und leget ein stillschweigendes Bekenntniß ab, daß er Jhre Liebe nicht verdienet. Jhre Sehnsucht nach den Aegyptischen Fleisch-Töpfen, (die Sie in Jhrem Briefe an die Frau Hervey noch deutlicher zu er- kennen geben) und die so oft bezeugte Reue über die letzte Unterredung vor dem Garten, und über ih- re gezwungene Flucht, sind ihm unerträglich.
Jch habe seine gantze Aufführung überdacht, und sie mit seiner Gemüths-Art verglichen: und ich fin- de, daß er sich immer gleich, und viel niederträchti- ger, viel rachgieriger ist, als wir es uns jemahls eingebildet haben. Als ein eintziges Kind, welches noch dazu ein Sohn und eintziger Erbe der Familie war, ist er beynahe von der Wiege an verdorben, und in allem Eigensinn aufgezogen worden; und hat sich angewöhnt seinen Vorgesetzten zu befehlen. Jn den reiferen Jahren ist er ein lasterhafter Mensch geworden, der sich nicht einmahl an den Wohlstand und an das Urtheil der Welt gekehret hat. Er hat gegen unser gantzes Geschlecht eine Verachtung, weil sich einige Frauenzimmer ihm allzu wohlfeil verkauft haben.
Ob er gleich seine Absicht auf eine Clarissa ge- richtet hatte, so ist doch seine Aufführung gegen ih- re Familie seit der Zeit, da ihm Jhr alberner Bru- der sein Leben schuldig geworden ist, nichts anders, als Trotz gegen Trotz. Durch Schrecken und durch List hat er Sie in seine Gewalt bekommen. Was für Höflichkeit können Sie von einem solchen Men- schen erwarten.
Allein
Dritter Theil. A a
und leget ein ſtillſchweigendes Bekenntniß ab, daß er Jhre Liebe nicht verdienet. Jhre Sehnſucht nach den Aegyptiſchen Fleiſch-Toͤpfen, (die Sie in Jhrem Briefe an die Frau Hervey noch deutlicher zu er- kennen geben) und die ſo oft bezeugte Reue uͤber die letzte Unterredung vor dem Garten, und uͤber ih- re gezwungene Flucht, ſind ihm unertraͤglich.
Jch habe ſeine gantze Auffuͤhrung uͤberdacht, und ſie mit ſeiner Gemuͤths-Art verglichen: und ich fin- de, daß er ſich immer gleich, und viel niedertraͤchti- ger, viel rachgieriger iſt, als wir es uns jemahls eingebildet haben. Als ein eintziges Kind, welches noch dazu ein Sohn und eintziger Erbe der Familie war, iſt er beynahe von der Wiege an verdorben, und in allem Eigenſinn aufgezogen worden; und hat ſich angewoͤhnt ſeinen Vorgeſetzten zu befehlen. Jn den reiferen Jahren iſt er ein laſterhafter Menſch geworden, der ſich nicht einmahl an den Wohlſtand und an das Urtheil der Welt gekehret hat. Er hat gegen unſer gantzes Geſchlecht eine Verachtung, weil ſich einige Frauenzimmer ihm allzu wohlfeil verkauft haben.
Ob er gleich ſeine Abſicht auf eine Clariſſa ge- richtet hatte, ſo iſt doch ſeine Auffuͤhrung gegen ih- re Familie ſeit der Zeit, da ihm Jhr alberner Bru- der ſein Leben ſchuldig geworden iſt, nichts anders, als Trotz gegen Trotz. Durch Schrecken und durch Liſt hat er Sie in ſeine Gewalt bekommen. Was fuͤr Hoͤflichkeit koͤnnen Sie von einem ſolchen Men- ſchen erwarten.
Allein
Dritter Theil. A a
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und leget ein ſtillſchweigendes Bekenntniß ab, daß
er Jhre Liebe nicht verdienet. Jhre Sehnſucht nach
den Aegyptiſchen Fleiſch-Toͤpfen, (die Sie in Jhrem
Briefe an die Frau Hervey noch deutlicher zu er-
kennen geben) und die ſo oft bezeugte Reue uͤber
die letzte Unterredung vor dem Garten, und uͤber ih-
re gezwungene Flucht, ſind ihm unertraͤglich.
Jch habe ſeine gantze Auffuͤhrung uͤberdacht, und
ſie mit ſeiner Gemuͤths-Art verglichen: und ich fin-
de, daß er ſich immer gleich, und viel niedertraͤchti-
ger, viel rachgieriger iſt, als wir es uns jemahls
eingebildet haben. Als ein eintziges Kind, welches
noch dazu ein Sohn und eintziger Erbe der Familie
war, iſt er beynahe von der Wiege an verdorben,
und in allem Eigenſinn aufgezogen worden; und
hat ſich angewoͤhnt ſeinen Vorgeſetzten zu befehlen.
Jn den reiferen Jahren iſt er ein laſterhafter
Menſch geworden, der ſich nicht einmahl an den
Wohlſtand und an das Urtheil der Welt gekehret
hat. Er hat gegen unſer gantzes Geſchlecht eine
Verachtung, weil ſich einige Frauenzimmer ihm
allzu wohlfeil verkauft haben.
Ob er gleich ſeine Abſicht auf eine Clariſſa ge-
richtet hatte, ſo iſt doch ſeine Auffuͤhrung gegen ih-
re Familie ſeit der Zeit, da ihm Jhr alberner Bru-
der ſein Leben ſchuldig geworden iſt, nichts anders,
als Trotz gegen Trotz. Durch Schrecken und durch
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/383>, abgerufen am 22.12.2024.
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