Eine Frau theilt mit ihrem Manne Vortheil und Schaden, und hat alle die Verführungen nicht, ihn unglücklich zu machen: sie hat noch nicht den Eindruck aus ihrem Gemüthe ausgetilget, den eine gute Erziehung zurückläßt; und wenn ja einige Frauens aus der Art schlagen, so ist es doch bey ihnen nicht etwas Nothwendiges, so wie bey den Maitressen, daß sie diesen Eindruck aus- löschen. Die Feinde des Ehestandes klagen zwar, daß die Frauens für sich selbst etwas sammelten: wenn dieses auch wahr ist, und es erfolgen Kin- der, so kommt doch das Gesammelte unsern Nach- kommen zu gute.
Was die Treue anlanget, so frage ich, können wir nicht mit mehrerm Recht hoffen, daß Frau- enzimmer von guter Familie und Erziehung uns allein lieben werden, als solche Mädchens, die den Augenblick, da sie sich uns ergaben, zugleich lasterhaft wurden, und ihre Ehre (wenn sie an- ders jemals Ehre gehabt haben) aus Gewinnsucht oder aus einem noch liederlicherern Triebe ver- schertzeten? Macht nicht das andern Muth, sich auch an sie zu wagen, wenn man weiß, daß sie von uns besieget sind? Welcher Mann wird so leicht- gläubig gegen ihre Schmeicheleyen seyn, und glau- ben, daß sie von niemand, als von ihm allein, überwunden werden könnten?
Der Ehebruch ist ein so abscheuliches Verbre- chen, daß auch liederliche Mannspersonen dennoch oft einen Abscheu dafür haben, wenn sie nicht auf die niederträchtigste Art liederlich sind, und
durch
J 3
Eine Frau theilt mit ihrem Manne Vortheil und Schaden, und hat alle die Verfuͤhrungen nicht, ihn ungluͤcklich zu machen: ſie hat noch nicht den Eindruck aus ihrem Gemuͤthe ausgetilget, den eine gute Erziehung zuruͤcklaͤßt; und wenn ja einige Frauens aus der Art ſchlagen, ſo iſt es doch bey ihnen nicht etwas Nothwendiges, ſo wie bey den Maitreſſen, daß ſie dieſen Eindruck aus- loͤſchen. Die Feinde des Eheſtandes klagen zwar, daß die Frauens fuͤr ſich ſelbſt etwas ſammelten: wenn dieſes auch wahr iſt, und es erfolgen Kin- der, ſo kommt doch das Geſammelte unſern Nach- kommen zu gute.
Was die Treue anlanget, ſo frage ich, koͤnnen wir nicht mit mehrerm Recht hoffen, daß Frau- enzimmer von guter Familie und Erziehung uns allein lieben werden, als ſolche Maͤdchens, die den Augenblick, da ſie ſich uns ergaben, zugleich laſterhaft wurden, und ihre Ehre (wenn ſie an- ders jemals Ehre gehabt haben) aus Gewinnſucht oder aus einem noch liederlicherern Triebe ver- ſchertzeten? Macht nicht das andern Muth, ſich auch an ſie zu wagen, wenn man weiß, daß ſie von uns beſieget ſind? Welcher Mann wird ſo leicht- glaͤubig gegen ihre Schmeicheleyen ſeyn, und glau- ben, daß ſie von niemand, als von ihm allein, uͤberwunden werden koͤnnten?
Der Ehebruch iſt ein ſo abſcheuliches Verbre- chen, daß auch liederliche Mannsperſonen dennoch oft einen Abſcheu dafuͤr haben, wenn ſie nicht auf die niedertraͤchtigſte Art liederlich ſind, und
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Eine Frau theilt mit ihrem Manne Vortheil
und Schaden, und hat alle die Verfuͤhrungen nicht,
ihn ungluͤcklich zu machen: ſie hat noch nicht
den Eindruck aus ihrem Gemuͤthe ausgetilget,
den eine gute Erziehung zuruͤcklaͤßt; und wenn
ja einige Frauens aus der Art ſchlagen, ſo iſt es
doch bey ihnen nicht etwas Nothwendiges, ſo wie
bey den Maitreſſen, daß ſie dieſen Eindruck aus-
loͤſchen. Die Feinde des Eheſtandes klagen zwar,
daß die Frauens fuͤr ſich ſelbſt etwas ſammelten:
wenn dieſes auch wahr iſt, und es erfolgen Kin-
der, ſo kommt doch das Geſammelte unſern Nach-
kommen zu gute.
Was die Treue anlanget, ſo frage ich, koͤnnen
wir nicht mit mehrerm Recht hoffen, daß Frau-
enzimmer von guter Familie und Erziehung uns
allein lieben werden, als ſolche Maͤdchens, die
den Augenblick, da ſie ſich uns ergaben, zugleich
laſterhaft wurden, und ihre Ehre (wenn ſie an-
ders jemals Ehre gehabt haben) aus Gewinnſucht
oder aus einem noch liederlicherern Triebe ver-
ſchertzeten? Macht nicht das andern Muth, ſich
auch an ſie zu wagen, wenn man weiß, daß ſie von
uns beſieget ſind? Welcher Mann wird ſo leicht-
glaͤubig gegen ihre Schmeicheleyen ſeyn, und glau-
ben, daß ſie von niemand, als von ihm allein,
uͤberwunden werden koͤnnten?
Der Ehebruch iſt ein ſo abſcheuliches Verbre-
chen, daß auch liederliche Mannsperſonen dennoch
oft einen Abſcheu dafuͤr haben, wenn ſie nicht
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/139>, abgerufen am 24.11.2024.
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