hielte es für unnöthig, über deine Absichten und Tücken Anmerckungen zu machen, weil ich glaub- te, daß die unvergleichlichen Vorzüge und Annehm- lichkeiten dieses Frauenzimmers ihr Schutz seyn würden; Du mochtest auch von deinen boshaften Absichten prahlen, so viel du wolltest. Allein nun ich sehe, daß es dir gelungen ist, sie zur Reise nach London zu bewegen, und sie in ein Haus zu brin- gen, dessen übrige Gesellschaft alle gute Vorsätze bey dir ersticken wird; so kann ich nicht unterlassen, an dich zu schreiben, und mich deutlich als ihren Vorsprecher und Vertheidiger aufzuführen.
Meine Bewegungs-Gründe sind gar nicht von der Tugend hergenommen: sonst würde ich schlechte Hoffnung haben, etwas bey dir auszurichten. Ein Mensch, wie du bist, würde sich auch nicht ab- schrecken lassen, wenn ich ihn erinnerte, was für Feindschafft und Rache er sich dadurch auf den Hals laden würde, wenn er einem so vortreflichen Frauen- zimmer von so guter Familie übel begegnete.
Danckbarkeit und Ehre sind auch die Bewe- gungs-Gründe nicht, die ein Frauenzimmer aus un- sern Klauen retten werden, weil wir alle Schönen, die wir in unsere Gewalt bekommen können, für einen eben so rechtmäßigen Raub ansehen, als der Habicht die Taube. Denn unsere Ehre, und Ehre überhaupt, sind Ausdrücke von einer sehr verschiedenen Bedeutung.
Nichts als die wahre Freundschaft gegen dich beweget mich zu Schreibung dieses Briefes. Um dein selbst willen, und um deiner Familie
willen
A a 4
hielte es fuͤr unnoͤthig, uͤber deine Abſichten und Tuͤcken Anmerckungen zu machen, weil ich glaub- te, daß die unvergleichlichen Vorzuͤge und Annehm- lichkeiten dieſes Frauenzimmers ihr Schutz ſeyn wuͤrden; Du mochteſt auch von deinen boshaften Abſichten prahlen, ſo viel du wollteſt. Allein nun ich ſehe, daß es dir gelungen iſt, ſie zur Reiſe nach London zu bewegen, und ſie in ein Haus zu brin- gen, deſſen uͤbrige Geſellſchaft alle gute Vorſaͤtze bey dir erſticken wird; ſo kann ich nicht unterlaſſen, an dich zu ſchreiben, und mich deutlich als ihren Vorſprecher und Vertheidiger aufzufuͤhren.
Meine Bewegungs-Gruͤnde ſind gar nicht von der Tugend hergenommen: ſonſt wuͤrde ich ſchlechte Hoffnung haben, etwas bey dir auszurichten. Ein Menſch, wie du biſt, wuͤrde ſich auch nicht ab- ſchrecken laſſen, wenn ich ihn erinnerte, was fuͤr Feindſchafft und Rache er ſich dadurch auf den Hals laden wuͤrde, wenn er einem ſo vortreflichen Frauen- zimmer von ſo guter Familie uͤbel begegnete.
Danckbarkeit und Ehre ſind auch die Bewe- gungs-Gruͤnde nicht, die ein Frauenzimmer aus un- ſern Klauen retten werden, weil wir alle Schoͤnen, die wir in unſere Gewalt bekommen koͤnnen, fuͤr einen eben ſo rechtmaͤßigen Raub anſehen, als der Habicht die Taube. Denn unſere Ehre, und Ehre uͤberhaupt, ſind Ausdruͤcke von einer ſehr verſchiedenen Bedeutung.
