Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite


So bald sie weggegangen war, besahe ich die
Thüren, die Fenster, das Tafel-Werck, und
die beyden Closets an der Stube, (deren das eine
keine Fenster hat:) und da ich fand daß alles wohl
verwahrt ist, wende ich mich wieder zu meinem
Schreib-Zeuge.



Frau Sinclair gehet eben von mir weg. Dor-
cas
hatte ihr gesagt, daß ich diesen Abend ihr Ur-
laub gegeben hätte. Sie kam deswegen noch, um
sich zu erkundigen, wie mir die Zimmer gefielen, und
mir eine gute Nacht zu wünschen. Sie beklagte,
daß sie meine Gesellschaft bey dem Abendessen nicht
gehabt hätten: Herr Lovelace (sagte sie) habe
ihr zu verstehen gegeben, daß ich die Stille liebete,
und sie versicherte, daß ich in meiner Einsamkeit
nicht sollte gestöret werden. Sie lobete ihn sehr,
und als sie auf seine Gestalt zu sprechen kam, gab
sie mir auch einen Antheil an seinem Lobe: bedaure-
te aber, daß sie uns so bald verlieren sollte, als sie
von Herrn Lovelacen verstanden hätte.

Jch antwortete ihr höflich, und sie nahm so ehr-
erbietig Abschied, daß es bey dem grossen Unter-
schied unserer Jahre mir fast zu viel gethan schien,
sonderlich da sie die Witwe eines angesehenen Man-
nes ist, und sich in Kleidung so wohl aufführet, und
ein so schönes und gut meublirtes Haus hat, daß
ihre Umstände nicht dürftig seyn können, und sie der
Mangel nicht zwinget, sich so sehr herunter zu lassen.

Wenn sie ohngeachtet des Verbots Jhrer Mut-
ter fortfahren wollen, zu schreiben, so nennen Sie

mich
F f 5


So bald ſie weggegangen war, beſahe ich die
Thuͤren, die Fenſter, das Tafel-Werck, und
die beyden Cloſets an der Stube, (deren das eine
keine Fenſter hat:) und da ich fand daß alles wohl
verwahrt iſt, wende ich mich wieder zu meinem
Schreib-Zeuge.



Frau Sinclair gehet eben von mir weg. Dor-
cas
hatte ihr geſagt, daß ich dieſen Abend ihr Ur-
laub gegeben haͤtte. Sie kam deswegen noch, um
ſich zu erkundigen, wie mir die Zimmer gefielen, und
mir eine gute Nacht zu wuͤnſchen. Sie beklagte,
daß ſie meine Geſellſchaft bey dem Abendeſſen nicht
gehabt haͤtten: Herr Lovelace (ſagte ſie) habe
ihr zu verſtehen gegeben, daß ich die Stille liebete,
und ſie verſicherte, daß ich in meiner Einſamkeit
nicht ſollte geſtoͤret werden. Sie lobete ihn ſehr,
und als ſie auf ſeine Geſtalt zu ſprechen kam, gab
ſie mir auch einen Antheil an ſeinem Lobe: bedaure-
te aber, daß ſie uns ſo bald verlieren ſollte, als ſie
von Herrn Lovelacen verſtanden haͤtte.

Jch antwortete ihr hoͤflich, und ſie nahm ſo ehr-
erbietig Abſchied, daß es bey dem groſſen Unter-
ſchied unſerer Jahre mir faſt zu viel gethan ſchien,
ſonderlich da ſie die Witwe eines angeſehenen Man-
nes iſt, und ſich in Kleidung ſo wohl auffuͤhret, und
ein ſo ſchoͤnes und gut meublirtes Haus hat, daß
ihre Umſtaͤnde nicht duͤrftig ſeyn koͤnnen, und ſie der
Mangel nicht zwinget, ſich ſo ſehr herunter zu laſſen.

Wenn ſie ohngeachtet des Verbots Jhrer Mut-
ter fortfahren wollen, zu ſchreiben, ſo nennen Sie

