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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

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gnügen zu finden. Einer griff immer den andern
an: und sie stritten nach den Regeln der gelehrten
Fechter-Kunst. So oft einer von beyden etwas vor-
brachte, das den andern zu treffen schien, sahe er
uns Frauenzimmer an, um sich zu versichern, ob
wir seine Gelehrsamkeit und Verstand bewunderten.
Herr Belford war seinem Widersacher sehr merck-
lich überlegen: er ist von einem aufgeweckteren Ver-
stande, und er scheint dieses zu wissen, denn er ver-
theidigte gemeiniglich unrichtige Sätze, um seinen
Vorzug vor dem andern desto mehr zu zeigen. Mir
fielen hiebey Miltons Worte ein.

Von Honig floß sein Mund: das Unrecht schien
uns Recht,
Der Jrrthum lockte uns, wenn er die Lippen
regte.
Die Wahrheit stand beschämt, wenn er sie wi-
derlegte.
Sein niederträchtigs Hertz, und sein verworrnes
Haupt
Voll Witz versteht die Kunst das leichte zu ver-
wirren,
Wo Einfalt sicher geht, wo niemand irrt zu irren.
Zum Laster groß und kühn, durch das, was un-
erlaubt,
Und was unglaublich ist gereitzt, wird er beredt.
Zu edlen Thaten matt, zu grossen Schlüssen träge,
Vergnügt er doch das Ohr.
Wir sind gewohnt, uns in unserer Wahl zu gefal-
len, so lange wir nicht gantz ohne Hoffnung sind,
wenn uns gleich einige Umstände nicht gefallen, in
die



gnuͤgen zu finden. Einer griff immer den andern
an: und ſie ſtritten nach den Regeln der gelehrten
Fechter-Kunſt. So oft einer von beyden etwas vor-
brachte, das den andern zu treffen ſchien, ſahe er
uns Frauenzimmer an, um ſich zu verſichern, ob
wir ſeine Gelehrſamkeit und Verſtand bewunderten.
Herr Belford war ſeinem Widerſacher ſehr merck-
lich uͤberlegen: er iſt von einem aufgeweckteren Ver-
ſtande, und er ſcheint dieſes zu wiſſen, denn er ver-
theidigte gemeiniglich unrichtige Saͤtze, um ſeinen
Vorzug vor dem andern deſto mehr zu zeigen. Mir
fielen hiebey Miltons Worte ein.

Von Honig floß ſein Mund: das Unrecht ſchien
uns Recht,
Der Jrrthum lockte uns, wenn er die Lippen
regte.
Die Wahrheit ſtand beſchaͤmt, wenn er ſie wi-
derlegte.
Sein niedertraͤchtigs Hertz, und ſein verworrnes
Haupt
Voll Witz verſteht die Kunſt das leichte zu ver-
wirren,
Wo Einfalt ſicher geht, wo niemand irrt zu irren.
Zum Laſter groß und kuͤhn, durch das, was un-
erlaubt,
Und was unglaublich iſt gereitzt, wird er beredt.
Zu edlen Thaten matt, zu groſſen Schluͤſſen traͤge,
Vergnuͤgt er doch das Ohr.
Wir ſind gewohnt, uns in unſerer Wahl zu gefal-
len, ſo lange wir nicht gantz ohne Hoffnung ſind,
wenn uns gleich einige Umſtaͤnde nicht gefallen, in
die
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[502/0516] gnuͤgen zu finden. Einer griff immer den andern an: und ſie ſtritten nach den Regeln der gelehrten Fechter-Kunſt. So oft einer von beyden etwas vor- brachte, das den andern zu treffen ſchien, ſahe er uns Frauenzimmer an, um ſich zu verſichern, ob wir ſeine Gelehrſamkeit und Verſtand bewunderten. Herr Belford war ſeinem Widerſacher ſehr merck- lich uͤberlegen: er iſt von einem aufgeweckteren Ver- ſtande, und er ſcheint dieſes zu wiſſen, denn er ver- theidigte gemeiniglich unrichtige Saͤtze, um ſeinen Vorzug vor dem andern deſto mehr zu zeigen. Mir fielen hiebey Miltons Worte ein. Von Honig floß ſein Mund: das Unrecht ſchien uns Recht, Der Jrrthum lockte uns, wenn er die Lippen regte. Die Wahrheit ſtand beſchaͤmt, wenn er ſie wi- derlegte. Sein niedertraͤchtigs Hertz, und ſein verworrnes Haupt Voll Witz verſteht die Kunſt das leichte zu ver- wirren, Wo Einfalt ſicher geht, wo niemand irrt zu irren. Zum Laſter groß und kuͤhn, durch das, was un- erlaubt, Und was unglaublich iſt gereitzt, wird er beredt. Zu edlen Thaten matt, zu groſſen Schluͤſſen traͤge, Vergnuͤgt er doch das Ohr. Wir ſind gewohnt, uns in unſerer Wahl zu gefal- len, ſo lange wir nicht gantz ohne Hoffnung ſind, wenn uns gleich einige Umſtaͤnde nicht gefallen, in die

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 502. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/516>, abgerufen am 28.11.2024.