu folgen, oder ihren Vortheil durch Untreue gegen uns zu besördern? Und was wird den Versucher abschrecken, sich an sie zu wagen?
Ein Ehemann wird durch die Gesetze gesi- chert; wenn seine Frau überzeuget wird, daß sie mit einem begüterten Mann zu thun gehabt hat, (ein Armer wird sich nicht leicht an sie machen, denn es fehlet ihm an Mitteln, sie zu bestechen) so kann er sich seines Schadens erhohlen, und sich noch über das von ihr scheiden lassen. Wenn ich der Schande nicht gedenken will, so muß diese Be- trachtung beide Theile furchtsam machen. Die Frau muß gewiß sehr lasterhaft seyn, und der Mann muß einfältig seyn, der sie gewählet hat, welche bloß aus Liebe zur Veränderung, ihren Mann in der allerempfindlichsten Sache beleidi- get, wenn der Verführer nicht ungemein viel Rei- tzendes hat, oder sehr viel Vermögen besitzet, sie zu bestechen.
Allein die Ehescheidungen halten schwer! - - (Das ist auch billig!) Hingegen (sagt ein Frey- Geist) hat es nicht die geringste Schwierigkeit, wenn ich meine Maitresse laufen lasse: ich kann
dieses
durch das Betragen der verheyratheten Frau gerei- tzet und gleichſam eingeladen werden, etwas zu wa- gen. Eine Maitreſſe hingegen macht ſich, zum wenigſten nach dem Ausſpruch der Geſetze, dieſes Verbrechens nicht ſchuldig: alle Außenwercke der Ehrbahrkeit, alle Schuͤchternheit, alle Ehrliebe, haben wir ſelbſt ſchon bey ihr zerſtoͤret. Was wird ſie demnach abhalten, ihren Begierden zu folgen, oder ihren Vortheil durch Untreue gegen uns zu beſoͤrdern? Und was wird den Verſucher abſchrecken, ſich an ſie zu wagen?
Ein Ehemann wird durch die Geſetze geſi- chert; wenn ſeine Frau uͤberzeuget wird, daß ſie mit einem beguͤterten Mann zu thun gehabt hat, (ein Armer wird ſich nicht leicht an ſie machen, denn es fehlet ihm an Mitteln, ſie zu beſtechen) ſo kann er ſich ſeines Schadens erhohlen, und ſich noch uͤber das von ihr ſcheiden laſſen. Wenn ich der Schande nicht gedenken will, ſo muß dieſe Be- trachtung beide Theile furchtſam machen. Die Frau muß gewiß ſehr laſterhaft ſeyn, und der Mann muß einfaͤltig ſeyn, der ſie gewaͤhlet hat, welche bloß aus Liebe zur Veraͤnderung, ihren Mann in der allerempfindlichſten Sache beleidi- get, wenn der Verfuͤhrer nicht ungemein viel Rei- tzendes hat, oder ſehr viel Vermoͤgen beſitzet, ſie zu beſtechen.
Allein die Eheſcheidungen halten ſchwer! ‒ ‒ (Das iſt auch billig!) Hingegen (ſagt ein Frey- Geiſt) hat es nicht die geringſte Schwierigkeit, wenn ich meine Maitreſſe laufen laſſe: ich kann
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durch das Betragen der verheyratheten Frau gerei-
tzet und gleichſam eingeladen werden, etwas zu wa-
gen. Eine Maitreſſe hingegen macht ſich, zum
wenigſten nach dem Ausſpruch der Geſetze, dieſes
Verbrechens nicht ſchuldig: alle Außenwercke der
Ehrbahrkeit, alle Schuͤchternheit, alle Ehrliebe,
haben wir ſelbſt ſchon bey ihr zerſtoͤret. Was
wird ſie demnach abhalten, ihren Begierden zu
folgen, oder ihren Vortheil durch Untreue gegen
uns zu beſoͤrdern? Und was wird den Verſucher
abſchrecken, ſich an ſie zu wagen?
Ein Ehemann wird durch die Geſetze geſi-
chert; wenn ſeine Frau uͤberzeuget wird, daß ſie
mit einem beguͤterten Mann zu thun gehabt hat,
(ein Armer wird ſich nicht leicht an ſie machen,
denn es fehlet ihm an Mitteln, ſie zu beſtechen)
ſo kann er ſich ſeines Schadens erhohlen, und
ſich noch uͤber das von ihr ſcheiden laſſen. Wenn ich
der Schande nicht gedenken will, ſo muß dieſe Be-
trachtung beide Theile furchtſam machen. Die
Frau muß gewiß ſehr laſterhaft ſeyn, und der
Mann muß einfaͤltig ſeyn, der ſie gewaͤhlet hat,
welche bloß aus Liebe zur Veraͤnderung, ihren
Mann in der allerempfindlichſten Sache beleidi-
get, wenn der Verfuͤhrer nicht ungemein viel Rei-
tzendes hat, oder ſehr viel Vermoͤgen beſitzet, ſie
zu beſtechen.
Allein die Eheſcheidungen halten ſchwer! ‒ ‒
(Das iſt auch billig!) Hingegen (ſagt ein Frey-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/140>, abgerufen am 23.07.2024.
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