Nichts als die wahre Freundſchaft gegen dich beweget mich zu Schreibung dieſes Briefes. Um dein ſelbſt willen, und um deiner Familie
willen
A a 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0389"n="375"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
hielte es fuͤr unnoͤthig, uͤber deine Abſichten und<lb/>
Tuͤcken Anmerckungen zu machen, weil ich glaub-<lb/>
te, daß die unvergleichlichen Vorzuͤge und Annehm-<lb/>
lichkeiten dieſes Frauenzimmers ihr Schutz ſeyn<lb/>
wuͤrden; Du mochteſt auch von deinen boshaften<lb/>
Abſichten prahlen, ſo viel du wollteſt. Allein nun ich<lb/>ſehe, daß es dir gelungen iſt, ſie zur Reiſe nach<lb/>
London zu bewegen, und ſie in ein Haus zu brin-<lb/>
gen, deſſen uͤbrige Geſellſchaft alle gute Vorſaͤtze<lb/>
bey dir erſticken wird; ſo kann ich nicht unterlaſſen,<lb/>
an dich zu ſchreiben, und mich deutlich als ihren<lb/>
Vorſprecher und Vertheidiger aufzufuͤhren.</p><lb/><p>Meine Bewegungs-Gruͤnde ſind gar nicht von<lb/>
der Tugend hergenommen: ſonſt wuͤrde ich ſchlechte<lb/>
Hoffnung haben, etwas bey dir auszurichten. Ein<lb/>
Menſch, wie du biſt, wuͤrde ſich auch nicht ab-<lb/>ſchrecken laſſen, wenn ich ihn erinnerte, was fuͤr<lb/>
Feindſchafft und Rache er ſich dadurch auf den Hals<lb/>
laden wuͤrde, wenn er einem ſo vortreflichen Frauen-<lb/>
zimmer von ſo guter Familie uͤbel begegnete.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Danckbarkeit</hi> und <hirendition="#fr">Ehre</hi>ſind auch die Bewe-<lb/>
gungs-Gruͤnde nicht, die ein Frauenzimmer aus un-<lb/>ſern Klauen retten werden, weil wir alle Schoͤnen,<lb/>
die wir in unſere Gewalt bekommen koͤnnen, fuͤr<lb/>
einen eben ſo rechtmaͤßigen Raub anſehen, als der<lb/>
Habicht die Taube. Denn <hirendition="#fr">unſere Ehre, und<lb/>
Ehre</hi> uͤberhaupt, ſind Ausdruͤcke von einer ſehr<lb/>
verſchiedenen Bedeutung.</p><lb/><p>Nichts als die wahre Freundſchaft gegen dich<lb/>
beweget mich zu Schreibung dieſes Briefes. <hirendition="#fr">Um<lb/>
dein ſelbſt willen,</hi> und <hirendition="#fr">um deiner Familie</hi><lb/><fwplace="bottom"type="sig">A a 4</fw><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">willen</hi></fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[375/0389]
hielte es fuͤr unnoͤthig, uͤber deine Abſichten und
Tuͤcken Anmerckungen zu machen, weil ich glaub-
te, daß die unvergleichlichen Vorzuͤge und Annehm-
lichkeiten dieſes Frauenzimmers ihr Schutz ſeyn
wuͤrden; Du mochteſt auch von deinen boshaften
Abſichten prahlen, ſo viel du wollteſt. Allein nun ich
ſehe, daß es dir gelungen iſt, ſie zur Reiſe nach
London zu bewegen, und ſie in ein Haus zu brin-
gen, deſſen uͤbrige Geſellſchaft alle gute Vorſaͤtze
bey dir erſticken wird; ſo kann ich nicht unterlaſſen,
an dich zu ſchreiben, und mich deutlich als ihren
Vorſprecher und Vertheidiger aufzufuͤhren.
Meine Bewegungs-Gruͤnde ſind gar nicht von
der Tugend hergenommen: ſonſt wuͤrde ich ſchlechte
Hoffnung haben, etwas bey dir auszurichten. Ein
Menſch, wie du biſt, wuͤrde ſich auch nicht ab-
ſchrecken laſſen, wenn ich ihn erinnerte, was fuͤr
Feindſchafft und Rache er ſich dadurch auf den Hals
laden wuͤrde, wenn er einem ſo vortreflichen Frauen-
zimmer von ſo guter Familie uͤbel begegnete.
Danckbarkeit und Ehre ſind auch die Bewe-
gungs-Gruͤnde nicht, die ein Frauenzimmer aus un-
ſern Klauen retten werden, weil wir alle Schoͤnen,
die wir in unſere Gewalt bekommen koͤnnen, fuͤr
einen eben ſo rechtmaͤßigen Raub anſehen, als der
Habicht die Taube. Denn unſere Ehre, und
Ehre uͤberhaupt, ſind Ausdruͤcke von einer ſehr
verſchiedenen Bedeutung.
Nichts als die wahre Freundſchaft gegen dich
beweget mich zu Schreibung dieſes Briefes. Um
dein ſelbſt willen, und um deiner Familie
willen
A a 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/389>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.