Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



men einige Flüche dabey zum besten. Dieses ist
auch eine von seinen Tugenden. Bey Tische such-
te ich ihn wegen seiner unbedachtsamen Reden
schamroth zu machen.

Jch hatte gehört, daß er unten über seinen Die-
ner geflucht hatte, dem er doch selbst das Lob giebt,
daß er ein guter Bedienter sey. Jch sagte daher
zu ihm: das ist ein elendes Leben, wenn einer ein
Wirthshaus hält.

Ey nein! die Leute haben es gut genug. War-
um bedauren sie aber die Kerls, die sich auf an-
derer Unkosten etwas zu gute thun?

Wegen der Einquartirung.(+) Jch glaube, die
meisten Soldaten sind Bösewichter. Gott be-
hüte, wie habe ich einen vor einer Viertheil-Stun-
de fluchen hören. Aus der Antwort die ihm der
Bediente mit einer sanften Stimme gab merckte
ich, daß er einen guten geduldigen Menschen vor
sich haben müßte. Das Sprichwort hat Grund,
wenn man sagt: er schwört wie ein Landes-
Knecht.

Er biß sich auf die Lippen: stand auf, kehrte
sich um, trat vor den Spiegel, und schämte sich
recht dreiste. Ja! (sagte er) Fräulein, die Sol-
daten sind schlimme Kerls. Die Officiers sollten
sie straffen.

Das ist wahr! Straffe verdienen sie. Schwö-
ren ist ein Laster, das gar nicht männlich läst,



und
(+) Jn England pflegen die Soldaten blos in die
Wirths-Hänser eingelegt zu werden.



men einige Fluͤche dabey zum beſten. Dieſes iſt
auch eine von ſeinen Tugenden. Bey Tiſche ſuch-
te ich ihn wegen ſeiner unbedachtſamen Reden
ſchamroth zu machen.

Jch hatte gehoͤrt, daß er unten uͤber ſeinen Die-
ner geflucht hatte, dem er doch ſelbſt das Lob giebt,
daß er ein guter Bedienter ſey. Jch ſagte daher
zu ihm: das iſt ein elendes Leben, wenn einer ein
Wirthshaus haͤlt.

Ey nein! die Leute haben es gut genug. War-
um bedauren ſie aber die Kerls, die ſich auf an-
derer Unkoſten etwas zu gute thun?

Wegen der Einquartirung.(†) Jch glaube, die
meiſten Soldaten ſind Boͤſewichter. Gott be-
huͤte, wie habe ich einen vor einer Viertheil-Stun-
de fluchen hoͤren. Aus der Antwort die ihm der
Bediente mit einer ſanften Stimme gab merckte
ich, daß er einen guten geduldigen Menſchen vor
ſich haben muͤßte. Das Sprichwort hat Grund,
wenn man ſagt: er ſchwoͤrt wie ein Landes-
Knecht.

Er biß ſich auf die Lippen: ſtand auf, kehrte
ſich um, trat vor den Spiegel, und ſchaͤmte ſich
recht dreiſte. Ja! (ſagte er) Fraͤulein, die Sol-
daten ſind ſchlimme Kerls. Die Officiers ſollten
ſie ſtraffen.

Das iſt wahr! Straffe verdienen ſie. Schwoͤ-
ren iſt ein Laſter, das gar nicht maͤnnlich laͤſt,



