Er fiel mir in die Rede. Wenn mein Kind nur Geduld haben könnte, mich auszuhören! Jch fürchte fast, daß ich aus Uebereilung zu weit gegan- gen bin, weil ich mir ihren Befehl nicht vorher aus- gebeten habe. Weil meine Freunde zu London, (sie wissen das schon aus Herrn Dolemans Briefe) meine Freunde haben geglaubt, ich sey verheyrathet--
Mein Herr, sie werden sich doch nicht unterstan- den haben - - -
Hören sie mich doch nur aus. Sie sind über mei- ne letzten Liebes-Erklärungen nicht ungehalten ge- worden. Sie haben mir einige Hoffnung gegeben, daß ich ihr Ja und ihre Hand erhalten sollte. Sie haben aber dennoch meine allerzärtlichste Bitte in der Frau Sorlings Hause abgewiesen, und mich wegen eines allzu langen Verzuges in Sorgen ge- setzt. Jch will nicht so eigennützig seyn, daß ich sie gleichsam mit Gewalt übereilen will, nachdem sie angefangen haben mir die Ehre zu erzeigen, und einiges Vertrauen in mich zu setzen: indessen hat doch ihr Bruder noch seine Absichten. Jch fürchte, daß Singleton sich jetzt in London auf hält: sein Schiff lieget zu Rotherhith. Jhr Bruder ist jetzt nicht zu Hause, ob er gleich (so viel ich weiß) nicht in Singletons Gesellschaft ist. So bald man weiß, ja so bald man glaubt, daß sie die meinige sind, werden alle Anschläge ihres Bruders am Ende seyn. Die Witwe mag eine rechtschaffene und ehr- liche Frau seyn: allein ihre guten Eigenschaften ver- mehren nur unsere Gefahr, wenn wir von ihrem Bruder entdeckt werden sollten. Denn sie möchte
sich
Er fiel mir in die Rede. Wenn mein Kind nur Geduld haben koͤnnte, mich auszuhoͤren! Jch fuͤrchte faſt, daß ich aus Uebereilung zu weit gegan- gen bin, weil ich mir ihren Befehl nicht vorher aus- gebeten habe. Weil meine Freunde zu London, (ſie wiſſen das ſchon aus Herrn Dolemans Briefe) meine Freunde haben geglaubt, ich ſey verheyrathet‒‒
Mein Herr, ſie werden ſich doch nicht unterſtan- den haben ‒ ‒ ‒
Hoͤren ſie mich doch nur aus. Sie ſind uͤber mei- ne letzten Liebes-Erklaͤrungen nicht ungehalten ge- worden. Sie haben mir einige Hoffnung gegeben, daß ich ihr Ja und ihre Hand erhalten ſollte. Sie haben aber dennoch meine allerzaͤrtlichſte Bitte in der Frau Sorlings Hauſe abgewieſen, und mich wegen eines allzu langen Verzuges in Sorgen ge- ſetzt. Jch will nicht ſo eigennuͤtzig ſeyn, daß ich ſie gleichſam mit Gewalt uͤbereilen will, nachdem ſie angefangen haben mir die Ehre zu erzeigen, und einiges Vertrauen in mich zu ſetzen: indeſſen hat doch ihr Bruder noch ſeine Abſichten. Jch fuͤrchte, daß Singleton ſich jetzt in London auf haͤlt: ſein Schiff lieget zu Rotherhith. Jhr Bruder iſt jetzt nicht zu Hauſe, ob er gleich (ſo viel ich weiß) nicht in Singletons Geſellſchaft iſt. So bald man weiß, ja ſo bald man glaubt, daß ſie die meinige ſind, werden alle Anſchlaͤge ihres Bruders am Ende ſeyn. Die Witwe mag eine rechtſchaffene und ehr- liche Frau ſeyn: allein ihre guten Eigenſchaften ver- mehren nur unſere Gefahr, wenn wir von ihrem Bruder entdeckt werden ſollten. Denn ſie moͤchte
ſich
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Er fiel mir in die Rede. Wenn mein Kind
nur Geduld haben koͤnnte, mich auszuhoͤren! Jch
fuͤrchte faſt, daß ich aus Uebereilung zu weit gegan-
gen bin, weil ich mir ihren Befehl nicht vorher aus-
gebeten habe. Weil meine Freunde zu London,
(ſie wiſſen das ſchon aus Herrn Dolemans Briefe)
meine Freunde haben geglaubt, ich ſey verheyrathet‒‒
Mein Herr, ſie werden ſich doch nicht unterſtan-
den haben ‒ ‒ ‒
Hoͤren ſie mich doch nur aus. Sie ſind uͤber mei-
ne letzten Liebes-Erklaͤrungen nicht ungehalten ge-
worden. Sie haben mir einige Hoffnung gegeben,
daß ich ihr Ja und ihre Hand erhalten ſollte. Sie
haben aber dennoch meine allerzaͤrtlichſte Bitte in
der Frau Sorlings Hauſe abgewieſen, und mich
wegen eines allzu langen Verzuges in Sorgen ge-
ſetzt. Jch will nicht ſo eigennuͤtzig ſeyn, daß ich
ſie gleichſam mit Gewalt uͤbereilen will, nachdem
ſie angefangen haben mir die Ehre zu erzeigen, und
einiges Vertrauen in mich zu ſetzen: indeſſen hat
doch ihr Bruder noch ſeine Abſichten. Jch fuͤrchte,
daß Singleton ſich jetzt in London auf haͤlt: ſein
Schiff lieget zu Rotherhith. Jhr Bruder iſt
jetzt nicht zu Hauſe, ob er gleich (ſo viel ich weiß)
nicht in Singletons Geſellſchaft iſt. So bald man
weiß, ja ſo bald man glaubt, daß ſie die meinige
ſind, werden alle Anſchlaͤge ihres Bruders am Ende
ſeyn. Die Witwe mag eine rechtſchaffene und ehr-
liche Frau ſeyn: allein ihre guten Eigenſchaften ver-
mehren nur unſere Gefahr, wenn wir von ihrem
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/464>, abgerufen am 23.11.2024.
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