weiß, worzu er sich in Absicht auf sie und ihre beyden Söhne entschließen soll, in die er sich so vergaffet hatte, und sie für die Seinigen hielte, ob er gleich jetzt anfängt daran zu zweifeln.
Du siehst also, Lovelace, was es mit den Maitressen für ein Ende nimmt: Diese neue Lebensart ist der uhralten nicht vorzuziehen. Der arme Schelm sagte zu mir: "Die Maitresse kann "man wohl halten; aber die Güter dabey verlie- "ren. - - Und siehe einmahl mein Todtengerip- "pe an!" Hierbey wieß er auf seinen schwind- süchtigen Leib.
Wie klug handeln wir, wenn wir uns auf un- sere Freyheit, oder besser zu reden, auf die Frey- heiten, die wir uns selbst nehmen, so vieles einbil- den! Wir haben gewiß nicht Ursache, den Ehe- stand so sehr zu verachten, und unsere matten Schertze bey demselben zu verschwenden: wenn wir oft selbst von unsern Maitressen durch Künste, die wir ohngeachtet aller unserer Klugheit nicht einsehen, betrogen werden, und mehr von ihnen am Stricke gesühret werden, als es sich irgend ei- ne Frau zu thun unterstehet. Denn gewiß, Bel- ton ist nicht der einzige in der Welt, dem es al- so gehet.
Laß uns dieses reifer überlegen, und zwar nach unsern freyen Grundsätzen, und nicht nach den Ge- setzen oder Gebräuchen unsers Vaterlandes. Und dennoch können wir diese Gesetze nicht über den Haufen stoßen, wenn wir nicht zugleich alle die Pflichten unter die Füße treten wollen, die uns
als
J 2
weiß, worzu er ſich in Abſicht auf ſie und ihre beyden Soͤhne entſchließen ſoll, in die er ſich ſo vergaffet hatte, und ſie fuͤr die Seinigen hielte, ob er gleich jetzt anfaͤngt daran zu zweifeln.
Du ſiehſt alſo, Lovelace, was es mit den Maitreſſen fuͤr ein Ende nimmt: Dieſe neue Lebensart iſt der uhralten nicht vorzuziehen. Der arme Schelm ſagte zu mir: „Die Maitreſſe kann „man wohl halten; aber die Guͤter dabey verlie- „ren. ‒ ‒ Und ſiehe einmahl mein Todtengerip- „pe an!„ Hierbey wieß er auf ſeinen ſchwind- ſuͤchtigen Leib.
Wie klug handeln wir, wenn wir uns auf un- ſere Freyheit, oder beſſer zu reden, auf die Frey- heiten, die wir uns ſelbſt nehmen, ſo vieles einbil- den! Wir haben gewiß nicht Urſache, den Ehe- ſtand ſo ſehr zu verachten, und unſere matten Schertze bey demſelben zu verſchwenden: wenn wir oft ſelbſt von unſern Maitreſſen durch Kuͤnſte, die wir ohngeachtet aller unſerer Klugheit nicht einſehen, betrogen werden, und mehr von ihnen am Stricke geſuͤhret werden, als es ſich irgend ei- ne Frau zu thun unterſtehet. Denn gewiß, Bel- ton iſt nicht der einzige in der Welt, dem es al- ſo gehet.
