zeugen. Der einfältige gnädige Herr bildet sich nicht ein, daß sich dieses Kind wider das gantze Reich der Liebe gewaltsam empöret: er und die gantze Welt glaubet, daß es freywillig zu der Fahne der Liebe geschworen hat. Jch werde getadelt und die Un- gehorsame bedauret werden, wenn es nicht nach Wunsche gehet.
Weil meinem Onckle so viel an dieser Verbindung gelegen zu seyn scheinet, so habe ich an ihn geschrie- ben: "der üble Ruff, in dem ich stehe, habe meine "Geliebte mit einem unbilligen Mißtrauen gegen "mich erfüllet. Sie habe das Heimweh so starck, "und sehne sich so sehr nach Vater und Mutter, daß "sie lieber nach Harloweburg zurückkehren, als an "Hochzeit gedencken wollte. Sie fürchte so gar, "daß sie sich durch ihre Flucht bey dem Frauenzim- "mer einer so angesehenen Familie herunter gesetzt "und verdächtig gemacht haben möchte. Jch ersuch- "te meinen Onckle deswegen, einen Brief an mich "zu schreiben, den ich ihr vorlegen könnte: allein "ihre Furcht müsse auf eine gantz unvermerckte Art "gehoben werden. Er möge gegen mich so frey "seyn, als es ihm beliebte, so wollte ich es nicht "übel nehmen, weil ich wohl wüßte, daß er mir gern "in seinen Briefen Ermahnungen zu geben pflegte. "Er möge in diesem Briefe mit erwehnen, was "er bey meiner Veränderung zu thun gedächte. Jch "bäte ihn übrigens, meine Hochzeit durch seine Ge- "genwart zu ehren, damit ich den grössesten Seegen, "den ich auf Erden erwarten kann, von seinen Hän- "den empfangen möchte."
Jch
zeugen. Der einfaͤltige gnaͤdige Herr bildet ſich nicht ein, daß ſich dieſes Kind wider das gantze Reich der Liebe gewaltſam empoͤret: er und die gantze Welt glaubet, daß es freywillig zu der Fahne der Liebe geſchworen hat. Jch werde getadelt und die Un- gehorſame bedauret werden, wenn es nicht nach Wunſche gehet.
Weil meinem Onckle ſo viel an dieſer Verbindung gelegen zu ſeyn ſcheinet, ſo habe ich an ihn geſchrie- ben: „der uͤble Ruff, in dem ich ſtehe, habe meine „Geliebte mit einem unbilligen Mißtrauen gegen „mich erfuͤllet. Sie habe das Heimweh ſo ſtarck, „und ſehne ſich ſo ſehr nach Vater und Mutter, daß „ſie lieber nach Harloweburg zuruͤckkehren, als an „Hochzeit gedencken wollte. Sie fuͤrchte ſo gar, „daß ſie ſich durch ihre Flucht bey dem Frauenzim- „mer einer ſo angeſehenen Familie herunter geſetzt „und verdaͤchtig gemacht haben moͤchte. Jch erſuch- „te meinen Onckle deswegen, einen Brief an mich „zu ſchreiben, den ich ihr vorlegen koͤnnte: allein „ihre Furcht muͤſſe auf eine gantz unvermerckte Art „gehoben werden. Er moͤge gegen mich ſo frey „ſeyn, als es ihm beliebte, ſo wollte ich es nicht „uͤbel nehmen, weil ich wohl wuͤßte, daß er mir gern „in ſeinen Briefen Ermahnungen zu geben pflegte. „Er moͤge in dieſem Briefe mit erwehnen, was „er bey meiner Veraͤnderung zu thun gedaͤchte. Jch „baͤte ihn uͤbrigens, meine Hochzeit durch ſeine Ge- „genwart zu ehren, damit ich den groͤſſeſten Seegen, „den ich auf Erden erwarten kann, von ſeinen Haͤn- „den empfangen moͤchte.„
Jch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0131"n="125"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
zeugen. Der einfaͤltige gnaͤdige Herr bildet ſich nicht<lb/>
ein, daß ſich dieſes Kind wider das gantze Reich der<lb/>
Liebe gewaltſam empoͤret: er und die gantze Welt<lb/>
