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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

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Wesen, und eine ziemlich gute Stimme. Sein
Hertz ward durch dieses Lob so belebet, daß er diese
Zeilen aus dem Congreve sang:

Es schwellt der Fruhling unsrer jungen Jahre
Das Hertz mit Lust, die in dem Winter stirbt.
Die Freude flieht die Nachbarschaft der Baare,
Die nur verliebt um rothe Wangen wirbt.

Er setzte hinzu: er singe dieses aus Gefälligkeit
gegen die beyden Jungfern. Seine Höflichkeit war
auch nicht vergeblich verschwendet: denn sie baten
ihn, die Verse ihnen noch einmahl vorzusingen, und
seinem Gehorsam gegen ihren Befehl habe ich es zu
dancken, daß ich sie behalten habe.

Wir redeten hierauf von Speisen, und die Wit-
we erbot sich sehr höflich, sich in Absicht auf die Kü-
che völlig nach mir zu richten. Jch sagte ihr, ich
würde sehr leicht zufrieden seyn: es gereichte mir zum
Vergnügen, wenn ich die meiste Zeit allein speisen
könnte, und mir von jedem Gerichte ein Teller ge-
schickt würde. Doch, wozu dienen diese Kleinig-
keiten, damit ich Jhnen die Zeit verderbe.

Jch kam den Leuten sehr sonderlich vor; und sie
haben Recht, wenn sie mich für seltsam halten.
Weil sie mir aber nicht so wohl gefielen, daß ich aus
Gefälligkeit gegen sie meinen Sinn ändern wollte;
so fragte ich desto weniger darnach, was sie von mir
dencken möchten, sonderlich da ich über Herrn Lo-
velacen
sehr mißvergnügt war. Sie warneten mich
vor tiefsinnigen Gedancken. Jch antwortete aber:
ich wäre billig zu beklagen, wenn mir meine eigene
Gesellschaft unerträglich wäre.

Herr
G g 2



Weſen, und eine ziemlich gute Stimme. Sein
Hertz ward durch dieſes Lob ſo belebet, daß er dieſe
Zeilen aus dem Congreve ſang:

Es ſchwellt der Fruhling unſrer jungen Jahre
Das Hertz mit Luſt, die in dem Winter ſtirbt.
Die Freude flieht die Nachbarſchaft der Baare,
Die nur verliebt um rothe Wangen wirbt.

Er ſetzte hinzu: er ſinge dieſes aus Gefaͤlligkeit
gegen die beyden Jungfern. Seine Hoͤflichkeit war
auch nicht vergeblich verſchwendet: denn ſie baten
ihn, die Verſe ihnen noch einmahl vorzuſingen, und
ſeinem Gehorſam gegen ihren Befehl habe ich es zu
dancken, daß ich ſie behalten habe.

Wir redeten hierauf von Speiſen, und die Wit-
we erbot ſich ſehr hoͤflich, ſich in Abſicht auf die Kuͤ-
che voͤllig nach mir zu richten. Jch ſagte ihr, ich
wuͤrde ſehr leicht zufrieden ſeyn: es gereichte mir zum
Vergnuͤgen, wenn ich die meiſte Zeit allein ſpeiſen
koͤnnte, und mir von jedem Gerichte ein Teller ge-
ſchickt wuͤrde. Doch, wozu dienen dieſe Kleinig-
keiten, damit ich Jhnen die Zeit verderbe.

Jch kam den Leuten ſehr ſonderlich vor; und ſie
haben Recht, wenn ſie mich fuͤr ſeltſam halten.
Weil ſie mir aber nicht ſo wohl gefielen, daß ich aus
Gefaͤlligkeit gegen ſie meinen Sinn aͤndern wollte;
ſo fragte ich deſto weniger darnach, was ſie von mir
dencken moͤchten, ſonderlich da ich uͤber Herrn Lo-
velacen
ſehr mißvergnuͤgt war. Sie warneten mich
vor tiefſinnigen Gedancken. Jch antwortete aber:
ich waͤre billig zu beklagen, wenn mir meine eigene
Geſellſchaft unertraͤglich waͤre.

Herr
G g 2
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[467/0481] Weſen, und eine ziemlich gute Stimme. Sein Hertz ward durch dieſes Lob ſo belebet, daß er dieſe Zeilen aus dem Congreve ſang: Es ſchwellt der Fruhling unſrer jungen Jahre Das Hertz mit Luſt, die in dem Winter ſtirbt. Die Freude flieht die Nachbarſchaft der Baare, Die nur verliebt um rothe Wangen wirbt. Er ſetzte hinzu: er ſinge dieſes aus Gefaͤlligkeit gegen die beyden Jungfern. Seine Hoͤflichkeit war auch nicht vergeblich verſchwendet: denn ſie baten ihn, die Verſe ihnen noch einmahl vorzuſingen, und ſeinem Gehorſam gegen ihren Befehl habe ich es zu dancken, daß ich ſie behalten habe. Wir redeten hierauf von Speiſen, und die Wit- we erbot ſich ſehr hoͤflich, ſich in Abſicht auf die Kuͤ- che voͤllig nach mir zu richten. Jch ſagte ihr, ich wuͤrde ſehr leicht zufrieden ſeyn: es gereichte mir zum Vergnuͤgen, wenn ich die meiſte Zeit allein ſpeiſen koͤnnte, und mir von jedem Gerichte ein Teller ge- ſchickt wuͤrde. Doch, wozu dienen dieſe Kleinig- keiten, damit ich Jhnen die Zeit verderbe. Jch kam den Leuten ſehr ſonderlich vor; und ſie haben Recht, wenn ſie mich fuͤr ſeltſam halten. Weil ſie mir aber nicht ſo wohl gefielen, daß ich aus Gefaͤlligkeit gegen ſie meinen Sinn aͤndern wollte; ſo fragte ich deſto weniger darnach, was ſie von mir dencken moͤchten, ſonderlich da ich uͤber Herrn Lo- velacen ſehr mißvergnuͤgt war. Sie warneten mich vor tiefſinnigen Gedancken. Jch antwortete aber: ich waͤre billig zu beklagen, wenn mir meine eigene Geſellſchaft unertraͤglich waͤre. Herr G g 2

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/481>, abgerufen am 22.11.2024.