er siehet nicht ernsthafter aus; er ist noch eben so munter; ich weiß selbst nicht, wie er aussiehet. Dieses eine weiß ich, er hat jetzt viel mehr Drei- stigkeit als sonst in seinem Ansehen: eine Gabe, an der es ihm vorhin nicht gefehlet.
Doch hier ist der Schlüssel! Jch sehe ihn jetzt mit Furcht, weil ich mir bewust bin, daß ich ihm durch meine Unvorsichtigkeit allzu viele Gewalt über mich gegeben habe. Er kann mit Recht ein dreistes und vornehmes Gesicht annehmen, nach- dem ich aufgehört habe, das zu seyn, was ich mir sonst einbildete zu seyn, (eine Einbildung, die Leu- ten wohl anstehet, so lange sie von andern geeh- ret werden) und nachdem mir mein Gewissen saget, daß ich von ihm überwunden und ihm jetzund als meinen Beschützer verpflichtet bin.
Jch werde diesen Brief, wie den vorigen, durch einen armen Mann bestellen lassen, der mit sei- nem kleinen Kram taglich herum gehet. Er soll ihn nach ihrem Befehl in dem Hause der Frau Knol- lys abgeben.
Wenn sie etwas von meinen Eltern und von ih- rem Befinden, oder von der Gesinnung meiner Freunde gegen mich wissen; so seyn Sie so gütig, mich durch ein paar Zeilen zu benachrichtigen, und sie dem Ueberbringer dieses Briefes mit zu geben, wenn sie anders wissen können, daß er auf Ant- wort wartet.
Jch fürchte mich, noch die Frage hinzuzusetzen, ob sie nach Durchlesung meiner vorigen Erzäh-
lung
Dritter Theil. F
er ſiehet nicht ernſthafter aus; er iſt noch eben ſo munter; ich weiß ſelbſt nicht, wie er ausſiehet. Dieſes eine weiß ich, er hat jetzt viel mehr Drei- ſtigkeit als ſonſt in ſeinem Anſehen: eine Gabe, an der es ihm vorhin nicht gefehlet.
Doch hier iſt der Schluͤſſel! Jch ſehe ihn jetzt mit Furcht, weil ich mir bewuſt bin, daß ich ihm durch meine Unvorſichtigkeit allzu viele Gewalt uͤber mich gegeben habe. Er kann mit Recht ein dreiſtes und vornehmes Geſicht annehmen, nach- dem ich aufgehoͤrt habe, das zu ſeyn, was ich mir ſonſt einbildete zu ſeyn, (eine Einbildung, die Leu- ten wohl anſtehet, ſo lange ſie von andern geeh- ret werden) und nachdem mir mein Gewiſſen ſaget, daß ich von ihm uͤberwunden und ihm jetzund als meinen Beſchuͤtzer verpflichtet bin.
Jch werde dieſen Brief, wie den vorigen, durch einen armen Mann beſtellen laſſen, der mit ſei- nem kleinen Kram taglich herum gehet. Er ſoll ihn nach ihrem Befehl in dem Hauſe der Frau Knol- lys abgeben.
Wenn ſie etwas von meinen Eltern und von ih- rem Befinden, oder von der Geſinnung meiner Freunde gegen mich wiſſen; ſo ſeyn Sie ſo guͤtig, mich durch ein paar Zeilen zu benachrichtigen, und ſie dem Ueberbringer dieſes Briefes mit zu geben, wenn ſie anders wiſſen koͤnnen, daß er auf Ant- wort wartet.
Jch fuͤrchte mich, noch die Frage hinzuzuſetzen, ob ſie nach Durchleſung meiner vorigen Erzaͤh-
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Dritter Theil. F
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er ſiehet nicht ernſthafter aus; er iſt noch eben ſo
munter; ich weiß ſelbſt nicht, wie er ausſiehet.
Dieſes eine weiß ich, er hat jetzt viel mehr Drei-
ſtigkeit als ſonſt in ſeinem Anſehen: eine Gabe, an
der es ihm vorhin nicht gefehlet.
Doch hier iſt der Schluͤſſel! Jch ſehe ihn jetzt mit
Furcht, weil ich mir bewuſt bin, daß ich ihm
durch meine Unvorſichtigkeit allzu viele Gewalt
uͤber mich gegeben habe. Er kann mit Recht ein
dreiſtes und vornehmes Geſicht annehmen, nach-
dem ich aufgehoͤrt habe, das zu ſeyn, was ich mir
ſonſt einbildete zu ſeyn, (eine Einbildung, die Leu-
ten wohl anſtehet, ſo lange ſie von andern geeh-
ret werden) und nachdem mir mein Gewiſſen ſaget,
daß ich von ihm uͤberwunden und ihm jetzund als
meinen Beſchuͤtzer verpflichtet bin.
Jch werde dieſen Brief, wie den vorigen, durch
einen armen Mann beſtellen laſſen, der mit ſei-
nem kleinen Kram taglich herum gehet. Er ſoll ihn
nach ihrem Befehl in dem Hauſe der Frau Knol-
lys abgeben.
Wenn ſie etwas von meinen Eltern und von ih-
rem Befinden, oder von der Geſinnung meiner
Freunde gegen mich wiſſen; ſo ſeyn Sie ſo guͤtig,
mich durch ein paar Zeilen zu benachrichtigen, und
ſie dem Ueberbringer dieſes Briefes mit zu geben,
wenn ſie anders wiſſen koͤnnen, daß er auf Ant-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/95>, abgerufen am 04.12.2024.
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