Person vor der andern gebe, sey in ihrem Hertzen noch nicht durch das unordentliche Leben ausgelöschet.
"Wie schwer ist ein Frauenzimmer dahin zu "bringen, daß es eine andere Schöne sich selbsten "vorziehet? sonderlich alsdenn, wenn die Liebe mit "in dem Spiel ist? der kleine hitzige eigenliebische "Teufel, die Sally, hat die Verwegenheit, "sich mit einem Engel zu vergleichen. Sie sagte: "ich bitte sie, Herr Lovelace, vergehen sie sich "nicht in meiner Gegenwart durch eine übertriebene "Herablassung gegen diese eigensinnige mürrische "Schöne. Jch kann es ohnmöglich ansehen. "Hierrauf erinnerte sie mich, wie sie mir ihre Erst- "linge geopfert hätte. Was für ein Wesen ma- "chen doch die Jungfern aus einem blossen Nichts? "denn was ist es, wodurch sie uns vergnügen kön- "nen, als daß sie uns nach dem Ausdruck unsers "gelehrten Bischoffs, in seinen Jtaliänischen Brie- "fen, Gelegenheit zu einer zärtlichen und angeneh- "men Schelmerey geben.
"Wir suchen diese Mädchens nicht zu verfüh- "ren! Ein verführtes Frauenzimmer ist ein ärge- "rer Teufel, als ein liederlicher Kerl: es hat gar "kein Gewissen, dessen Schläge ich noch fühlen "muß. Wenn gleich alle Kräfte der Finsterniß ih- "nen beystehen, so sollen sie mich doch nie dahin "bringen, daß ich diesem Engel übel begegne; das "eintzige ausgenommen, daß ich durch angestelle- "te Versuche erfahren muß, ob es ein Mädchen "oder ein Engel ist."
"Diese
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Perſon vor der andern gebe, ſey in ihrem Hertzen noch nicht durch das unordentliche Leben ausgeloͤſchet.
„Wie ſchwer iſt ein Frauenzimmer dahin zu „bringen, daß es eine andere Schoͤne ſich ſelbſten „vorziehet? ſonderlich alsdenn, wenn die Liebe mit „in dem Spiel iſt? der kleine hitzige eigenliebiſche „Teufel, die Sally, hat die Verwegenheit, „ſich mit einem Engel zu vergleichen. Sie ſagte: „ich bitte ſie, Herr Lovelace, vergehen ſie ſich „nicht in meiner Gegenwart durch eine uͤbertriebene „Herablaſſung gegen dieſe eigenſinnige muͤrriſche „Schoͤne. Jch kann es ohnmoͤglich anſehen. „Hierrauf erinnerte ſie mich, wie ſie mir ihre Erſt- „linge geopfert haͤtte. Was fuͤr ein Weſen ma- „chen doch die Jungfern aus einem bloſſen Nichts? „denn was iſt es, wodurch ſie uns vergnuͤgen koͤn- „nen, als daß ſie uns nach dem Ausdruck unſers „gelehrten Biſchoffs, in ſeinen Jtaliaͤniſchen Brie- „fen, Gelegenheit zu einer zaͤrtlichen und angeneh- „men Schelmerey geben.
„Wir ſuchen dieſe Maͤdchens nicht zu verfuͤh- „ren! Ein verfuͤhrtes Frauenzimmer iſt ein aͤrge- „rer Teufel, als ein liederlicher Kerl: es hat gar „kein Gewiſſen, deſſen Schlaͤge ich noch fuͤhlen „muß. Wenn gleich alle Kraͤfte der Finſterniß ih- „nen beyſtehen, ſo ſollen ſie mich doch nie dahin „bringen, daß ich dieſem Engel uͤbel begegne; das „eintzige ausgenommen, daß ich durch angeſtelle- „te Verſuche erfahren muß, ob es ein Maͤdchen „oder ein Engel iſt.„
„Dieſe
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Perſon vor der andern gebe, ſey in ihrem Hertzen
noch nicht durch das unordentliche Leben ausgeloͤſchet.
„Wie ſchwer iſt ein Frauenzimmer dahin zu
„bringen, daß es eine andere Schoͤne ſich ſelbſten
„vorziehet? ſonderlich alsdenn, wenn die Liebe mit
„in dem Spiel iſt? der kleine hitzige eigenliebiſche
„Teufel, die Sally, hat die Verwegenheit,
„ſich mit einem Engel zu vergleichen. Sie ſagte:
„ich bitte ſie, Herr Lovelace, vergehen ſie ſich
„nicht in meiner Gegenwart durch eine uͤbertriebene
„Herablaſſung gegen dieſe eigenſinnige muͤrriſche
„Schoͤne. Jch kann es ohnmoͤglich anſehen.
„Hierrauf erinnerte ſie mich, wie ſie mir ihre Erſt-
„linge geopfert haͤtte. Was fuͤr ein Weſen ma-
„chen doch die Jungfern aus einem bloſſen Nichts?
„denn was iſt es, wodurch ſie uns vergnuͤgen koͤn-
„nen, als daß ſie uns nach dem Ausdruck unſers
„gelehrten Biſchoffs, in ſeinen Jtaliaͤniſchen Brie-
„fen, Gelegenheit zu einer zaͤrtlichen und angeneh-
„men Schelmerey geben.
„Wir ſuchen dieſe Maͤdchens nicht zu verfuͤh-
„ren! Ein verfuͤhrtes Frauenzimmer iſt ein aͤrge-
„rer Teufel, als ein liederlicher Kerl: es hat gar
„kein Gewiſſen, deſſen Schlaͤge ich noch fuͤhlen
„muß. Wenn gleich alle Kraͤfte der Finſterniß ih-
„nen beyſtehen, ſo ſollen ſie mich doch nie dahin
„bringen, daß ich dieſem Engel uͤbel begegne; das
„eintzige ausgenommen, daß ich durch angeſtelle-
„te Verſuche erfahren muß, ob es ein Maͤdchen
„oder ein Engel iſt.„
„Dieſe
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/487>, abgerufen am 22.12.2024.
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