Sie sagte noch auf der Treppe zu mir: sie bemü- hen sich zu viel gnädige Frau. Gott kennet mein Hertz, ich habe es nicht übel gemeint. Allein da sie mir meine Freyheit ungnädig nehmen, so bitte ich sie nur Herrn Lovelacen nichts davon zu sagen: denn er könnte mir es zur Grobheit auslegen.
Jst dieses nicht entweder durch meine Schuld, oder nach anderer Absicht, ein wunderlicher Zufall? Jch mag nicht gerne unhöflich seyn: ich muß mich aber selbst einer Unhöflichkeit beschuldigen, wenn diese Bitte keine üble Absicht gehabt hat. Jch habe mich über dieses verrathen, daß ich eine solche Auffüh- rung von Herrn Lovelacen besorge, die billig nie- manden auch nur in die Gedancken kommen sollte. Jst mein Verdacht gegründet: so habe ich alles zu befürchten, und ich muß Herrn Lovelacen und die- ses Haus als die Pest fliehen. Habe ich keinen Grund zu diesem Verdacht gehabt, so wird mir den- noch ein längerer Aufenthalt in diesem Hause keine Ehre bringen, wenn ich nicht eine andere wahrschein- liche Ursache ersinnen kann, die mich bewogen hat, eine abschlägige Antwort zu geben. Jch zürne jetzt mit ihm, mit mir, mit der gantzen Welt, Sie al- lein ausgenommen. Die Gesellschaft, die er um sich hat, ist mir gantz unerträglich. Was hat ihn bewogen mich unter solche Leute zu bringen. Ein vor allemahl, ich kann ihn nicht leiden. Jch ver- bleibe
Dero ergebenste Cl. Harlowe.
Der
Sie ſagte noch auf der Treppe zu mir: ſie bemuͤ- hen ſich zu viel gnaͤdige Frau. Gott kennet mein Hertz, ich habe es nicht uͤbel gemeint. Allein da ſie mir meine Freyheit ungnaͤdig nehmen, ſo bitte ich ſie nur Herrn Lovelacen nichts davon zu ſagen: denn er koͤnnte mir es zur Grobheit auslegen.
Jſt dieſes nicht entweder durch meine Schuld, oder nach anderer Abſicht, ein wunderlicher Zufall? Jch mag nicht gerne unhoͤflich ſeyn: ich muß mich aber ſelbſt einer Unhoͤflichkeit beſchuldigen, wenn dieſe Bitte keine uͤble Abſicht gehabt hat. Jch habe mich uͤber dieſes verrathen, daß ich eine ſolche Auffuͤh- rung von Herrn Lovelacen beſorge, die billig nie- manden auch nur in die Gedancken kommen ſollte. Jſt mein Verdacht gegruͤndet: ſo habe ich alles zu befuͤrchten, und ich muß Herrn Lovelacen und die- ſes Haus als die Peſt fliehen. Habe ich keinen Grund zu dieſem Verdacht gehabt, ſo wird mir den- noch ein laͤngerer Aufenthalt in dieſem Hauſe keine Ehre bringen, wenn ich nicht eine andere wahrſchein- liche Urſache erſinnen kann, die mich bewogen hat, eine abſchlaͤgige Antwort zu geben. Jch zuͤrne jetzt mit ihm, mit mir, mit der gantzen Welt, Sie al- lein ausgenommen. Die Geſellſchaft, die er um ſich hat, iſt mir gantz unertraͤglich. Was hat ihn bewogen mich unter ſolche Leute zu bringen. Ein vor allemahl, ich kann ihn nicht leiden. Jch ver- bleibe
Dero ergebenſte Cl. Harlowe.
Der
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Sie ſagte noch auf der Treppe zu mir: ſie bemuͤ-
hen ſich zu viel gnaͤdige Frau. Gott kennet mein
Hertz, ich habe es nicht uͤbel gemeint. Allein da ſie
mir meine Freyheit ungnaͤdig nehmen, ſo bitte ich
ſie nur Herrn Lovelacen nichts davon zu ſagen:
denn er koͤnnte mir es zur Grobheit auslegen.
Jſt dieſes nicht entweder durch meine Schuld, oder
nach anderer Abſicht, ein wunderlicher Zufall? Jch
mag nicht gerne unhoͤflich ſeyn: ich muß mich aber
ſelbſt einer Unhoͤflichkeit beſchuldigen, wenn dieſe
Bitte keine uͤble Abſicht gehabt hat. Jch habe mich
uͤber dieſes verrathen, daß ich eine ſolche Auffuͤh-
rung von Herrn Lovelacen beſorge, die billig nie-
manden auch nur in die Gedancken kommen ſollte.
Jſt mein Verdacht gegruͤndet: ſo habe ich alles zu
befuͤrchten, und ich muß Herrn Lovelacen und die-
ſes Haus als die Peſt fliehen. Habe ich keinen
Grund zu dieſem Verdacht gehabt, ſo wird mir den-
noch ein laͤngerer Aufenthalt in dieſem Hauſe keine
Ehre bringen, wenn ich nicht eine andere wahrſchein-
liche Urſache erſinnen kann, die mich bewogen hat,
eine abſchlaͤgige Antwort zu geben. Jch zuͤrne jetzt
mit ihm, mit mir, mit der gantzen Welt, Sie al-
lein ausgenommen. Die Geſellſchaft, die er um
ſich hat, iſt mir gantz unertraͤglich. Was hat ihn
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 509. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/523>, abgerufen am 21.11.2024.
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