einem so unglücklichen Glücke grauen, wenn ich überzeuget wäre, daß, wo anders ein tugendhaftes Frauenzimmer in der Welt zu finden ist, dieser Ruhm meinem Kinde allein gebührte.
Jch muß dir sagen, Lovelace, daß alle Umstän- de gegen die Fräulein sind, wenn du sie in Versu- chung führen willst. Bedencke wie tief deine Schlin- gen gelegt sind: Bedencke die viele Gelegenheit, die du hast, wider ihren Willen mit ihr umzugehen, und daß alle ihre thörichten Anverwanten, ohne es zu dencken, es mit deinem schelmischen Kopfe halten: Bedencke, wie sehr sie von allem Schutze entblösset ist, und daß du sie in ein Haus bringest, in welchem sie blos unter deinen Kuplerinnen seyn wird, welches artige und wohl erzogene Mädchens sind: die sie so leicht nicht entdecken kann, wenn sie sich nicht gröb- lich verrathen, weil sie der Sitten der Stadt allzu wenig kundig und noch zu jung und unerfahren ist. Bedencke alle diese Umstände. Jch frage dich, was für Ehre würdest du davon haben, wenn du sie auch überwindest? Du, der du zu Ausfüh- rung listiger Anschläge gebohren bist, der du voll von Erfindung und muthig bist, der du kein Ge- wissen hast, der du Geduld genug besitzest auf eine gute Gelegenheit zu lauren; der du dich nicht durch deine Leidenschaften übernehmen lässest, dadurch oft der beste Vorschlag in der Blüthe verdorben wird, und die Schnecke die eben ihre Hörner heraussteckte, wieder einkriecht. Du bist ein Mensch, der dem Frauenzimmer weder Treue noch Eyd hält: das Frauenzimmer mit dem [unleserliches Material - Zeichen fehlt] [zu] thun hast, hält sein
Wort
einem ſo ungluͤcklichen Gluͤcke grauen, wenn ich uͤberzeuget waͤre, daß, wo anders ein tugendhaftes Frauenzimmer in der Welt zu finden iſt, dieſer Ruhm meinem Kinde allein gebuͤhrte.
Jch muß dir ſagen, Lovelace, daß alle Umſtaͤn- de gegen die Fraͤulein ſind, wenn du ſie in Verſu- chung fuͤhren willſt. Bedencke wie tief deine Schlin- gen gelegt ſind: Bedencke die viele Gelegenheit, die du haſt, wider ihren Willen mit ihr umzugehen, und daß alle ihre thoͤrichten Anverwanten, ohne es zu dencken, es mit deinem ſchelmiſchen Kopfe halten: Bedencke, wie ſehr ſie von allem Schutze entbloͤſſet iſt, und daß du ſie in ein Haus bringeſt, in welchem ſie blos unter deinen Kuplerinnen ſeyn wird, welches artige und wohl erzogene Maͤdchens ſind: die ſie ſo leicht nicht entdecken kann, wenn ſie ſich nicht groͤb- lich verrathen, weil ſie der Sitten der Stadt allzu wenig kundig und noch zu jung und unerfahren iſt. Bedencke alle dieſe Umſtaͤnde. Jch frage dich, was fuͤr Ehre wuͤrdeſt du davon haben, wenn du ſie auch uͤberwindeſt? Du, der du zu Ausfuͤh- rung liſtiger Anſchlaͤge gebohren biſt, der du voll von Erfindung und muthig biſt, der du kein Ge- wiſſen haſt, der du Geduld genug beſitzeſt auf eine gute Gelegenheit zu lauren; der du dich nicht durch deine Leidenſchaften uͤbernehmen laͤſſeſt, dadurch oft der beſte Vorſchlag in der Bluͤthe verdorben wird, und die Schnecke die eben ihre Hoͤrner herausſteckte, wieder einkriecht. Du biſt ein Menſch, der dem Frauenzimmer weder Treue noch Eyd haͤlt: das Frauenzimmer mit dem [unleserliches Material – Zeichen fehlt] [zu] thun haſt, haͤlt ſein
Wort
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einem ſo ungluͤcklichen Gluͤcke grauen, wenn ich
uͤberzeuget waͤre, daß, wo anders ein tugendhaftes
Frauenzimmer in der Welt zu finden iſt, dieſer
Ruhm meinem Kinde allein gebuͤhrte.
Jch muß dir ſagen, Lovelace, daß alle Umſtaͤn-
de gegen die Fraͤulein ſind, wenn du ſie in Verſu-
chung fuͤhren willſt. Bedencke wie tief deine Schlin-
gen gelegt ſind: Bedencke die viele Gelegenheit, die
du haſt, wider ihren Willen mit ihr umzugehen, und
daß alle ihre thoͤrichten Anverwanten, ohne es zu
dencken, es mit deinem ſchelmiſchen Kopfe halten:
Bedencke, wie ſehr ſie von allem Schutze entbloͤſſet
iſt, und daß du ſie in ein Haus bringeſt, in welchem
ſie blos unter deinen Kuplerinnen ſeyn wird, welches
artige und wohl erzogene Maͤdchens ſind: die ſie ſo
leicht nicht entdecken kann, wenn ſie ſich nicht groͤb-
lich verrathen, weil ſie der Sitten der Stadt allzu
wenig kundig und noch zu jung und unerfahren iſt.
Bedencke alle dieſe Umſtaͤnde. Jch frage dich,
was fuͤr Ehre wuͤrdeſt du davon haben, wenn
du ſie auch uͤberwindeſt? Du, der du zu Ausfuͤh-
rung liſtiger Anſchlaͤge gebohren biſt, der du voll
von Erfindung und muthig biſt, der du kein Ge-
wiſſen haſt, der du Geduld genug beſitzeſt auf eine
gute Gelegenheit zu lauren; der du dich nicht durch
deine Leidenſchaften uͤbernehmen laͤſſeſt, dadurch oft
der beſte Vorſchlag in der Bluͤthe verdorben wird,
und die Schnecke die eben ihre Hoͤrner herausſteckte,
wieder einkriecht. Du biſt ein Menſch, der dem
Frauenzimmer weder Treue noch Eyd haͤlt: das
Frauenzimmer mit dem _ zu thun haſt, haͤlt ſein
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/391>, abgerufen am 22.12.2024.
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