Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite


Solche Stiche verdiene ich mir durch meine allge-
meine Liebe, die alles zum besten kehret.

Jch bedanckte mich von Hertzen für ihre allzu gü-
tige Vorsorge. Allein sie möchte mir nicht übel neh-
men, wenn ich sagte, daß fromme Leute in ihrem
Urtheil gemeiniglich so lieblos wären, daß (der Teu-
fel hohle mich!) ich mich fast fürchtete, fromm zu wer-
den, wenn es nothwendig mit der Frömmigkeit ver-
knüpfet wäre, daß man alle Leute beurtheilen und
verdammen müßte.

Sie wünschte mir Glück dazu, daß meine Liebe so
allgemein sey: allein sie setzte hinzu: sie hoffete, sie
würde dennoch nicht für lieblos gehalten werden,
wenn sie gleich die niederträchtige Gesellschaft nicht
loben könnte, in die ich sie gestern Abend geführet hätte.

Sie nahm dich nicht aus, Belford, deine tau-
send Pfund behältst du.

Jch sagte: ich könnte nicht mercken, daß ihr je-
mand in der Welt gefiele. (Sie redete deutlich,
und ich mußte auch deutlich reden. Warum schimpf-
te sie meine Freunde? Seyd mir und meinen
Hunden gut!
würde der Lord M. sagen.) Sie
möchte mir indessen nur zu erkennen geben, was ihr
gefiele, und was ihr nicht gefiele: ich wollte, mich
so viel als möglich sey, nach ihrem Geschmack rich-
ten.

Sie antwortete auf eine verdrießliche Weise: so
möchte ich mir denn selbsten misfallen.

Verflucht ernsthaft! fürchtet das Kind nicht,
daß ein Tag oder Nacht kommen wird, da es da-
vor büssen soll? Wenn es einmal gebüsset

hat,


Solche Stiche verdiene ich mir durch meine allge-
meine Liebe, die alles zum beſten kehret.

Jch bedanckte mich von Hertzen fuͤr ihre allzu guͤ-
tige Vorſorge. Allein ſie moͤchte mir nicht uͤbel neh-
men, wenn ich ſagte, daß fromme Leute in ihrem
Urtheil gemeiniglich ſo lieblos waͤren, daß (der Teu-
fel hohle mich!) ich mich faſt fuͤrchtete, fromm zu wer-
den, wenn es nothwendig mit der Froͤmmigkeit ver-
knuͤpfet waͤre, daß man alle Leute beurtheilen und
verdammen muͤßte.

Sie wuͤnſchte mir Gluͤck dazu, daß meine Liebe ſo
allgemein ſey: allein ſie ſetzte hinzu: ſie hoffete, ſie
wuͤrde dennoch nicht fuͤr lieblos gehalten werden,
wenn ſie gleich die niedertraͤchtige Geſellſchaft nicht
loben koͤnnte, in die ich ſie geſtern Abend gefuͤhret haͤtte.

Sie nahm dich nicht aus, Belford, deine tau-
ſend Pfund behaͤltſt du.

Jch ſagte: ich koͤnnte nicht mercken, daß ihr je-
mand in der Welt gefiele. (Sie redete deutlich,
und ich mußte auch deutlich reden. Warum ſchimpf-
te ſie meine Freunde? Seyd mir und meinen
Hunden gut!
wuͤrde der Lord M. ſagen.) Sie
moͤchte mir indeſſen nur zu erkennen geben, was ihr
gefiele, und was ihr nicht gefiele: ich wollte, mich
ſo viel als moͤglich ſey, nach ihrem Geſchmack rich-
ten.

Sie antwortete auf eine verdrießliche Weiſe: ſo
moͤchte ich mir denn ſelbſten misfallen.

Verflucht ernſthaft! fuͤrchtet das Kind nicht,
daß ein Tag oder Nacht kommen wird, da es da-
vor buͤſſen ſoll? Wenn es einmal gebuͤſſet

