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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.

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Nachdem ich dir meine Absichten so weitläuftig
entdecket habe; nachdem ich dir gesagt ha-
be, daß ich die Tugend nur auf den Probier-
Stein bringen will, vor dem sie sich nicht fürchten
darf, wenn sie ächt ist, und daß ich sie durch die
Ehe belohnen will: (das ist, daß ich sie heyrathen
will, wenn ich sie besieget habe, und sie nicht be-
wegen kann, die neue Lebens-Art der vornehmen
Leute mit mir zu erwählen, die ich sonst der Ehe
sehr vorziehen würde) so wundere ich mich, wie
du deine alten Thorheiten, die ich vor längst ver-
dauet hielt, dir immer wieder kannst aufstossen
lassen.

Jch bin einerley Meinung mit dir, daß ich mit
den Jahren klüger werden, und meine jetzigen wil-
den Einfälle für nichts als Einbildung und Thor-
heit halten werde. Allein die Zeit muß erst da seyn,
ehe ich klüger werde.

Jrre dich nicht, ich will mir dieses unver-
gleichliche Wunder nicht aus der Hand glei-
ten lassen.

Kannst du halb so viel zu ihrem Lobe sagen, als
ich beständig sage und schreibe?

Der finstere Vater verfluchte das liebe Kind, weil
es seiner Gewalt entflohe, und er es nicht zwingen
konnte, einen verhaßten Mann zu nehmen. Du
weißt daß dieses nach meinem Urtheil nicht ihr
grössester Verdienst ist. Soll ich nicht die Tugend
erst untersuchen, die ich hernach zu belohnen geden-
cke? Soll ich sie ohne Untersuchung für vollwichtig
annehmen, weil der Vater ein Unmensch ist? Wie

lange


Nachdem ich dir meine Abſichten ſo weitlaͤuftig
entdecket habe; nachdem ich dir geſagt ha-
be, daß ich die Tugend nur auf den Probier-
Stein bringen will, vor dem ſie ſich nicht fuͤrchten
darf, wenn ſie aͤcht iſt, und daß ich ſie durch die
Ehe belohnen will: (das iſt, daß ich ſie heyrathen
will, wenn ich ſie beſieget habe, und ſie nicht be-
wegen kann, die neue Lebens-Art der vornehmen
Leute mit mir zu erwaͤhlen, die ich ſonſt der Ehe
ſehr vorziehen wuͤrde) ſo wundere ich mich, wie
du deine alten Thorheiten, die ich vor laͤngſt ver-
dauet hielt, dir immer wieder kannſt aufſtoſſen
laſſen.

Jch bin einerley Meinung mit dir, daß ich mit
den Jahren kluͤger werden, und meine jetzigen wil-
den Einfaͤlle fuͤr nichts als Einbildung und Thor-
heit halten werde. Allein die Zeit muß erſt da ſeyn,
ehe ich kluͤger werde.

Jrre dich nicht, ich will mir dieſes unver-
gleichliche Wunder nicht aus der Hand glei-
ten laſſen.

Kannſt du halb ſo viel zu ihrem Lobe ſagen, als
ich beſtaͤndig ſage und ſchreibe?

Der finſtere Vater verfluchte das liebe Kind, weil
es ſeiner Gewalt entflohe, und er es nicht zwingen
konnte, einen verhaßten Mann zu nehmen. Du
weißt daß dieſes nach meinem Urtheil nicht ihr
groͤſſeſter Verdienſt iſt. Soll ich nicht die Tugend
erſt unterſuchen, die ich hernach zu belohnen geden-
cke? Soll ich ſie ohne Unterſuchung fuͤr vollwichtig
annehmen, weil der Vater ein Unmenſch iſt? Wie

lange
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[120/0126] Nachdem ich dir meine Abſichten ſo weitlaͤuftig entdecket habe; nachdem ich dir geſagt ha- be, daß ich die Tugend nur auf den Probier- Stein bringen will, vor dem ſie ſich nicht fuͤrchten darf, wenn ſie aͤcht iſt, und daß ich ſie durch die Ehe belohnen will: (das iſt, daß ich ſie heyrathen will, wenn ich ſie beſieget habe, und ſie nicht be- wegen kann, die neue Lebens-Art der vornehmen Leute mit mir zu erwaͤhlen, die ich ſonſt der Ehe ſehr vorziehen wuͤrde) ſo wundere ich mich, wie du deine alten Thorheiten, die ich vor laͤngſt ver- dauet hielt, dir immer wieder kannſt aufſtoſſen laſſen. Jch bin einerley Meinung mit dir, daß ich mit den Jahren kluͤger werden, und meine jetzigen wil- den Einfaͤlle fuͤr nichts als Einbildung und Thor- heit halten werde. Allein die Zeit muß erſt da ſeyn, ehe ich kluͤger werde. Jrre dich nicht, ich will mir dieſes unver- gleichliche Wunder nicht aus der Hand glei- ten laſſen. Kannſt du halb ſo viel zu ihrem Lobe ſagen, als ich beſtaͤndig ſage und ſchreibe? Der finſtere Vater verfluchte das liebe Kind, weil es ſeiner Gewalt entflohe, und er es nicht zwingen konnte, einen verhaßten Mann zu nehmen. Du weißt daß dieſes nach meinem Urtheil nicht ihr groͤſſeſter Verdienſt iſt. Soll ich nicht die Tugend erſt unterſuchen, die ich hernach zu belohnen geden- cke? Soll ich ſie ohne Unterſuchung fuͤr vollwichtig annehmen, weil der Vater ein Unmenſch iſt? Wie lange

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/126>, abgerufen am 24.11.2024.