Laß uns dieſes reifer uͤberlegen, und zwar nach unſern freyen Grundſaͤtzen, und nicht nach den Ge- ſetzen oder Gebraͤuchen unſers Vaterlandes. Und dennoch koͤnnen wir dieſe Geſetze nicht uͤber den Haufen ſtoßen, wenn wir nicht zugleich alle die Pflichten unter die Fuͤße treten wollen, die uns
als
J 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0137"n="131"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
weiß, worzu er ſich in Abſicht auf ſie und ihre<lb/>
beyden Soͤhne entſchließen ſoll, in die er ſich ſo<lb/>
vergaffet hatte, und ſie fuͤr die Seinigen hielte,<lb/>
ob er gleich jetzt anfaͤngt daran zu zweifeln.</p><lb/><p>Du ſiehſt alſo, <hirendition="#fr">Lovelace,</hi> was es mit den<lb/><hirendition="#fr">Maitreſſen</hi> fuͤr ein Ende nimmt: Dieſe neue<lb/>
Lebensart iſt der uhralten nicht vorzuziehen. Der<lb/>
arme Schelm ſagte zu mir: „Die Maitreſſe kann<lb/>„man wohl halten; aber die Guͤter dabey verlie-<lb/>„ren. ‒‒ Und ſiehe einmahl mein Todtengerip-<lb/>„pe an!„ Hierbey wieß er auf ſeinen ſchwind-<lb/>ſuͤchtigen Leib.</p><lb/><p>Wie klug handeln wir, wenn wir uns auf <hirendition="#fr">un-<lb/>ſere Freyheit,</hi> oder beſſer zu reden, auf die Frey-<lb/>
heiten, die wir uns ſelbſt nehmen, ſo vieles einbil-<lb/>
den! Wir haben gewiß nicht Urſache, den Ehe-<lb/>ſtand ſo ſehr zu verachten, und unſere matten<lb/>
Schertze bey demſelben zu verſchwenden: wenn<lb/>
wir oft ſelbſt von unſern Maitreſſen durch Kuͤnſte,<lb/>
die wir ohngeachtet aller unſerer Klugheit nicht<lb/>
einſehen, betrogen werden, und mehr von ihnen<lb/>
am Stricke geſuͤhret werden, als es ſich irgend ei-<lb/>
ne Frau zu thun unterſtehet. Denn gewiß, <hirendition="#fr">Bel-<lb/>
ton</hi> iſt nicht der einzige in der Welt, dem es al-<lb/>ſo gehet.</p><lb/><p>Laß uns dieſes reifer uͤberlegen, und zwar nach<lb/>
unſern freyen Grundſaͤtzen, und nicht nach den Ge-<lb/>ſetzen oder Gebraͤuchen unſers Vaterlandes. Und<lb/>
dennoch koͤnnen wir dieſe Geſetze nicht uͤber den<lb/>
Haufen ſtoßen, wenn wir nicht zugleich alle die<lb/>
Pflichten unter die Fuͤße treten wollen, die uns<lb/><fwplace="bottom"type="sig">J 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">als</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[131/0137]
weiß, worzu er ſich in Abſicht auf ſie und ihre
beyden Soͤhne entſchließen ſoll, in die er ſich ſo
vergaffet hatte, und ſie fuͤr die Seinigen hielte,
ob er gleich jetzt anfaͤngt daran zu zweifeln.
Du ſiehſt alſo, Lovelace, was es mit den
Maitreſſen fuͤr ein Ende nimmt: Dieſe neue
Lebensart iſt der uhralten nicht vorzuziehen. Der
arme Schelm ſagte zu mir: „Die Maitreſſe kann
„man wohl halten; aber die Guͤter dabey verlie-
„ren. ‒ ‒ Und ſiehe einmahl mein Todtengerip-
„pe an!„ Hierbey wieß er auf ſeinen ſchwind-
ſuͤchtigen Leib.
Wie klug handeln wir, wenn wir uns auf un-
ſere Freyheit, oder beſſer zu reden, auf die Frey-
heiten, die wir uns ſelbſt nehmen, ſo vieles einbil-
den! Wir haben gewiß nicht Urſache, den Ehe-
ſtand ſo ſehr zu verachten, und unſere matten
Schertze bey demſelben zu verſchwenden: wenn
wir oft ſelbſt von unſern Maitreſſen durch Kuͤnſte,
die wir ohngeachtet aller unſerer Klugheit nicht
einſehen, betrogen werden, und mehr von ihnen
am Stricke geſuͤhret werden, als es ſich irgend ei-
ne Frau zu thun unterſtehet. Denn gewiß, Bel-
ton iſt nicht der einzige in der Welt, dem es al-
ſo gehet.
Laß uns dieſes reifer uͤberlegen, und zwar nach
unſern freyen Grundſaͤtzen, und nicht nach den Ge-
ſetzen oder Gebraͤuchen unſers Vaterlandes. Und
dennoch koͤnnen wir dieſe Geſetze nicht uͤber den
Haufen ſtoßen, wenn wir nicht zugleich alle die
Pflichten unter die Fuͤße treten wollen, die uns
als
J 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/137>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.