hat,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0541" n="527"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Solche Stiche verdiene ich mir durch meine allge-<lb/>
meine Liebe, die alles zum be&#x017F;ten kehret.</p><lb/>
          <p>Jch bedanckte mich von Hertzen fu&#x0364;r ihre allzu gu&#x0364;-<lb/>
tige Vor&#x017F;orge. Allein &#x017F;ie mo&#x0364;chte mir nicht u&#x0364;bel neh-<lb/>
men, wenn ich &#x017F;agte, daß fromme Leute in ihrem<lb/>
Urtheil gemeiniglich &#x017F;o lieblos wa&#x0364;ren, daß (der Teu-<lb/>
fel hohle mich!) ich mich fa&#x017F;t fu&#x0364;rchtete, fromm zu wer-<lb/>
den, wenn es nothwendig mit der Fro&#x0364;mmigkeit ver-<lb/>
knu&#x0364;pfet wa&#x0364;re, daß man alle Leute beurtheilen und<lb/>
verdammen mu&#x0364;ßte.</p><lb/>
          <p>Sie wu&#x0364;n&#x017F;chte mir Glu&#x0364;ck dazu, daß meine Liebe &#x017F;o<lb/>
allgemein &#x017F;ey: allein &#x017F;ie &#x017F;etzte hinzu: &#x017F;ie hoffete, &#x017F;ie<lb/>
wu&#x0364;rde dennoch nicht fu&#x0364;r lieblos gehalten werden,<lb/>
wenn &#x017F;ie gleich die niedertra&#x0364;chtige Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft nicht<lb/>
loben ko&#x0364;nnte, in die ich &#x017F;ie ge&#x017F;tern Abend gefu&#x0364;hret ha&#x0364;tte.</p><lb/>
          <p>Sie nahm dich nicht aus, <hi rendition="#fr">Belford,</hi> deine tau-<lb/>
&#x017F;end Pfund beha&#x0364;lt&#x017F;t du.</p><lb/>
          <p>Jch &#x017F;agte: ich ko&#x0364;nnte nicht mercken, daß ihr je-<lb/>
mand in der Welt gefiele. (Sie redete deutlich,<lb/>
und ich mußte auch deutlich reden. Warum &#x017F;chimpf-<lb/>
te &#x017F;ie meine Freunde? <hi rendition="#fr">Seyd mir und meinen<lb/>
Hunden gut!</hi> wu&#x0364;rde der Lord <hi rendition="#fr">M.</hi> &#x017F;agen.) Sie<lb/>
mo&#x0364;chte mir inde&#x017F;&#x017F;en nur zu erkennen geben, was ihr<lb/>
gefiele, und was ihr nicht gefiele: ich wollte, mich<lb/>
&#x017F;o viel als mo&#x0364;glich &#x017F;ey, nach ihrem Ge&#x017F;chmack rich-<lb/>
ten.</p><lb/>
          <p>Sie antwortete auf eine verdrießliche Wei&#x017F;e: &#x017F;o<lb/>
mo&#x0364;chte ich mir denn &#x017F;elb&#x017F;ten misfallen.</p><lb/>
          <p>Verflucht ern&#x017F;thaft! fu&#x0364;rchtet das Kind nicht,<lb/>
daß ein Tag oder Nacht kommen wird, da es da-<lb/>
vor bu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;oll? Wenn es einmal gebu&#x0364;&#x017F;&#x017F;et<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">hat,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[527/0541] Solche Stiche verdiene ich mir durch meine allge- meine Liebe, die alles zum beſten kehret. Jch bedanckte mich von Hertzen fuͤr ihre allzu guͤ- tige Vorſorge. Allein ſie moͤchte mir nicht uͤbel neh- men, wenn ich ſagte, daß fromme Leute in ihrem Urtheil gemeiniglich ſo lieblos waͤren, daß (der Teu- fel hohle mich!) ich mich faſt fuͤrchtete, fromm zu wer- den, wenn es nothwendig mit der Froͤmmigkeit ver- knuͤpfet waͤre, daß man alle Leute beurtheilen und verdammen muͤßte. Sie wuͤnſchte mir Gluͤck dazu, daß meine Liebe ſo allgemein ſey: allein ſie ſetzte hinzu: ſie hoffete, ſie wuͤrde dennoch nicht fuͤr lieblos gehalten werden, wenn ſie gleich die niedertraͤchtige Geſellſchaft nicht loben koͤnnte, in die ich ſie geſtern Abend gefuͤhret haͤtte. Sie nahm dich nicht aus, Belford, deine tau- ſend Pfund behaͤltſt du. Jch ſagte: ich koͤnnte nicht mercken, daß ihr je- mand in der Welt gefiele. (Sie redete deutlich, und ich mußte auch deutlich reden. Warum ſchimpf- te ſie meine Freunde? Seyd mir und meinen Hunden gut! wuͤrde der Lord M. ſagen.) Sie moͤchte mir indeſſen nur zu erkennen geben, was ihr gefiele, und was ihr nicht gefiele: ich wollte, mich ſo viel als moͤglich ſey, nach ihrem Geſchmack rich- ten. Sie antwortete auf eine verdrießliche Weiſe: ſo moͤchte ich mir denn ſelbſten misfallen. Verflucht ernſthaft! fuͤrchtet das Kind nicht, daß ein Tag oder Nacht kommen wird, da es da- vor buͤſſen ſoll? Wenn es einmal gebuͤſſet hat,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/541
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/541>, abgerufen am 28.11.2024.