mich
F f 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0471" n="457"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>So bald &#x017F;ie weggegangen war, be&#x017F;ahe ich die<lb/>
Thu&#x0364;ren, die Fen&#x017F;ter, das Tafel-Werck, und<lb/>
die beyden <hi rendition="#fr">Clo&#x017F;ets</hi> an der Stube, (deren das eine<lb/>
keine Fen&#x017F;ter hat:) und da ich fand daß alles wohl<lb/>
verwahrt i&#x017F;t, wende ich mich wieder zu meinem<lb/>
Schreib-Zeuge.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Frau <hi rendition="#fr">Sinclair</hi> gehet eben von mir weg. <hi rendition="#fr">Dor-<lb/>
cas</hi> hatte ihr ge&#x017F;agt, daß ich die&#x017F;en Abend ihr Ur-<lb/>
laub gegeben ha&#x0364;tte. Sie kam deswegen noch, um<lb/>
&#x017F;ich zu erkundigen, wie mir die Zimmer gefielen, und<lb/>
mir eine gute Nacht zu wu&#x0364;n&#x017F;chen. Sie beklagte,<lb/>
daß &#x017F;ie meine Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft bey dem Abende&#x017F;&#x017F;en nicht<lb/>
gehabt ha&#x0364;tten: Herr <hi rendition="#fr">Lovelace</hi> (&#x017F;agte &#x017F;ie) habe<lb/>
ihr zu ver&#x017F;tehen gegeben, daß ich die Stille liebete,<lb/>
und &#x017F;ie ver&#x017F;icherte, daß ich in meiner Ein&#x017F;amkeit<lb/>
nicht &#x017F;ollte ge&#x017F;to&#x0364;ret werden. Sie lobete ihn &#x017F;ehr,<lb/>
und als &#x017F;ie auf &#x017F;eine Ge&#x017F;talt zu &#x017F;prechen kam, gab<lb/>
&#x017F;ie mir auch einen Antheil an &#x017F;einem Lobe: bedaure-<lb/>
te aber, daß &#x017F;ie uns &#x017F;o bald verlieren &#x017F;ollte, als &#x017F;ie<lb/>
von Herrn <hi rendition="#fr">Lovelacen</hi> ver&#x017F;tanden ha&#x0364;tte.</p><lb/>
          <p>Jch antwortete ihr ho&#x0364;flich, und &#x017F;ie nahm &#x017F;o ehr-<lb/>
erbietig Ab&#x017F;chied, daß es bey dem gro&#x017F;&#x017F;en Unter-<lb/>
&#x017F;chied un&#x017F;erer Jahre mir fa&#x017F;t zu viel gethan &#x017F;chien,<lb/>
&#x017F;onderlich da &#x017F;ie die Witwe eines ange&#x017F;ehenen Man-<lb/>
nes i&#x017F;t, und &#x017F;ich in Kleidung &#x017F;o wohl auffu&#x0364;hret, und<lb/>
ein &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;nes und gut meublirtes Haus hat, daß<lb/>
ihre Um&#x017F;ta&#x0364;nde nicht du&#x0364;rftig &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen, und &#x017F;ie der<lb/>
Mangel nicht zwinget, &#x017F;ich &#x017F;o &#x017F;ehr herunter zu la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Wenn &#x017F;ie ohngeachtet des Verbots Jhrer Mut-<lb/>
ter fortfahren wollen, zu &#x017F;chreiben, &#x017F;o nennen Sie<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F f 5</fw><fw place="bottom" type="catch">mich</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[457/0471] So bald ſie weggegangen war, beſahe ich die Thuͤren, die Fenſter, das Tafel-Werck, und die beyden Cloſets an der Stube, (deren das eine keine Fenſter hat:) und da ich fand daß alles wohl verwahrt iſt, wende ich mich wieder zu meinem Schreib-Zeuge. Frau Sinclair gehet eben von mir weg. Dor- cas hatte ihr geſagt, daß ich dieſen Abend ihr Ur- laub gegeben haͤtte. Sie kam deswegen noch, um ſich zu erkundigen, wie mir die Zimmer gefielen, und mir eine gute Nacht zu wuͤnſchen. Sie beklagte, daß ſie meine Geſellſchaft bey dem Abendeſſen nicht gehabt haͤtten: Herr Lovelace (ſagte ſie) habe ihr zu verſtehen gegeben, daß ich die Stille liebete, und ſie verſicherte, daß ich in meiner Einſamkeit nicht ſollte geſtoͤret werden. Sie lobete ihn ſehr, und als ſie auf ſeine Geſtalt zu ſprechen kam, gab ſie mir auch einen Antheil an ſeinem Lobe: bedaure- te aber, daß ſie uns ſo bald verlieren ſollte, als ſie von Herrn Lovelacen verſtanden haͤtte. Jch antwortete ihr hoͤflich, und ſie nahm ſo ehr- erbietig Abſchied, daß es bey dem groſſen Unter- ſchied unſerer Jahre mir faſt zu viel gethan ſchien, ſonderlich da ſie die Witwe eines angeſehenen Man- nes iſt, und ſich in Kleidung ſo wohl auffuͤhret, und ein ſo ſchoͤnes und gut meublirtes Haus hat, daß ihre Umſtaͤnde nicht duͤrftig ſeyn koͤnnen, und ſie der Mangel nicht zwinget, ſich ſo ſehr herunter zu laſſen. Wenn ſie ohngeachtet des Verbots Jhrer Mut- ter fortfahren wollen, zu ſchreiben, ſo nennen Sie mich F f 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/471
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 457. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/471>, abgerufen am 22.12.2024.