Und dennoch finde ich nicht mehr die gehorsame Zärtlichkeit bey ihm, die mich ihm so geneigt ma- chet, daß er sich jetzt berechtiget halten kann, neue Foderungen an mich zu bringen.
Als wir noch in der Thür mit einander redeten, so kam mein neues Cammer-Mädchen, und rief uns hinunter, den Thee zu trincken. Jch antwortete: er möchte hinunter gehen, wenn es ihm beliebig wäre; allein ich wollte fortfahren zu schreiben. Jch verlangte heute weder Thee noch Abend-Essen: ich bäte ihn deswegen, daß er mich entschuldigen und sagen möchte, ich würde so viel als möglich allein zu seyn suchen. Er könnte indessen versprechen, daß ich mich morgen früh bey der Witwe zum Früh-Stück einfinden möchte.
Er meinte: es liesse bey fremden Leuten gar zu sonderbar, wenn ich mich wegerte bey dem Abend- Essen zu seyn.
Jch antwortete: sie wissen selbst, und sie können mit Wahrheit sagen, daß ich des Abends selten zu essen pflege. Jch bin sehr niedergeschlagen. Sie müssen nie eine Bitte bey mir anbringen, wenn ich mich schon deutlicher darüber erkläret habe, was meine Meynung ist. Jch bitte sie, geben sie den Leuten von allen meinen Umständen Nachricht. Wenn sie zu leben wissen, so wird dieses eine ge- nugsame Entschuldigung für mich seyn. Jch bin nicht nach London gekommen, mir Bekannt- schaften zu erwerben.
Jch habe die Bücher durch gesehen, die ich in meinem Closet fand, Sie gefallen mir: und ich
bekom-
Und dennoch finde ich nicht mehr die gehorſame Zaͤrtlichkeit bey ihm, die mich ihm ſo geneigt ma- chet, daß er ſich jetzt berechtiget halten kann, neue Foderungen an mich zu bringen.
Als wir noch in der Thuͤr mit einander redeten, ſo kam mein neues Cammer-Maͤdchen, und rief uns hinunter, den Thee zu trincken. Jch antwortete: er moͤchte hinunter gehen, wenn es ihm beliebig waͤre; allein ich wollte fortfahren zu ſchreiben. Jch verlangte heute weder Thee noch Abend-Eſſen: ich baͤte ihn deswegen, daß er mich entſchuldigen und ſagen moͤchte, ich wuͤrde ſo viel als moͤglich allein zu ſeyn ſuchen. Er koͤnnte indeſſen verſprechen, daß ich mich morgen fruͤh bey der Witwe zum Fruͤh-Stuͤck einfinden moͤchte.
Er meinte: es lieſſe bey fremden Leuten gar zu ſonderbar, wenn ich mich wegerte bey dem Abend- Eſſen zu ſeyn.
Jch antwortete: ſie wiſſen ſelbſt, und ſie koͤnnen mit Wahrheit ſagen, daß ich des Abends ſelten zu eſſen pflege. Jch bin ſehr niedergeſchlagen. Sie muͤſſen nie eine Bitte bey mir anbringen, wenn ich mich ſchon deutlicher daruͤber erklaͤret habe, was meine Meynung iſt. Jch bitte ſie, geben ſie den Leuten von allen meinen Umſtaͤnden Nachricht. Wenn ſie zu leben wiſſen, ſo wird dieſes eine ge- nugſame Entſchuldigung fuͤr mich ſeyn. Jch bin nicht nach London gekommen, mir Bekannt- ſchaften zu erwerben.
Jch habe die Buͤcher durch geſehen, die ich in meinem Cloſet fand, Sie gefallen mir: und ich
bekom-
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Und dennoch finde ich nicht mehr die gehorſame
Zaͤrtlichkeit bey ihm, die mich ihm ſo geneigt ma-
chet, daß er ſich jetzt berechtiget halten kann, neue
Foderungen an mich zu bringen.
Als wir noch in der Thuͤr mit einander redeten,
ſo kam mein neues Cammer-Maͤdchen, und rief uns
hinunter, den Thee zu trincken. Jch antwortete:
er moͤchte hinunter gehen, wenn es ihm beliebig
waͤre; allein ich wollte fortfahren zu ſchreiben. Jch
verlangte heute weder Thee noch Abend-Eſſen: ich
baͤte ihn deswegen, daß er mich entſchuldigen und
ſagen moͤchte, ich wuͤrde ſo viel als moͤglich allein
zu ſeyn ſuchen. Er koͤnnte indeſſen verſprechen,
daß ich mich morgen fruͤh bey der Witwe zum
Fruͤh-Stuͤck einfinden moͤchte.
Er meinte: es lieſſe bey fremden Leuten gar zu
ſonderbar, wenn ich mich wegerte bey dem Abend-
Eſſen zu ſeyn.
Jch antwortete: ſie wiſſen ſelbſt, und ſie koͤnnen
mit Wahrheit ſagen, daß ich des Abends ſelten zu
eſſen pflege. Jch bin ſehr niedergeſchlagen. Sie
muͤſſen nie eine Bitte bey mir anbringen, wenn ich
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meine Meynung iſt. Jch bitte ſie, geben ſie den
Leuten von allen meinen Umſtaͤnden Nachricht.
Wenn ſie zu leben wiſſen, ſo wird dieſes eine ge-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/461>, abgerufen am 27.11.2024.
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