Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



Stücken, daß ich noch dieses mahl an Sie schreiben
und Sie trösten möchte: denn sie sagt, es jammre
sie, daß ein so edles Hertz als das Jhrige ist, wel-
ches von selbst schon so viele Reue über seine Ver-
gehungen empfindet, alles Trostes beraubet werden
solle.

Wie schreibt Jhre Frau Base! Jst es möglich,
daß so deutliche Sachen sollten von einer doppelten
Seite können angesehen werden, und daß beyde
Theile recht oder unrecht haben können! doch die
gute Frau ist gezwungen unrecht zu handeln: und
alle die Jhrigen haben unrecht gehandelt, sie mögen
sie entschuldigen, so viel sie wollen. Sie können
sich nicht anders rechtfertigen, als wenn die Eigen-
liebe Gericht hält, und sie zum voraus entschlossen
sind sich nicht zu untersuchen, sondern sich frey zu
sprechen. Hat Jhre lieblose Frau Base, so lange
Sie in Jhres Vaters Hause waren, Jhnen einige
Hoffnung gemacht, daß man es nicht auf das äus-
serste werde kommen lassen? Des zweydeutigen
Winckes dessen sie Erwähnung thut, erinnere ich
mich eben so wohl als Sie. Allein warum sollte
Jhnen etwas erfreuliches durch einen Winck zu
verstehen gegeben werden? Die Frau Hervey
gab vor, daß sie Sie lieb hätte: wie leicht hätte sie
können Jhnen durch ein Wort oder durch eine Zeile
im Vertrauen davon Nachricht geben, daß die Jhri-
gen ihre Entschließung geändert hätten, da sie jetzund
zu Jhren Verdruß ihre Feder so ausschweiffen läßt?

Allein kehren Sie sich nicht an das, was man
jetzt vorgiebt, nachdem es zu späte ist. Man sieht

weiter
C c 3



Stuͤcken, daß ich noch dieſes mahl an Sie ſchreiben
und Sie troͤſten moͤchte: denn ſie ſagt, es jammre
ſie, daß ein ſo edles Hertz als das Jhrige iſt, wel-
ches von ſelbſt ſchon ſo viele Reue uͤber ſeine Ver-
gehungen empfindet, alles Troſtes beraubet werden
ſolle.

Wie ſchreibt Jhre Frau Baſe! Jſt es moͤglich,
daß ſo deutliche Sachen ſollten von einer doppelten
Seite koͤnnen angeſehen werden, und daß beyde
Theile recht oder unrecht haben koͤnnen! doch die
gute Frau iſt gezwungen unrecht zu handeln: und
alle die Jhrigen haben unrecht gehandelt, ſie moͤgen
ſie entſchuldigen, ſo viel ſie wollen. Sie koͤnnen
ſich nicht anders rechtfertigen, als wenn die Eigen-
liebe Gericht haͤlt, und ſie zum voraus entſchloſſen
ſind ſich nicht zu unterſuchen, ſondern ſich frey zu
ſprechen. Hat Jhre liebloſe Frau Baſe, ſo lange
Sie in Jhres Vaters Hauſe waren, Jhnen einige
Hoffnung gemacht, daß man es nicht auf das aͤuſ-
ſerſte werde kommen laſſen? Des zweydeutigen
Winckes deſſen ſie Erwaͤhnung thut, erinnere ich
mich eben ſo wohl als Sie. Allein warum ſollte
Jhnen etwas erfreuliches durch einen Winck zu
verſtehen gegeben werden? Die Frau Hervey
gab vor, daß ſie Sie lieb haͤtte: wie leicht haͤtte ſie
koͤnnen Jhnen durch ein Wort oder durch eine Zeile
im Vertrauen davon Nachricht geben, daß die Jhri-
gen ihre Entſchließung geaͤndert haͤtten, da ſie jetzund
zu Jhren Verdruß ihre Feder ſo ausſchweiffen laͤßt?

Allein kehren Sie ſich nicht an das, was man
jetzt vorgiebt, nachdem es zu ſpaͤte iſt. Man ſieht

