Es kam zuerst in Vorschlag, Euch durch Hülfe der Obrigkeit zurück zu bringen, und an einen sol- chen Ort zu schicken, da der Schimpf, den Jhr Euch und uns gemacht habt, am ersten in Verges- senheit gerathen könnte. Allein ich glaube, man hat diesen Vorschlag fahren lassen: Jhr könnt dem- nach gantz sicher im Lande herumstreichen wie Jhr wollt; niemand wird sich Eurentwegen einige Mühe machen. Meine Mutter hat Erlaubniß bekommen, Euch alle Eure Kleider zu schicken, nicht aber das übrige darum Jhr bittet. Jhr werdet aus dem ein- geschlossenen Briefe sehen, daß diese Gütigkeit Euch zuerst nicht zugedacht war: sie wird Euch auch jetzund nicht um Eurentwillen, sondern um meiner Mutter willen erzeiget, weil es Jhr unerträglich ist etwas von euren Sachen vor Augen zu sehen. Leset den eingeschlossenen Brief, und zittert.
Arabella Harlowe.
An die ungehorsamste und undanckbarste Tochter.
Harloweburg den 15ten April.
Ehemahlige Schwester,
Denn was ihr jetzt vor einen Nahmen tragen wollt oder tragen dürft, das weiß ich nicht.
Jhr habt uns alle in die äusserste Verwirrung gesetzt. Als Euer Vater die erste Nachricht von eurer boshafften und schädlichen Flucht vernahm, fiel er bey dem ersten Zorn auf seine Knie nieder und verfluchte euch auf eine fürchterliche Weise. Er-
zittert
Es kam zuerſt in Vorſchlag, Euch durch Huͤlfe der Obrigkeit zuruͤck zu bringen, und an einen ſol- chen Ort zu ſchicken, da der Schimpf, den Jhr Euch und uns gemacht habt, am erſten in Vergeſ- ſenheit gerathen koͤnnte. Allein ich glaube, man hat dieſen Vorſchlag fahren laſſen: Jhr koͤnnt dem- nach gantz ſicher im Lande herumſtreichen wie Jhr wollt; niemand wird ſich Eurentwegen einige Muͤhe machen. Meine Mutter hat Erlaubniß bekommen, Euch alle Eure Kleider zu ſchicken, nicht aber das uͤbrige darum Jhr bittet. Jhr werdet aus dem ein- geſchloſſenen Briefe ſehen, daß dieſe Guͤtigkeit Euch zuerſt nicht zugedacht war: ſie wird Euch auch jetzund nicht um Eurentwillen, ſondern um meiner Mutter willen erzeiget, weil es Jhr unertraͤglich iſt etwas von euren Sachen vor Augen zu ſehen. Leſet den eingeſchloſſenen Brief, und zittert.
Arabella Harlowe.
An die ungehorſamſte und undanckbarſte Tochter.
Harloweburg den 15ten April.
Ehemahlige Schweſter,
Denn was ihr jetzt vor einen Nahmen tragen wollt oder tragen duͤrft, das weiß ich nicht.
Jhr habt uns alle in die aͤuſſerſte Verwirrung geſetzt. Als Euer Vater die erſte Nachricht von eurer boshafften und ſchaͤdlichen Flucht vernahm, fiel er bey dem erſten Zorn auf ſeine Knie nieder und verfluchte euch auf eine fuͤrchterliche Weiſe. Er-
zittert
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Es kam zuerſt in Vorſchlag, Euch durch Huͤlfe
der Obrigkeit zuruͤck zu bringen, und an einen ſol-
chen Ort zu ſchicken, da der Schimpf, den Jhr
Euch und uns gemacht habt, am erſten in Vergeſ-
ſenheit gerathen koͤnnte. Allein ich glaube, man
hat dieſen Vorſchlag fahren laſſen: Jhr koͤnnt dem-
nach gantz ſicher im Lande herumſtreichen wie Jhr
wollt; niemand wird ſich Eurentwegen einige Muͤhe
machen. Meine Mutter hat Erlaubniß bekommen,
Euch alle Eure Kleider zu ſchicken, nicht aber das
uͤbrige darum Jhr bittet. Jhr werdet aus dem ein-
geſchloſſenen Briefe ſehen, daß dieſe Guͤtigkeit
Euch zuerſt nicht zugedacht war: ſie wird Euch auch
jetzund nicht um Eurentwillen, ſondern um meiner
Mutter willen erzeiget, weil es Jhr unertraͤglich iſt
etwas von euren Sachen vor Augen zu ſehen. Leſet
den eingeſchloſſenen Brief, und zittert.
Arabella Harlowe.
An die ungehorſamſte und undanckbarſte
Tochter.
Harloweburg den 15ten April.
Ehemahlige Schweſter,
Denn was ihr jetzt vor einen Nahmen tragen
wollt oder tragen duͤrft, das weiß ich nicht.
Jhr habt uns alle in die aͤuſſerſte Verwirrung
geſetzt. Als Euer Vater die erſte Nachricht von
eurer boshafften und ſchaͤdlichen Flucht vernahm,
fiel er bey dem erſten Zorn auf ſeine Knie nieder
und verfluchte euch auf eine fuͤrchterliche Weiſe. Er-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/414>, abgerufen am 24.11.2024.
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