und
(†) Jn England pflegen die Soldaten blos in die
Wirths-Haͤnſer eingelegt zu werden.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0088" n="74"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
men einige Flu&#x0364;che dabey zum be&#x017F;ten. Die&#x017F;es i&#x017F;t<lb/>
auch eine von &#x017F;einen Tugenden. Bey Ti&#x017F;che &#x017F;uch-<lb/>
te ich ihn wegen &#x017F;einer unbedacht&#x017F;amen Reden<lb/>
&#x017F;chamroth zu machen.</p><lb/>
          <p>Jch hatte geho&#x0364;rt, daß er unten u&#x0364;ber &#x017F;einen Die-<lb/>
ner geflucht hatte, dem er doch &#x017F;elb&#x017F;t das Lob giebt,<lb/>
daß er ein guter Bedienter &#x017F;ey. Jch &#x017F;agte daher<lb/>
zu ihm: das i&#x017F;t ein elendes Leben, wenn einer ein<lb/>
Wirthshaus ha&#x0364;lt.</p><lb/>
          <p>Ey nein! die Leute haben es gut genug. War-<lb/>
um bedauren &#x017F;ie aber die Kerls, die &#x017F;ich auf an-<lb/>
derer Unko&#x017F;ten etwas zu gute thun?</p><lb/>
          <p>Wegen der Einquartirung.<note place="foot" n="(&#x2020;)">Jn England pflegen die Soldaten blos in die<lb/>
Wirths-Ha&#x0364;n&#x017F;er eingelegt zu werden.</note> Jch glaube, die<lb/>
mei&#x017F;ten Soldaten &#x017F;ind Bo&#x0364;&#x017F;ewichter. Gott be-<lb/>
hu&#x0364;te, wie habe ich einen vor einer Viertheil-Stun-<lb/>
de fluchen ho&#x0364;ren. Aus der Antwort die ihm der<lb/>
Bediente mit einer &#x017F;anften Stimme gab merckte<lb/>
ich, daß er einen guten geduldigen Men&#x017F;chen vor<lb/>
&#x017F;ich haben mu&#x0364;ßte. Das Sprichwort hat Grund,<lb/>
wenn man &#x017F;agt: <hi rendition="#fr">er &#x017F;chwo&#x0364;rt wie ein Landes-<lb/>
Knecht.</hi></p><lb/>
          <p>Er biß &#x017F;ich auf die Lippen: &#x017F;tand auf, kehrte<lb/>
&#x017F;ich um, trat vor den Spiegel, und &#x017F;cha&#x0364;mte &#x017F;ich<lb/>
recht drei&#x017F;te. Ja! (&#x017F;agte er) Fra&#x0364;ulein, die Sol-<lb/>
daten &#x017F;ind &#x017F;chlimme Kerls. Die Officiers &#x017F;ollten<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;traffen.</p><lb/>
          <p>Das i&#x017F;t wahr! Straffe verdienen &#x017F;ie. Schwo&#x0364;-<lb/>
ren i&#x017F;t ein La&#x017F;ter, das gar nicht <hi rendition="#fr">ma&#x0364;nnlich</hi> la&#x0364;&#x017F;t,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[74/0088] men einige Fluͤche dabey zum beſten. Dieſes iſt auch eine von ſeinen Tugenden. Bey Tiſche ſuch- te ich ihn wegen ſeiner unbedachtſamen Reden ſchamroth zu machen. Jch hatte gehoͤrt, daß er unten uͤber ſeinen Die- ner geflucht hatte, dem er doch ſelbſt das Lob giebt, daß er ein guter Bedienter ſey. Jch ſagte daher zu ihm: das iſt ein elendes Leben, wenn einer ein Wirthshaus haͤlt. Ey nein! die Leute haben es gut genug. War- um bedauren ſie aber die Kerls, die ſich auf an- derer Unkoſten etwas zu gute thun? Wegen der Einquartirung. (†) Jch glaube, die meiſten Soldaten ſind Boͤſewichter. Gott be- huͤte, wie habe ich einen vor einer Viertheil-Stun- de fluchen hoͤren. Aus der Antwort die ihm der Bediente mit einer ſanften Stimme gab merckte ich, daß er einen guten geduldigen Menſchen vor ſich haben muͤßte. Das Sprichwort hat Grund, wenn man ſagt: er ſchwoͤrt wie ein Landes- Knecht. Er biß ſich auf die Lippen: ſtand auf, kehrte ſich um, trat vor den Spiegel, und ſchaͤmte ſich recht dreiſte. Ja! (ſagte er) Fraͤulein, die Sol- daten ſind ſchlimme Kerls. Die Officiers ſollten ſie ſtraffen. Das iſt wahr! Straffe verdienen ſie. Schwoͤ- ren iſt ein Laſter, das gar nicht maͤnnlich laͤſt, und (†) Jn England pflegen die Soldaten blos in die Wirths-Haͤnſer eingelegt zu werden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/88
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/88>, abgerufen am 04.12.2024.