weiter
C c 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0419" n="405"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Stu&#x0364;cken, daß ich noch die&#x017F;es mahl an Sie &#x017F;chreiben<lb/>
und Sie tro&#x0364;&#x017F;ten mo&#x0364;chte: denn &#x017F;ie &#x017F;agt, es jammre<lb/>
&#x017F;ie, daß ein &#x017F;o edles Hertz als das Jhrige i&#x017F;t, wel-<lb/>
ches von &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;chon &#x017F;o viele Reue u&#x0364;ber &#x017F;eine Ver-<lb/>
gehungen empfindet, alles Tro&#x017F;tes beraubet werden<lb/>
&#x017F;olle.</p><lb/>
          <p>Wie &#x017F;chreibt Jhre Frau Ba&#x017F;e! J&#x017F;t es mo&#x0364;glich,<lb/>
daß &#x017F;o deutliche Sachen &#x017F;ollten von einer doppelten<lb/>
Seite ko&#x0364;nnen ange&#x017F;ehen werden, und daß beyde<lb/>
Theile recht oder unrecht haben ko&#x0364;nnen! doch die<lb/>
gute Frau i&#x017F;t gezwungen unrecht zu handeln: und<lb/>
alle die Jhrigen haben unrecht gehandelt, &#x017F;ie mo&#x0364;gen<lb/>
&#x017F;ie ent&#x017F;chuldigen, &#x017F;o viel &#x017F;ie wollen. Sie ko&#x0364;nnen<lb/>
&#x017F;ich nicht anders rechtfertigen, als wenn die Eigen-<lb/>
liebe Gericht ha&#x0364;lt, und &#x017F;ie zum voraus ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ind &#x017F;ich nicht zu unter&#x017F;uchen, &#x017F;ondern &#x017F;ich frey zu<lb/>
&#x017F;prechen. Hat Jhre lieblo&#x017F;e Frau Ba&#x017F;e, &#x017F;o lange<lb/>
Sie in Jhres Vaters Hau&#x017F;e waren, Jhnen einige<lb/>
Hoffnung gemacht, daß man es nicht auf das a&#x0364;u&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er&#x017F;te werde kommen la&#x017F;&#x017F;en? Des zweydeutigen<lb/>
Winckes de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie Erwa&#x0364;hnung thut, erinnere ich<lb/>
mich eben &#x017F;o wohl als Sie. Allein warum &#x017F;ollte<lb/>
Jhnen etwas erfreuliches durch einen Winck zu<lb/>
ver&#x017F;tehen gegeben werden? Die Frau <hi rendition="#fr">Hervey</hi><lb/>
gab vor, daß &#x017F;ie Sie lieb ha&#x0364;tte: wie leicht ha&#x0364;tte &#x017F;ie<lb/>
ko&#x0364;nnen Jhnen durch ein Wort oder durch eine Zeile<lb/>
im Vertrauen davon Nachricht geben, daß die Jhri-<lb/>
gen ihre Ent&#x017F;chließung gea&#x0364;ndert ha&#x0364;tten, da &#x017F;ie jetzund<lb/>
zu Jhren Verdruß ihre Feder &#x017F;o aus&#x017F;chweiffen la&#x0364;ßt?</p><lb/>
          <p>Allein kehren Sie &#x017F;ich nicht an das, was man<lb/>
jetzt vorgiebt, nachdem es zu &#x017F;pa&#x0364;te i&#x017F;t. Man &#x017F;ieht<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C c 3</fw><fw place="bottom" type="catch">weiter</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[405/0419] Stuͤcken, daß ich noch dieſes mahl an Sie ſchreiben und Sie troͤſten moͤchte: denn ſie ſagt, es jammre ſie, daß ein ſo edles Hertz als das Jhrige iſt, wel- ches von ſelbſt ſchon ſo viele Reue uͤber ſeine Ver- gehungen empfindet, alles Troſtes beraubet werden ſolle. Wie ſchreibt Jhre Frau Baſe! Jſt es moͤglich, daß ſo deutliche Sachen ſollten von einer doppelten Seite koͤnnen angeſehen werden, und daß beyde Theile recht oder unrecht haben koͤnnen! doch die gute Frau iſt gezwungen unrecht zu handeln: und alle die Jhrigen haben unrecht gehandelt, ſie moͤgen ſie entſchuldigen, ſo viel ſie wollen. Sie koͤnnen ſich nicht anders rechtfertigen, als wenn die Eigen- liebe Gericht haͤlt, und ſie zum voraus entſchloſſen ſind ſich nicht zu unterſuchen, ſondern ſich frey zu ſprechen. Hat Jhre liebloſe Frau Baſe, ſo lange Sie in Jhres Vaters Hauſe waren, Jhnen einige Hoffnung gemacht, daß man es nicht auf das aͤuſ- ſerſte werde kommen laſſen? Des zweydeutigen Winckes deſſen ſie Erwaͤhnung thut, erinnere ich mich eben ſo wohl als Sie. Allein warum ſollte Jhnen etwas erfreuliches durch einen Winck zu verſtehen gegeben werden? Die Frau Hervey gab vor, daß ſie Sie lieb haͤtte: wie leicht haͤtte ſie koͤnnen Jhnen durch ein Wort oder durch eine Zeile im Vertrauen davon Nachricht geben, daß die Jhri- gen ihre Entſchließung geaͤndert haͤtten, da ſie jetzund zu Jhren Verdruß ihre Feder ſo ausſchweiffen laͤßt? Allein kehren Sie ſich nicht an das, was man jetzt vorgiebt, nachdem es zu ſpaͤte iſt. Man ſieht weiter C c 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/419
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/419>, abgerufen am 24.11.2024.