glaubet, daß es freywillig zu der Fahne der Liebe<lb/>
geſchworen hat. Jch werde getadelt und die Un-<lb/>
gehorſame bedauret werden, wenn es nicht nach<lb/>
Wunſche gehet.</p><lb/><p>Weil meinem Onckle ſo viel an dieſer Verbindung<lb/>
gelegen zu ſeyn ſcheinet, ſo habe ich an ihn geſchrie-<lb/>
ben: „der uͤble Ruff, in dem ich ſtehe, habe meine<lb/>„Geliebte mit einem unbilligen Mißtrauen gegen<lb/>„mich erfuͤllet. Sie habe das Heimweh ſo ſtarck,<lb/>„und ſehne ſich ſo ſehr nach Vater und Mutter, daß<lb/>„ſie lieber nach <hirendition="#fr">Harloweburg</hi> zuruͤckkehren, als an<lb/>„Hochzeit gedencken wollte. Sie fuͤrchte ſo gar,<lb/>„daß ſie ſich durch ihre Flucht bey dem Frauenzim-<lb/>„mer einer ſo angeſehenen Familie herunter geſetzt<lb/>„und verdaͤchtig gemacht haben moͤchte. Jch erſuch-<lb/>„te meinen Onckle deswegen, einen Brief an mich<lb/>„zu ſchreiben, den ich ihr vorlegen koͤnnte: allein<lb/>„ihre Furcht muͤſſe auf eine gantz unvermerckte Art<lb/>„gehoben werden. Er moͤge gegen mich ſo frey<lb/>„ſeyn, als es ihm beliebte, ſo wollte ich es nicht<lb/>„uͤbel nehmen, weil ich wohl wuͤßte, daß er mir gern<lb/>„in ſeinen Briefen Ermahnungen zu geben pflegte.<lb/>„Er moͤge in dieſem Briefe mit erwehnen, was<lb/>„er bey meiner Veraͤnderung zu thun gedaͤchte. Jch<lb/>„baͤte ihn uͤbrigens, meine Hochzeit durch ſeine Ge-<lb/>„genwart zu ehren, damit ich den groͤſſeſten Seegen,<lb/>„den ich auf Erden erwarten kann, von ſeinen Haͤn-<lb/>„den empfangen moͤchte.„</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Jch</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[125/0131]
zeugen. Der einfaͤltige gnaͤdige Herr bildet ſich nicht
ein, daß ſich dieſes Kind wider das gantze Reich der
Liebe gewaltſam empoͤret: er und die gantze Welt
glaubet, daß es freywillig zu der Fahne der Liebe
geſchworen hat. Jch werde getadelt und die Un-
gehorſame bedauret werden, wenn es nicht nach
Wunſche gehet.
Weil meinem Onckle ſo viel an dieſer Verbindung
gelegen zu ſeyn ſcheinet, ſo habe ich an ihn geſchrie-
ben: „der uͤble Ruff, in dem ich ſtehe, habe meine
„Geliebte mit einem unbilligen Mißtrauen gegen
„mich erfuͤllet. Sie habe das Heimweh ſo ſtarck,
„und ſehne ſich ſo ſehr nach Vater und Mutter, daß
„ſie lieber nach Harloweburg zuruͤckkehren, als an
„Hochzeit gedencken wollte. Sie fuͤrchte ſo gar,
„daß ſie ſich durch ihre Flucht bey dem Frauenzim-
„mer einer ſo angeſehenen Familie herunter geſetzt
„und verdaͤchtig gemacht haben moͤchte. Jch erſuch-
„te meinen Onckle deswegen, einen Brief an mich
„zu ſchreiben, den ich ihr vorlegen koͤnnte: allein
„ihre Furcht muͤſſe auf eine gantz unvermerckte Art
„gehoben werden. Er moͤge gegen mich ſo frey
„ſeyn, als es ihm beliebte, ſo wollte ich es nicht
„uͤbel nehmen, weil ich wohl wuͤßte, daß er mir gern
„in ſeinen Briefen Ermahnungen zu geben pflegte.
„Er moͤge in dieſem Briefe mit erwehnen, was
„er bey meiner Veraͤnderung zu thun gedaͤchte. Jch
„baͤte ihn uͤbrigens, meine Hochzeit durch ſeine Ge-
„genwart zu ehren, damit ich den groͤſſeſten Seegen,
„den ich auf Erden erwarten kann, von ſeinen Haͤn-
„den empfangen moͤchte.„
Jch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/131>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.